3.Die wichtigsten Arbeiten von Cantor, Hausdorff und Zermelo

Cantor 1872  :  Über die Ausdehnung eines Satzes aus der Theorie der trigonometrischen Reihen

Cantor beweist eine schärfere Form seines Eindeutigkeitssatzes über die Entwicklung einer Funktion in eine trigonometrische Reihe aus dem Jahre 1870.

In der Arbeit findet sich auch die Cantorsche Definition der reellen Zahlen über Fundamentalfolgen (Cauchyfolgen) aus rationalen Zahlen. Er nimmt die rationalen Zahlen als Grundlage und definiert für Fundamentalfolgen (= reelle Zahlen) a, b die Beziehungen a = b, a < b, a > b und die üblichen arithmetischen Operationen.

Cantor 1874  :  Über eine Eigenschaft des Inbegriffs aller reellen algebraischen Zahlen

Beweis der Abzählbarkeit der algebraischen Zahlen. Beweis der Überabzählbarkeit der reellen Zahlen durch Intervallschachtelung (siehe 1.8). Cantor betont, dass sich damit ein neuer Beweis der Existenz transzendenter Zahlen ergibt.

Cantor 1878  :  Ein Beitrag zur Mannigfaltigkeitslehre

Begriff der gleichen und kleineren Mächtigkeit beliebiger Mengen. Beweis der Gleichmächtigkeit verschiedendimensionaler Kontinua endlicher oder abzählbar unendlicher Dimension. Zur Konstruktion der Bijektion verwendet Cantor die Entwicklung irrationaler Zahlen in Kettenbrüche. Diskussion der Unstetigkeit der Bijektion und des Dimensionsbegriffs. Explizite Angabe der „Cantorschen Paarungsfunktion“ (vgl. 1.7). Erste Formulierung der Kontinuumshypothese.

Cantor 1879  :  Über unendliche, lineare Punktmannigfaltigkeiten (I)

Beginn der Untersuchung von Teilmengen reeller Zahlen (lineare Punktmengen). Begriffe: Isolierter Punkt einer Menge, Ableitung einer Punktmenge, „überall-dicht (in einem Intervall)“. Cantor iteriert die Operation der Ableitung und teilt die Punktmengen in zwei Klassen ein, je nachdem ob die Folge der Ableitungen nach endlich vielen Schritten in der leeren Menge terminiert oder nicht. Cantor wiederholt in dieser Arbeit zudem noch einmal den Mächtigkeitsbegriff und den Beweis der Überabzählbarkeit der reellen Zahlen.

Cantor 1880  :  Über unendliche, lineare Punktmannigfaltigkeiten (II)

Die Arbeit markiert die Geburtsstunde der Ordinalzahlen. Cantor iteriert die Operation der Ableitung einer Punktmenge ins Transfinite. Er nennt die transfiniten Indizes der Iteration „Unendlichkeitssymbole“ und betrachtet z. B.

∞, ∞ + 1, ∞ + 2, … , 2 ∞, 2 ∞ + 1, 2 ∞ + 2, … , 3 ∞, … , ∞2, … , ∞3, … , ∞, … , ∞2, … , ∞, usw.

Cantor 1882  :  Über unendliche, lineare Punktmannigfaltigkeiten (III)

Cantor diskutiert seine extensionale Auffassung des Mengenbegriffs: Es genügt, wenn es „intern determiniert“ ist, ob ein Objekt einer Menge angehört oder nicht; es kommt nicht auf die „externe Determination“ an, d. h. darauf, ob man tatsächlich feststellen kann, welche der beiden Möglichkeiten zutrifft (etwa, ob eine gegebene reelle Zahl transzendent ist).

Er wiederholt den Abzählbarkeitsbegriff, und betont, dass die abzählbare Vereinigung abzählbarer Mengen wieder abzählbar ist.

Cantor zeigt, dass es im n höchstens abzählbar viele paarweise disjunkte stetige [zusammenhängende] Teilgebiete geben kann. Cantor benutzt zum Beweis nicht die Existenz einer abzählbar dichten Teilmenge − etwa n −, sondern verwendet das Argument, mit dem heute üblicherweise gezeigt wird, dass es nicht überabzählbar viele paarweise disjunkte Mengen von positivem Maß geben kann.

In dieser Arbeit findet sich auch das Argument, dass beliebige Punkte im 2 durch „transzendente Pfade“ (sogar in Form von Kreisbögen) verbunden werden können, d. h. durch stetige Kurven, deren Punkte alle mindestens eine transzendente Koordinate haben (vgl. 1.8).

