Transfinite Folgen und Aufzählungen einer Menge
Die natürlichen Zahlen tauchen häufig als Indizes an bestimmten Objekten auf, etwa bei einer Folge x0, x1, … xn, … , n ∈ ℕ, bestehend aus reellen Zahlen. Derartige Folgen sind offiziell nichts anderes als Funktionen f : ℕ → ℝ mit f (n) = xn für n ∈ ℕ. Analog können wir nun Objekte mit Ordinalzahlen indizieren. Dies führt zum Begriff der transfiniten Folge.
Definition (transfinite Folgen)
Seien α eine Ordinalzahl, M eine Menge. Weiter sei f : W(α) → M eine Funktion. Dann heißt f eine Folge der Länge α in M. Ist α ≥ ω, so heißt f eine transfinite Folge in M. Wir schreiben f auch in der Form
f = 〈 xβ | β < α 〉,
mit xβ = f (β) für β < α.
Verwandte Schreibweisen, etwa
〈 xβ | α′ < β < α 〉 für ein α′ < α,
〈 yβ | β ∈ A 〉 für eine Menge A von Ordinalzahlen,
usw. verwenden wir ohne weiteren Kommentar. 〈 yβ | β ∈ A 〉 ist z. B. die Funktion f mit dom(f) = A und f (β) = yβ für alle β ∈ A.
Transfinite Folgen werden in der Mengenlehre sehr häufig verwendet. Man kann sich eine Folge 〈 xβ | β < α 〉 in M vorstellen als eine Reihe (+) wie zu Beginn dieses Abschnitts, wobei nun Elemente aus M die Reihe bilden und die Ordinalzahlen als Indizes verwendet werden:
(+) | x0, x1, x2, … , xω, xω + 1, … ., xω + ω, … , … , xβ, … , … (β < α) |
Ist f : W(α) → M sogar bijektiv, so induziert f eine Wohlordnung auf M. Wir können dann f als eine Aufzählung der Elemente von M auffassen. Die entsprechende Reihe (+) durchläuft dann ganz M ohne Wiederholungen, und genauer gilt: Die Elemente von M werden durch diese Reihe in eine Wohlordnung gebracht.
Definition (Aufzählung und induzierte Wohlordnung)
Seien α eine Ordinalzahl, M eine Menge und f : W(α) → M bijektiv.
Dann heißt f = 〈 xβ | β < α 〉 eine Aufzählung von M.
Für x, y ∈ M setzen wir
x < y falls f −1(x) < f −1(y).
〈 M, < 〉 heißt die durch f induzierte Wohlordnung auf M.
〈 M, < 〉 ist eine Wohlordnung mit o. t.(〈 M, < 〉) = α (vgl. auch Kapitel 3).
Ist M schon wohlgeordnet, so können wir eine Aufzählung von M entlang der vorgegebenen Wohlordnung durchführen:
Definition (Aufzählung einer Wohlordnung)
Sei 〈 M, < 〉 eine Wohlordnung, und sei α = o. t.(〈 M, < 〉). Weiter sei
f : W(α) → M
ordnungsisomorph. Dann heißt f = 〈 xβ | β < α 〉 die Aufzählung von 〈 M, < 〉. Für β < α heißt xβ das β-te Element von 〈 M, < 〉.
Die Beobachtung, dass 〈 W(α), < 〉 eine Wohlordnung des Typs α ist, kann man rückblickend zu einer Definition des Begriffs der Ordinalzahl heranziehen. Wir besprechen nun diesen Weg, der zu einer strengen Definition des Ordnungstyps von Wohlordnungen führt, und einen Abstraktionsakt oder ein „denken wir uns zugeordnet …“ nicht mehr benötigt. Auf diese Weise werden Ordinalzahlen heute üblicherweise eingeführt, wobei die Gefahr besteht, dass die Idee der Ordinalzahl durch die gnadenlose Eleganz der Definition verschüttet wird.