club-Mengen
„X ist unbeschränkt in W(κ)“ verletzt die Schnitteigenschaft von Filtern. Eine Verstärkung der Unbeschränktheit führt zu dem vielleicht interessantesten Filter auf W(κ) − und zu den Mahlo-Kardinalzahlen.
Definition (unbeschränkt, abgeschlossen, club)
Sei λ eine Limesordinalzahl, und sei X ⊆ W(λ).
(i) | X heißt unbeschränkt in λ, falls λ = sup(X). |
(ii) | X heißt abgeschlossen in λ, falls für alle Limesordinalzahlen α < λ gilt: sup(X ∩ W(α)) = α folgt α ∈ X. |
(iii) | X heißt club in λ, falls X abgeschlossen und unbeschränkt in λ ist. |
Der Ausdruck „club“ ist eine Verballhornung von engl. closed-unbounded, und auch im Deutschen bequem verwendbar. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf reguläre Kardinalzahlen λ ≥ ω1. Vieles gilt allgemeiner auch für Limesordinalzahlen λ mit cf (λ) ≥ ω1.
Übung
Sei κ ≥ ω1 regulär, und sei C ⊆ W(κ). Dann sind äquivalent:
(i) | C ist club in κ. |
(ii) | Es gibt eine strikt aufsteigende stetige Folge f : W(κ) → W(κ) mit C = rng(f). |
Die folgenden auf den ersten Blick verblüffenden Fakten werden oft verwendet. Beliebige Funktionen auf regulären überabzählbaren Kardinalzahlen holen sich club-oft selber ein, und stetige kofinale Funktionen haben club-viele Fixpunkte:
Übung
Sei κ ≥ ω1 regulär, und sei f : W(κ) → W(κ) eine Funktion. Dann gilt:
(i) | { α < κ | f ″α ⊆ W(α) } ist club in κ. [Abgeschlossen ist klar. Zu unbeschränkt betrachte αω = supn < ω αn für αn + 1 = sup f ″(αn + 1) für n < ω, mit α0 < κ beliebig.] |
(ii) | Ist f stetig und konfinal in κ, so ist { α < κ | f (α) = α } club in κ. |
Die monotone Aufzählung 〈 γα | α < κ 〉 einer club-Menge C ⊆ W(κ) ist stetig und konfinal in κ und hat also club-viele Fixpunkte. Club-Mengen sind sehr stabil gegenüber derartigen Ausdünnungsprozessen.
Jede in κ unbeschränkte Menge X ⊆ W(κ) lässt sich kanonisch zu einer club-Menge erweitern, indem man alle von X angesteuerten Punkte zu X hinzunimmt:
Definition (Limespunkt und Abschluss)
Sei X eine Menge von Ordinalzahlen, und sei λ eine Limesordinalzahl. λ heißt (innerer) Limespunkt von X, falls λ < sup(X) und λ = sup(X ∩ W(λ)). Wir setzen:
Lim(X) = { λ | λ ist innerer Limespunkt von X }.
Die Menge X ∪ Lim(X) heißt der Abschluss von X.
Offenbar ist ein unbeschränktes X ⊆ W(κ) genau dann club in κ, wenn Lim(X) ⊆ X gilt. Die Mengen Lim(X) und X ∪ Lim(X) sind club in κ für alle unbeschränkten X ⊆ W(κ).
Wir zeigen nun durch ein hübsches Verflechtungsargument, dass die club-Mengen von regulären κ ≥ ω1 einen Filter bilden.
Satz (Durchschnitt von club-Mengen)
Sei κ ≥ ω1 regulär, und seien C, D club in κ. Dann ist C ∩ D club in κ.
Beweis
C ∩ D ist abgeschlossen in κ:
Sei λ = sup(C ∩ D ∩ W(λ)) für eine Limesordinalzahl λ < κ. Dann ist λ = sup(C ∩ W(λ)), also λ ∈ C wegen C abgeschlossen. Analog gilt λ ∈ D. Also λ ∈ C ∩ D.