Cantor 1883  :  Über unendliche, lineare Punktmannigfaltigkeiten (IV)

Diese Arbeit bringt eine Fortsetzung der Untersuchung der Ableitungsoperation einer linearen Punktmenge. Weiter zeigt Cantor: Ist [ a, b ] ein reelles Intervall und P ⊆ [ a, b ] abzählbar, so lässt sich P durch endlich viele Intervalle mit beliebig kleiner Intervallsumme überdecken. (Das Argument ist relativ kompliziert; heute zeigt man den Satz sehr einfach mit Hilfe der Kompaktheit von [ a, b ].)

Cantor 1883  :  Über unendliche, lineare Punktmannigfaltigkeiten (V)

Diese Arbeit ist die längste der Reihe und hat über weite Strecken philosophischen Charakter. Cantor führt hier die Fortsetzung der natürlichen Zahlenreihe ins Transfinite konsequent durch, und rechtfertigt den Begriff „Zahl“ für die neuen transfiniten Objekte.

Die transfiniten Zahlen teilt er in Zahlenklassen ein (§ 1), wobei die ersten beiden Zahlenklassen im Zentrum stehen: Die erste Klasse besteht aus den natürlichen (endlichen) Zahlen, die zweite aus den abzählbar unendlichen transfiniten Zahlen. Die Kontinuumshypothese lautet dann: Die reellen Zahlen haben die Mächtigkeit der zweiten Zahlenklasse.

Anschließend führt er den Begriff der „Wohlordnung“ (§§ 2 − 3) ein, und charakterisiert die transfiniten Zahlen als die Längen unendlicher Wohlordnungen. Er unterstreicht die fundamentale Bedeutung dieses Begriffes für die gesamte Mengenlehre. Die elementaren Sätze über Wohlordnungen sind ihm intuitiv klar (etwa der Vergleichbarkeitssatz: Von je zwei Wohlordnungen ist die eine ordnungsisomorph zu einem Anfangsstück der anderen). Er behandelt Addition und Multiplikation von Wohlordnungen.

In §§ 4 − 8 diskutiert Cantor die Begriffe „aktual unendlich“ und „potentiell unendlich“, und verteidigt das Konzept der aktualen Unendlichkeit und die Existenz der transfiniten Zahlen gegen verschiedene philosophische Einwände.

Weiter behandelt er noch einmal seine Konstruktion der reellen Zahlen von 1872 über Fundamentalfolgen und vergleicht seinen Ansatz mit den Konstruktionen von Dedekind und Weierstraß. Er sieht eine Notwendigkeit, das Kontinuum als „mathematisch-logischen Begriff“ und nicht als „religiöses Dogma“ zu behandeln (§§ 9 − 10). In einer Fußnote zu § 10 erwähnt er zum ersten Mal die heute nach ihm benannte Cantormenge C, das „Cantorsche Diskontinuum“.

In § 11 bespricht er Erzeugungsprinzipien für die transfiniten Zahlen (Nachfolgerbildung und Limesbildung). Die Zahlenklassen definiert er mit Hilfe eines Hemmungs- oder Beschränkungsprinzips, das ihm erlaubt, die Konstruktion der transfiniten Zahlen an bestimmten Stellen zu stoppen, etwa dann, wenn zum ersten Mal eine überabzählbare Zahl erreicht wird. In § 12 zeigt er, dass die zweite Zahlklasse eine größere Mächtigkeit hat als die erste, in § 13, dass diese Mächtigkeit minimal größer als die Mächtigkeit der ersten Zahlklasse ist. § 14 schließlich beschäftigt sich mit der Arithmetik der transfiniten Zahlen.

Cantor 1884  :  Über unendliche, lineare Punktmannigfaltigkeiten (VI)

Diese Arbeit ist die direkte Fortsetzung von (V), und enthält fünf weitere Paragraphen.

In §§ 15 − 17 wird die transfinit-iterierte Ableitung von Punktmengen behandelt. Cantor definiert den Begriff der Abgeschlossenheit: P ⊆  heißt abgeschlossen, falls die Ableitung von P [Menge ihrer Häufungspunkte] eine Teilmenge von P ist. Wie schon in Teil (V) heißt eine Menge perfekt, falls sie mit ihrer Ableitung übereinstimmt (also perfekt = abgeschlossen + keine isolierten Punkte). Das Hauptergebnis dieser Thematik ist der Satz von Cantor-Bendixson: Ist P ⊆  überabzählbar und abgeschlossen, so existiert eine eindeutige Darstellung

P  =  Q ∪ A  mit  Q ∩ A = ∅, Q perfekt, A abzählbar.

