Ableitungen

 Cantor hat die Häufungspunkte einer Teilmenge von  als Kennzeichen für die Reichhaltigkeit der Menge betrachtet, und hierzu den Begriff der Ableitung einer Punktmenge eingeführt.

Definition (Cantorsche Ableitung einer Menge reeller Zahlen)

Sei P ⊆ . Wir setzen

P′  =  { x  ∈   | x ist Häufungspunkt von P }.

P′ heißt die (Cantorsche) Ableitung von P.

 P′ entsteht aus P durch Säumen des Randes von P und anschließender Entfernung der isolierten Punkte.

Cantor (1872):

„Es ist nun ein bestimmtes Verhalten eines jeden Punktes der Geraden zu einer gegebenen Menge P, entweder ein Grenzpunkt derselben oder kein solcher zu sein, und es ist daher mit der Punktmenge P die Menge ihrer Grenzpunkte begrifflich mit gegeben, welche ich mit P′ bezeichnen und die erste abgeleitete Punktmenge von P nennen will.“

 Elementare Eigenschaften der Ableitung sind:

Übung

Seien P, Q ⊆ . Dann gilt:

(i)

P ⊆ Q  folgt  P′ ⊆ Q′.

(ii)

(P ∪ Q)′  =  P′ ∪ Q′.

(iii)

(P ∩ Q)′  ⊆  P′ ∩ Q′.

[Dagegen ist die andere Inklusion P′ ∩ Q′ ⊆ (P ∩ Q)′ im Allgemeinen nicht richtig.]

(iv)

Ist P endlich, so ist P′ = ∅.

 Wir betrachten einige Beispiele.

Beispiele

(i)

∅′ = ∅,  ′ = ,

(ii)

] 0, 1 [ ′ = [ 0, 1 ],  ′ = ,

(iii)

({ 1/n | n  ∈  , n > 0 } ∪ { 0 })′  =  { 0 } ,

(iv)

{ 1/n | n  ∈  , n > 0 }′  =  { 0 }.

 Es sind also die Fälle

(i)  P′ = P,  (ii)  P ⊂ P′,

(iii)  P′ ⊂ P,  (iv)  P′ ∩ P = ∅

möglich. Das Beispiel ′ =  zeigt, dass die Ableitung einer Menge von größerer Mächtigkeit sein kann als die Ausgangsmenge.

Übung

Sei P ⊆ . Dann sind äquivalent:

(i)

P ist dicht in .

(ii)

P′  =  .

 Dichtheit bedeutet also genau, dass sich jede reelle Zahl beliebig genau durch Elemente der Menge approximieren lässt.