C ∩ D ist unbeschränkt in κ:
Wir definieren durch Rekursion über α < κ:
γ2 α | = „das kleinste γ ∈ C mit γ > γβ für alle β < 2α“, |
γ2 α + 1 | = „das kleinste γ ∈ D mit γ > γβ für alle β ≤ 2α“. |
Wegen κ regulär ist γα < κ für alle α < κ. Sei E = { γλ | λ < κ, λ Limes }. Dann ist E ⊆ C ∩ D club in W(κ), wovon der Leser sich mit Freuden überzeugt. Insbesondere ist C ∩ D also unbeschränkt in κ.
Wir beweisen hier (und in den folgenden Argumenten) viel mehr als wir brauchen. Der Satz bleibt richtig mit der Voraussetzung cf (κ) ≥ ω1 (!) [abgeschlossen ist klar, und eine ω-Rekursion genügt für die Unbeschränktheit]. Wir begnügen uns hier aber mit der Betrachtung von regulären κ ≥ ω1, und konstruieren ganze club-Mengen in Schnitten, um die Unbeschränktheit zu zeigen.
Allgemeiner gilt:
Übung
Sei κ ≥ ω1 regulär, und sei β < κ. Weiter seien Cα club in κ für α < β.
Dann ist ⋂α < β Cα club in κ.
[Wir definieren rekursiv für δ < κ, α < β:
γβ · δ + α = „das kleinste γ ∈ Cα mit γ > γη für alle η < β · δ + α.“
Sei E = { γβ · λ | λ < κ, λ Limes }. Dann ist E club und E ⊆ Cα für α < β.]
Definition (μ-vollständige Filter und Ideale)
Sei F ein Filter und sei μ ≥ ω1 eine Kardinalzahl. F heißt μ-vollständig, falls ⋂ X ∈ F für alle X ⊆ F mit |X| < μ. Analog heißt ein Ideal I μ-vollständig, falls ⋃ X ∈ I für alle X ⊆ I mit |X| < μ.
μ-Vollständigkeit ist also eine Verstärkung der Schnitteigenschaft von Filtern. Speziell meint ω1-vollständig, dass Filter stabil sind unter abzählbaren Schnittbildungen.
Definition (club-Filter, dünnes oder nichtstationäres Ideal)
Sei κ ≥ ω1 regulär. Wir setzen:
𝒞κ = { X ⊆ W(κ) | es gibt ein C ⊆ W(κ) mit C club in κ und C ⊆ X },
ℐκ = { X ⊆ W(κ) | W(κ) − X ∈ 𝒞κ }.
𝒞κ heißt der club-Filter auf κ, ℐκ heißt das dünne oder nichtstationäre Ideal auf κ.
Eine Teilmenge X von W(κ) heißt konsequenterweise dünn oder nichtstationär in κ, falls X ∈ ℐκ. Die Bezeichnung „nichtstationär“ wird gleich klar werden.
Wir haben mit der obigen Übung gezeigt:
Korollar (κ-Vollständigkeit des club-Filters)
Sei κ ≥ ω1 regulär. Dann ist 𝒞κ ein κ-vollständiger Filter auf κ.
Dual gilt: ℐκ ist ein κ-vollständiges Ideal auf κ.
Es gilt nun eine noch stärkere Durchschnittseigenschaft mit verblüffenden Konsequenzen. Hierzu definieren wir:
Definition (diagonaler Durchschnitt und diagonale Vereinigung)
Sei κ ≥ ω eine Kardinalzahl, und sei Xα ⊆ W(κ) für α < κ. Dann sind der diagonale Durchschnitt ∆α < κ Xα und die diagonale Vereinigung ∇α< κ Xα der Folge 〈 Xα | α < κ 〉 definiert durch:
∆α < κ Xα = { α < κ | α ∈ Xβ für alle β < α },
∇α < κ Xα = { α < κ | α ∈ Xβ für ein β < α }.
Der diagonale Schnitt und die diagonale Vereinigung haben eine einfache geometrische Deutung. Für X ⊆ W(κ) seien
X+, α = X ∪ W(α + 1), und
X−, α = X − W(α + 1).