§ 18 leitet die Maßtheorie ein: Cantor definiert erstmalig in der Geschichte einen Inhalt für beliebige Teilmengen im n. Der hier vorgestellte Ansatz wurde von Jordan und Peano weiterverfolgt und führte zum endlichen additiven Peano-Jordan-Inhalt. Borel und Lebesgue entwickelten die σ-additive Maßtheorie.

§ 19 beschäftigt sich wieder mit perfekten Teilmengen von . Cantor zeigt, dass jede perfekte Menge die Mächtigkeit von  hat. Hierzu verwendet er die Cantormenge [1883b], und zeigt, dass jede beschränkte nichtleere perfekte Teilmenge von , die keine nichttrivialen Intervalle enthält, ähnlich ist zur Cantormenge C. Zusammen mit dem Satz von Cantor-Bendixson ist damit die Kontinuumshypothese für die abgeschlossenen Mengen bewiesen: Jede abgeschlossene Menge ist endlich, abzählbar unendlich oder von der Mächtigkeit von .

Cantor 1892  :  Über eine elementare Frage der Mannigfaltigkeitslehre

Beweis von |M| < |(M)| für alle Mengen M mit Hilfe des Diagonalverfahrens: Cantor beweist, dass die Menge aller Funktionen von M nach { 0, 1 } von größerer Mächtigkeit ist als die Menge M.

Cantor 1895  :  Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre (I)

Die zwei Teile der „Beiträge“ bilden Cantors abschließende, systematische Darstellung seiner Mengenlehre. Diese etwa 70 Seiten sind das erste Lehrbuch der Mengenlehre.

Die Arbeit beginnt mit seiner berühmten Mengendefinition der „Zusammenfassung zu einem Ganzen“. In §§ 1 − 6 wird dann der Mächtigkeitsbegriff behandelt (Größenvergleiche, Arithmetik mit Mächtigkeiten, Endlichkeit, die kleinste unendliche Mächtigkeit 0). § 7 führt den Begriff der einfach geordneten Mengen [totale oder lineare Ordnungen] ein, § 8 behandelt ihre Addition und Multiplikation. § 9 bringt ein neues Resultat über die Charakterisierung des Ordnungstyps der rationalen Zahlen: „Jede dichte, unbeschränkte und abzählbare lineare Ordnung ist ordnungsisomorph zu den rationalen Zahlen“. § 10 untersucht unendliche aufsteigende und absteigende Folgen in linearen Ordnungen (Fundamentalreihen). In § 11 charakterisiert Cantor die reellen Zahlen rein ordnungstheoretisch. (Die heutige Form ist: Jede vollständige, unbeschränkte lineare Ordnung, die eine abzählbare dichte Teilmenge besitzt, ist ordnungsisomorph zu den reellen Zahlen; Cantor verwendet „perfekt“ statt „vollständig“.)

Cantor 1897  :  Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre (II)

§§ 12 − 14 beschäftigen sich mit Wohlordnungen und Ordnungszahlen [Ordinalzahlen, oder, im unendlichen Fall, transfiniten Zahlen]. § 15 führt „die zweite Zahlklasse“ der abzählbaren Ordnungszahlen ein, und in § 16 wird die Gleichmächtigkeit der zweiten Zahlklasse mit der „zweitkleinsten Kardinalzahl 1“ gezeigt. In § 17 zeigt Cantor die Cantorsche Normalform der Darstellung von abzählbaren Ordnungszahlen. § 18 beschäftigt sich mit der Exponentiation von Ordnungszahlen. Die Exponentiation wird durch transfinite Rekursion definiert. In § 19 wird ein allgemeinerer Satz über Normalformen der Darstellung abzählbarer Ordnungszahlen bewiesen. § 20 schließlich behandelt die sogenannten ε-Zahlen ( Fixpunkte der Ordinalzahlexponentiation f (α) = ωα.)

Hausdorff 1904  :  Der Potenzbegriff in der Mengenlehre

Die erste mengentheoretische Arbeit von Hausdorff, dreiseitig und skizzenhaft, mit „aus dem Sprechsaal“ überschrieben. Hausdorff gibt die „Hausdorff-Formel“ der Kardinalzahlarithmetik an. Interessant ist weiter die Behauptung der Regularität von Nachfolgerkardinalzahlen, aus der sich der Multiplikationssatz für Wohlordnungen ergeben würde. Bewiesen wurde dieser dann aber vollständig wohl erst von Hessenberg 1906.

