Einfache Sätze über unendliche Mengen

 Wir leiten aus der Dedekind-Definition einige elementare Resultate ab.

Satz (Übertragung der Unendlichkeit zwischen Mengen gleicher Mächtigkeit)

Seien A und B gleichmächtige Mengen. Dann gilt:

Ist A unendlich, so ist auch B unendlich.

Beweis

Sei A′ ⊂ A, und sei f : A  A′ bijektiv. Weiter sei h : A  B bijektiv.

Wir setzen

g  =  h ∘ f ∘ h−1 : B  B

Dann ist g injektiv. Ist x  ∈  A − A′, so ist h(x)  ∉  rng(g). Genauer gilt

rng(g)  =  h″A′  ⊂  h″A  =  B.

Also ist g : B  rng(g) ⊂ B ein Zeuge für die Unendlichkeit von B.

 Der nächste Satz zeigt die Übertragung der Unendlichkeit auf jede Obermenge einer unendlichen Menge:

Satz (Übertragung der Unendlichkeit auf Obermengen)

Seien A, B Mengen, und es gelte A ⊆ B. Dann gilt:

Ist A unendlich, so ist auch B unendlich.

Beweis

Sei A′ ⊂ A und f : A  A′ bijektiv. Sei

g  =  f  ∪  idB − A,

sodass g(b) = f (b) für b  ∈  A, g(b) = b für b  ∈  B − A.

Dann ist g injektiv. Ist x  ∈  A − A′, so ist x  ∉  rng(g). Genauer gilt

rng(g)  =  A′ ∪ (B − A)  ⊂  B.

Also ist g : B  rng(g) ⊂ B ein Zeuge für die Unendlichkeit von B.

 Als Korollar zu diesen beiden Sätzen erhalten wir:

Korollar (Übertragung der Unendlichkeit auf gleichmächtige und größere Mengen)

Seien A, B Mengen, und es gelte |A| ≤ |B|. Dann gilt:

Ist A unendlich, so ist auch B unendlich.

Beweis

Sei h : A  B injektiv, und sei C = rng(h). Dann ist |A| = |C|, also ist C unendlich. Aber C ⊆ B, also ist auch B unendlich.

 Interessanter sind die Reduktionen von unendlichen Mengen, die die Unendlichkeit erhalten. Zunächst zeigen wir, dass ein Tropfen an der Unendlichkeit des Meeres nichts ändert.

Satz (Entfernen eines Elementes)

Sei A eine unendliche Menge. Weiter seien a  ∈  A und B = A − { a }.

Dann ist auch B unendlich.

Beweis
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Sei A′ ⊂ A und f : A  A′ bijektiv. Sei b  ∈  A − A′ (≠ ∅). Wir setzen:

g  =  f|(A − { b }).

Dann ist g injektiv, und f (b)  ∉  rng(g). Aber f (b) ≠ b wegen rng(f) = A′. Also ist

g : A − { b }  A − { b, f (b) } ⊂ A − { b }

ein Zeuge für die Unendlichkeit von A − { b }. Aber offenbar

|A − { a }|  =  |A − { b }|,

also ist auch A − { a } unendlich nach dem Satz oben.

Korollar (Hinzufügen eines Elementes)

Seien B eine endliche Menge und a ein beliebiges Objekt.

Weiter sei A = B ∪ { a }. Dann ist auch A endlich.

Beweis

Andernfalls ist A unendlich (und a  ∉  B). Nach dem Satz oben ist dann A − { a } = B unendlich, im Widerspruch zur Voraussetzung.

 Wiederholte Anwendung des Korollars ergibt, dass B ∪ { a1, … , an } endlich ist für endliche B und für beliebige Objekte a1, …, an, n  ∈  . Insbesondere sind also (für B = ∅) alle Mengen der Form { a1, …, an } endlich. Wir wissen noch nicht, dass umgekehrt alle endlichen Mengen die Gestalt { a1, … , an } , n  ∈  , haben; wir werden dies unten zeigen.

 Für weitergehende Resultate wird die rein funktionale Definition der Unendlichkeit im rein funktionalen Kontext recht schwerfällig. Der Nachweis, dass die Vereinigung zweier − oder stärker endlich vieler − endlicher Mengen wieder endlich ist, bereitet bereits Schwierigkeiten. (Der Leser mag versuchen, dies im Stil der obigen Beweise zu zeigen). An dieser Stelle kommen uns nun die natürlichen Zahlen zu Hilfe, ähnlich wie in der Mächtigkeitstheorie zum Beweis des Satzes von Cantor-Bernstein. Wie dort wäre es eher künstlich, die Stärke rekursiver Definitionen und induktiver Beweise beim Heben schwererer Gewichte nicht zu benutzen.