Dann gilt:
∆α < κ Xα | = ⋂α < κ Xα+, α, |
∇α < κ Xα | = ⋃α < κ Xα−, α. |
Anders: Wir interessieren uns bei den diagonalen Operationen nur für das „linke obere Dreieck“ D = { (β, α) | β < α < κ } von W(κ) × W(κ), ausschließlich der Diagonale, und bilden Schnitt und Vereinigung bzgl. D. Ein α < κ wird in den diagonalen Schnitt genau dann aufgenommen, wenn es zu allen Xβ mit β < α gehört. Analoges gilt mit „einem“ statt „allen“ für die diagonale Vereinigung.
Der diagonale Schnitt taucht zum ersten Mal auf in [Veblen 1908].
Ganz anders als der Schnitt und die Vereinigung hängen die diagonalen Versionen von der Aufzählung der zu schneidenden Mengen ab. Dennoch sind sie „modulo club“ eindeutig bestimmt:
Übung
Sei κ ≥ ω1 regulär, und seien Xα, Yα ⊆ W(κ) für α < κ mit { Xα | α < κ } = { Yα | α < κ }. Dann sind die symmetrischen Differenzen
∆α < κ Xα Δ ∆α < κ Yα und ∇α < κ Xα Δ ∇α < κ Yα dünn in κ.
[ Die Menge C = { α < κ | { Xβ | β < α } = { Yβ | β < α } } ist club in κ.]
Club-Folgen kann nun auch ein diagonaler Schnitt nicht beeindrucken. Das Ergebnis eines solchen Schnitts ist wieder eine club-Menge:
Satz (über diagonale Schnitte)
Sei κ > ω regulär, und seien Cα club in κ für α < κ. Dann ist ∆α < κ Cα club in κ.
Beweis
Sei D = ∆α < κ Cα.
D ist abgeschlossen in κ:
Sei λ = sup(D ∩ W(λ)) für eine Limesordinalzahl λ < κ. Es gilt D ∩ W(λ) − W(β + 1) ⊆ Cβ für alle β < λ. Also ist λ Limespunkt von Cβ für β < λ. Dann ist aber λ ∈ Cβ für alle β < λ, also λ ∈ D.
D ist unbeschränkt in κ:
Wir setzen γ0 = 0 und definieren durch Rekursion über 1 ≤ α < κ:
γα = „das kleinste γ ∈ ⋂β < α Cβ mit γ > γβ für alle β < α“.
Wegen κ regulär ist γα < κ für alle α < κ. Weiter ist 〈 γα | α < κ 〉 strikt aufsteigend und stetig. Also ist E = { α < κ | γα = α } club in κ. Nach Konstruktion gilt E ⊆ D, also ist D unbeschränkt in κ.
Man kann die Rekursion auch so definieren:
γα = „das kleinste γ mit: für alle β < α existiert ein δ ∈ Cβ, δ ≤ γ mit δ > γβ′ für alle β′ < α.“
Dann ist wieder E = { α < κ | γα = α } club in κ und E ⊆ D. Der Beweis ruht dann nicht mehr auf dem vorab bewiesenen Resultat, dass der Schnitt von weniger als κ-vielen club-Mengen wieder club ist, und die Schnitt-Sätze werden zu einfachen Korollaren zum Satz über diagonale Durchschnitte. Eine schrittweise Näherung an die maximale Abgeschlossenheitseigenschaft von club-Mengen erscheint aber natürlicher.
Definition (normaler Filter und normales Ideal)
Sei κ ≥ ω eine Kardinalzahl und sei F ein Filter auf W(κ). F heißt normal, falls F abgeschlossen unter diagonalen Durchschnitten ist, d. h. es gilt ∆α < κ Xα ∈ F für alle 〈 Xα | α < κ 〉 mit Xα ∈ F für alle α < κ. Analog heißt ein Ideal I auf W(κ) normal, falls I abgeschlossen unter diagonalen Vereinigungen ist.
Übung
Sei κ ≥ ω eine Kardinalzahl und sei F ein normaler Filter auf W(κ). Weiter gelte W(κ) − W(α) ∈ F für alle α < κ. Dann ist F κ-vollständig, und κ ist regulär und überabzählbar.
Wir haben gezeigt:
Korollar (Normalität des club-Filters)
Sei κ ≥ ω1 regulär. Dann ist 𝒞κ ein normaler Filter auf W(κ).
Dual gilt: ℐk ist ein normales Ideal für reguläre κ ≥ ω1.