Hausdorff 1906 − 1907  :  Untersuchungen über Ordnungstypen I − V      Hausdorff 1907  :  Über dichte Ordnungstypen      Hausdorff 1908  :  Grundzüge einer Theorie der geordneten Mengen

In diesen Arbeiten untersucht Hausdorff lineare Ordnungen, ihre Typen und ihre Arithmetik. Ziel war eine Klassifikation dieser Typen, wie sie Cantor vollständig für die Wohlordnungen gelang. Hausdorff bewies hier wichtige Struktursätze, etwa über dichte und zerstreute Ordnungen und Lücken in linearen Ordnungen. Daneben entwickelte er eine allgemeine Potenzierungstheorie, die z. B. zur Hausdorff-Hessenberg-Darstellung der Ordinalzahlpotenz führte.

Die Vielzahl von Begriffen und Ergebnissen über lineare Ordnungen kann hier nicht wiedergegeben werden. Einiges findet der Leser unten zu Kapitel 4 und 6 der „Grundzüge der Mengenlehre“, insbesondere zu Verallgemeinerungen des Typs η = η0 der rationalen Zahlen. Diese sogenannten ηα-Typen sind intuitiv an jeder Stelle besonders dicht gepackte lineare Ordnungen.

Bemerkenswerte Eigenarten der Arbeiten sind ihr von den umhergeisternden Paradoxien unbeirrter Stil und ihre schlafwandlerisch sichere Weiterentwicklung der Cantorschen Begriffe und Ideen. Hausdorff hat mit einem Schiff der Cantorschen Mengenlehre neue Kontinente entdeckt, während fast alle anderen die Flotte vor dem Sinken retten wollten. Sogar Paul Mongré musste vor Kapitän Hausdorff zurücktreten. In seinem Buch von 1914 hat dieser dann die meisten seiner Entdeckungen kartographiert.

Hausdorff 1914  :  Grundzüge der Mengenlehre

Das Buch hat zehn Kapitel, und lässt sich in zwei größere Themengebiete unterteilen: Allgemeine Mengenlehre mit einem Schwerpunkt auf der Ordnungstheorie (Kapitel 1 − 6) und daneben die mathematische Theorie des Raumbegriffs: topologische und metrische Räume, stetige Funktionen und Funktionenfolgen, Maßtheorie (Kapitel 7 − 10).

Hausdorff 1914  :  Grundzüge der Mengenlehre, Kapitel 1: Mengen und ihre Verknüpfungen: Summe, Durchschnitt, Differenz.

Das Kapitel gibt eine Einführung in den „naiven Mengenbegriff“. Hausdorff bespricht den iterativen Charakter der Mengen: Mengen lassen sich zu neuen Mengen zusammenfassen. Weiter betont er die für die Mathematik fundamentstiftende Kraft des Konzepts der unendlichen Menge. Auf die noch „nicht abgeschlossenen“, „äußerst scharfsinnigen Untersuchungen“ von Ernst Zermelo will er aber nicht weiter eingehen. Das Kapitel geht dann also ohne die axiomatische Bewaffnung die ersten Schritte der Mengenlehre: Schnitt, Vereinigung, Differenzen, Mengensysteme (etwa Ringe, σ-Systeme), Dualität, limes inferior und limes superior von Mengenfolgen, Folgen reeller Zahlen, usw.

Hausdorff 1914  :  Grundzüge der Mengenlehre, Kapitel 2: Mengen und ihre Verknüpfungen: Funktion, Produkt, Potenz.

Kapitel 2 bringt die erste rein mengentheoretische Definition von „Funktion“, basierend auf einer Definition des geordneten Paares (a, b) als Menge { { a, 1 } , { b, 2 } }. (Diese wurde 1921 von Kuratowski zum heute üblichen geordneten Paar (a, b) = { { a } , { a, b } } verbessert.) Nach einer Definition der Abzählbarkeit folgen die Betrachtung von „großen“ Schnitten, Vereinigungen und Produkten, und eine Diskussion von Rechenregeln, etwa der Distributivgesetze.

Hausdorff 1914  :  Grundzüge der Mengenlehre, Kapitel 3: Kardinalzahlen oder Mächtigkeiten.

Hausdorff hat sich für die Durchführung all der hübschen Motive der ersten beiden Kapitel immerhin 45 reich instrumentierte Seiten gegönnt. Nun folgt ein Kapitel über Mengenlehre im eigentlichen Sinn. Hausdorff referiert die Cantorsche Auffassung von Kardinalzahlen als Ergebnis eines Abstraktionsprozesses, kritisiert die Russellsche Definition, die echte Klasse aller zu einer Menge gleichmächtigen Mengen als Kardinalzahl zu definieren, und gibt sich dann selber mit dem „formalen Standpunkt“ zufrieden, bei dem jeder Menge ein Ding zugeordnet wird in der Weise, dass gleichmächtigen Mengen das gleiche Ding entspricht. Und genau diese „Dinge“ werden dann per Ritterschlag als Kardinalzahlen oder Mächtigkeiten geadelt. Das ist gerade formal problematisch, aber Hausdorff kann damit überaus bequem und fehlerfrei arbeiten. Auf diese sehr abstrakten Zuordnungen folgt zur Erholung von Autor und Leser die Erläuterung des Vergleichs von Mächtigkeiten durch eine Paarbildung von „Äpfeln und Birnen“, ähnlich unseren Nusshaufen in 1. 4. Innerhalb der Diskussion des Vergleichbarkeitsproblems beweist Hausdorff den Satz von Cantor-Bernstein-Dedekind; er gibt einen Beweis mit natürlichen Zahlen nach Bernstein und einen zahlenfreien nach Dedekind-Zermelo. Danach werden Summe, Produkt und Potenz von Mächtigkeiten definiert. Hausdorff beweist nun: || ≤ |M| für jede unendliche Menge M, den Satz von Cantor über die Potenzmenge, und den Satz von König-Zermelo über Summe und Produkt von Kardinalzahlen. Schließlich werden die Kardinalitäten 0, 20, 220, also die Mächtigkeiten von  und 𝔉 ins Auge gefasst und die üblichen Gleichungen bewiesen, z. B. etwa 20 · 20 = 20. Hausdorff notiert das Kontinuumsproblem, und bemerkt, dass es „bis jetzt allen Bemühungen widerstanden“ hat.

Hausdorff 1914  :  Grundzüge der Mengenlehre, Kapitel 4: Geordnete Mengen. Ordnungstypen.

Start der Untersuchung von geordneten Mengen, die sich über drei Kapitel erstreckt. Lineare Ordnungen werden als Mengen von geordneten Paaren eingeführt, die (in heutiger Sprache) die Bedingungen der Linearität, Irreflexivität und Transitivität erfüllen. Die Definition ist so ein unmittelbarer Vorläufer der heutigen Definition einer Ordnung als Struktur 〈 M, < 〉. Hausdorff definiert nun die Ähnlichkeit (Ordnungsisomorphie) zweier linearer Ordnungen, und führt anschließend analog zu seinem Kardinalzahlbegriff den Begriff des Ordnungstypus ein als das allen ordnungsisomorphen Mengen Gemeinsame: Wieder denkt er sich jeder geordneten Menge ein „Zeichen“ α an die Seite gestellt derart, dass isomorphe Ordnungen das gleiche Zeichen erhalten. Anschließend werden Verknüpfungen von Ordnungen betrachtet, etwa die Summenbildung und Produkte mit endlich vielen Faktoren. Es folgt eine Diskussion von Strecken und Stücken einer geordneten Menge. Danach wendet sich Hausdorff der Feinstruktur einer linearen Ordnung zu, und bespricht Begriffe wie „dicht“, „Lücke“, „Stetigkeit“, „zerstreut“ usw. Weiter wird hier auch der heute zentrale Begriff der Konfinalität besprochen, der 1906 von Hausdorff und Hessenberg eingeführt wurde: Eine Teilmenge N einer linear geordneten Menge M heißt konfinal in M, falls für jedes x  ∈  M ein y  ∈  N existiert mit x ≤ y. Die Bezeichnung konfinal stammt von Hausdorff. Die Konfinalität von M ist dann die kleinste Kardinalität einer konfinalen Teilmenge von M. Sie gibt die minimale Anzahl der Schritte an, die benötigt werden, um in einer lineare Ordnung „von links nach rechts gehend“ bis an ihr Ende zu gelangen.

Im letzten Abschnitt des Kapitels wird gezeigt, dass es genau -viele Ordnungstypen von abzählbaren linearen Ordnungen gibt. Diesen Satz hatten Bernstein und Hausdorff aufbauend auf Anregungen von Cantor unabhängig voneinander bereits 1901 gefunden.

Hausdorff 1914  :  Grundzüge der Mengenlehre, Kapitel 5: Wohlgeordnete Mengen. Ordnungszahlen

Hausdorff definiert Wohlordnungen als lineare Ordnungen, deren „jedes von Null verschiedene Endstück ein erstes Element hat“. Die Ordnungszahlen sind dann die Ordnungstypen von Wohlordnungen. Es folgt ein Beweis des Vergleichbarkeitssatzes. Hausdorff führt hier die „durchweg festgehaltene“ Notation „W(α) = Menge der Ordinalzahlen < α“ ein, die bei der Neumann-Zermelo-Definition überflüssig wird, unter der W(α) = α gilt. Hausdorff gibt eine arithmetische Liste für die ersten Ordinalzahlen nach Cantorschem Vorbild. Es folgt ein Abschnitt über transfinite Induktion, in welchem auch Normalfunktionen, d. h. monotone und stetige Funktionen auf den Ordnungszahlen untersucht werden. Hausdorff definiert ihre Fixpunkte als „kritische Zahlen“. Die Untersuchung des Phänomens geht auf Cantor (1897), Hessenberg (1906) und Oswald Veblen (1908) zurück.

Weiter geht es mit Ordinalzahlarithmetik. Danach werden Alephs als die Mächtigkeiten unendlicher Wohlordnungen eingeführt, und die mit Ordnungszahlen indizierte Folge aller Alephs betrachtet. Hausdorff beweist hierauf den Hessenbergschen Multiplikationssatz von 1906 in einer Variante des Jourdainschen Beweises von 1908.

Hausdorff definiert weiter reguläre Ordnungszahlen: α ist regulär, falls die Konfinalität von α gleich α ist; die Konfinalität ist hierbei die kleinste Mächtigkeit einer in W(α) konfinalen Teilmenge (vgl. Kapitel 4 oben). Hausdorff zeigt, dass alle Alephs der Form α + 1 regulär sind. Er stellt wie schon 1908 die Frage nach der Existenz regulärer Alephs mit Limesindex, und schreibt:

„Wenn es also reguläre [ Alephs ] mit Limesindex gibt (und es ist bisher nicht gelungen, in dieser Annahme einen Widerspruch zu entdecken), so ist die kleinste von ihnen von einer so exorbitanten Größe, dass sie für die üblichen Zwecke der Mengenlehre kaum jemals in Betracht kommen wird.“

Die Rede ist von schwach unerreichbaren Kardinalzahlen, die heute die kleinsten großen Kardinalzahlen sind − „groß“ ist immer relativ −, und die, wie ihre viel größeren Verwandten, für die Zwecke der Mengenlehre von zentraler Bedeutung sind. Ihre Existenz ist in ZFC nicht beweisbar, sie sind aller Wahrscheinlichkeit nach widerspruchsfrei, und führen mittlerweile eine zumindest platonisch gutgesicherte Existenz. Der Name „unerreichbar“ geht auf Kuratowski zurück, und zeigt wie der Ausdruck „exorbitant“, wie viel Respekt man dem David unter den großen Kardinalzahlen damals entgegenbrachte.

Am Ende des sehr reichhaltigen Kapitels wird als Dessert dann auch noch der Wohlordnungssatz von Zermelo bewiesen.

Hausdorff 1914  :  Grundzüge der Mengenlehre, Kapitel 6: Beziehungen zwischen geordneten und wohlgeordneten Mengen.

Das siebzig Seiten starke Kapitel beginnt mit einem Ordnungsbegriff, der heute in der Mathematik überall zu finden ist: Hausdorff definiert teilweise geordnete Mengen (partielle Ordnungen). Hausdorff beweist in diesem Kapitel das heute nach ihm benannte Maximalitätsprinzip, aus dem sich z. B. das „Zornsche Lemma“ unmittelbar gewinnen lässt.

Hausdorff definiert das Produkt A = 𝔓i  ∈  J Ai = { f | f : J  ⋃i  ∈  J Ai, f (i)  ∈  Ai für i  ∈  J } von linearen Ordnungen über einer linear geordneten Indexmenge J. Die Elemente dieses Produkts können durch Vergleich an der Stelle ihres kleinsten Unterschiedes geordnet werden, falls eine solche kleinste Stelle existiert. Es entsteht so eine partielle Ordnung (lexikographische Ordnung von A). Ist J wohlgeordnet, so ist die Ordnung auf dem Produkt linear. Im Allgemeinen Fall linearer Indexmengen J kann Hausdorff eine maximale lineare Teilmenge der partiellen Ordnung auf dem Produkt definieren (ohne Rückgriff auf sein Maximalitätsprinzip).

Weiter untersucht Hausdorff Verallgemeinerungen des Ordnungstyps η = η0 der rationalen Zahlen. Für Leser mit speziellem Interesse hierzu zwei Begriffe. Zunächst definiert Hausdorff ηα (für ein α ≥ 0) als den Typus der lexiokographischen Ordnung auf

Mα = { f | f : W(ωα { 0, 1, 2 }, f ist schließlich konstant gleich 1 }.

Weiter definiert Hausdorff: Eine lineare Ordnung heißt ηα-Menge, falls zwischen einer monoton aufsteigenden Folge der Länge < α und einer darüberliegenden monoton absteigenden Folge der Länge < α immer noch Punkte der Ordnung liegen. Solche Folgen laufen also niemals auf eine Lücke der Ordnung zu. Offenbar sind die rationalen Zahlen η0-Mengen, und ihr Typ ist η0. Hausdorff zeigt insbesondere, dass für jedes α gilt:

(1)

Jede Menge vom Typ ηα + 1 ist eine ηα + 1-Menge der Größe 2α.

(2)

Je zwei ηα-Mengen der Mächtigkeit α sind ordnungsisomorph.

(3)

Jede Ordnung der Größe α lässt sich in jede ηα-Menge ordnungstreu einbetten.

Die ηα-Mengen haben also eine bemerkenswerte Universalitätseigenschaft. Der Leser vergleiche die Aussagen mit der Charakterisierung des Ordnungstyps η = η0 durch Cantor. Für die Existenz von ηα + 1-Mengen der Mächtigkeit α + 1 ist 2α = α + 1 notwendig und hinreichend. Gilt (GCH), so bergen die sehr einfach definierten lexikographischen Ordnungen Mα + 1 der Größe α + 1 alle linearen Ordnungen der Größe α + 1 in sich, ganz so, wie sich in die rationalen Zahlen alle abzählbaren Ordnungen hineinkopieren lassen.

Das Kapitel widmet sich dann noch „rationalen Ordnungszahlen“. Danach werden Alternativen zur lexikographischen Ordnung auf dem Produkt von linearen Ordnungen diskutiert, und der Spezialfall eines Produktes betrachtet, dessen Faktoren alle die linearen Ordnungen der reellen Zahlen sind.

Hausdorff 1914  :  Grundzüge der Mengenlehre, Kapitel 7: Punktmengen in allgemeinen Räumen.

Der zweite Teil des Buches beginnt mit diesem Kapitel, und das Kapitel selbst mit den Worten:

 „In der Anwendung auf die Punktmengen des Raumes, in der Klärung und Verschärfung der geometrischen Grundbegriffe hat die Mengenlehre ihre schönsten Triumphe gefeiert, die selbst von denjenigen zugestanden werden, die sich der abstrakten Mengenlehre gegenüber skeptisch verhalten.“

Hausdorff motiviert mit diesem Loblied zu Beginn eines Themenwechsels sowohl die von der abstrakten Ordnungstheorie erschöpften Leser, als auch diejenigen, die gerne mehr von der abstrakten Mengenlehre gehört hätten. Und in der Tat beginnt nun etwas ganz anderes, auch wenn Hausdorff sich Mühe gibt, den Übergang etwas weicher zu machen. Nach wenigen Absätzen, die den Wunsch nach möglichst allgemeinen Definitionen der Raumbegriffe begründen, definiert Hausdorff „metrische Räume“ über „Entfernungsaxiome“ und danach „topologische Räume“ über „Umgebungsaxiome“. Mit der Wortwahl „topologisch“ will Hausdorff „andeuten, dass es sich um Dinge handelt, die ohne Maß und Zahl ausdrückbar sind“. Während den metrischen Räumen eine reellwertige Abstandsfunktion zwischen den Punkten zugrunde liegt, sind es bei topologischen Räumen nur die Beziehungen, die abstrakte „Umgebungen“ eines Punktes untereinander erfüllen. Hausdorffs Definition eines metrischen Raumes ist die heute übliche, seine Definition eines topologischen Raumes hat sich später im Wesentlichen durch eine Bearbeitung durch Heinrich Tietze (31. 8. 1880 − 17. 2. 1964) 1923 zur heutigen Definition vollendet. Bemerkenswert ist, dass Hausdorff, der in seinem Buch wie anderswo die Zermelo-Axiomatik für die Mengenlehre nicht diskutiert, seine Raumlehre in eine axiomatische Form gießt. Die intendierte Vielzahl von Modellen für metrische und topologische Räume im Gegensatz zur eindeutig empfundenen Welt der Mengen mag hierfür der Grund sein.

Im Folgenden diskutiert Hausdorff innere Punkte, Randpunkte, „Gebiete“ (heute: offene Mengen; Hausdorffs topologische Räume sind über Umgebungsbasen definiert, noch nicht über offene Mengen), Berührpunkte, Häufungspunkte, Verdichtungspunkte, die Cantorschen Begriffe „abgeschlossen, insichdicht und perfekt“, kompakte Mengen nach Fréchet (Mengen, bei denen jede unendliche Teilmenge einen Häufungspunkt hat, „abgeschlossen“ ist hier noch nicht dabei) und beweist zugehörige elementare Sachverhalte, insbesondere die Überdeckungseigenschaft (Satz von Borel), die heute zur Definition von „kompakt“ verwendet wird. Ausführlich werden Begriffe der Relativtopologie besprochen, etwa „A ist abgeschlossen in M“. Von großer Wirkung ist Hausdorffs Definition des Zusammenhangs: „Eine von Null verschiedene Menge A heißt zusammenhängend, wenn sie sich nicht in zwei fremde, von Null verschiedene, in A abgeschlossene Teilmengen spalten lässt.“ Nach einer Behandlung des Begriffs „dicht“ und der in 2. 12 wiedergegebenen Konstruktion perfekter nirgendsdichter Mengen gibt Hausdorff dann zum Abschluss des Kapitels einige Anwendungen der Begriffe für die reellen Zahlen.

Hausdorff 1914  :  Grundzüge der Mengenlehre, Kapitel 8: Punktmengen in speziellen Räumen.

Die Themen in diesem fast 100 Seiten starken Kapitel sind:

(1)

Erstes und zweites Abzählbarkeitsaxiom (in heutiger Sprache: jeder Punkt hat eine abzählbare offene Umgebungsbasis bzw. der Raum selbst hat eine abzählbare offene Umgebungsbasis). Hausdorff bewegt sich schrittweise von allgemeinen topologischen Räumen startend zu spezielleren Räumen, bis hin zu den metrischen Räumen.

(2)

Cantors Punktmengenanalyse. Hausdorff startet mit dem Satz, dass ⊆-auf- oder ⊆-absteigende Folgen von offenen oder abgeschlossenen Mengen in Räumen, die das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllen, höchstens abzählbar sind, und diskutiert den Cantorschen Ableitungsprozess. Es folgt ein wichtiger weiterer Schritt in der deskriptiven Mengenlehre: Hausdorff führt den Begriff des Residuums φ(M) einer Menge M ein, φ(M) = ψ(ψ(M)), mit ψ(M) = M′ − M. Er nennt φ(M) eine „viel energischere“ Reduktion von M als die Bildung von M ∩ M′. M ist reduzibel, falls die iterierte Anwendung der φ-Operation zur leeren Menge führt. Hausdorff charakterisiert die reduziblen Mengen als gewisse Vereinigungen von Differenzen abgeschlossener Mengen und weiter als diejenigen Mengen, die sowohl σ (d. h. eine abzählbare Vereinigung von abgeschlossenen Mengen) als auch 𝒢δ (d. h. ein abzählbarer Schnitt von offenen Mengen) sind. Vieles ist beim Schreiben des Buches brandneu, und einige Resultate finden sich nur in den Anhängen des Buches.

(3)

Beispiele für topologische Räume, die den euklidischen Räumen „bisweilen recht verschieden“ sind, etwa unendlich dimensionale Räume und Funktionenräume.

(4)

Eingehende Untersuchung metrischer Räume. Insbesondere werden Borelmengen für metrische Räume diskutiert, die durch Abschluss der abgeschlossenen Mengen F und der offenen Mengen G unter den Operationen δ (𝒜δ = Menge aller abzählbaren Schnitte von Mengen aus 𝒜) und σ (𝒜σ = Menge aller abzählbaren Vereinigungen von Mengen aus 𝒜) entstehen. Dies liefert eine Hierarchie der Länge ω1, deren erste Stufen , 𝒢, σ, 𝒢δ, σ δ, 𝒢δ σ, … sind. Die Borel-Hierarchie wird fortan zur unverzichtbaren Leiter zu den Ausblickspunkten der deskriptiven Mengenlehre.

(5)

Kompakte Mengen in metrischen Räumen, totale Beschränktheit, Bedingungen für Kompaktheit.

(6)

Vollständige Räume. Hausdorff beweist den Satz von Young (1903): In einem vollständigen metrischen Raum ist jede 𝒢δ-Menge, d. h. jeder abzählbare Schnitt von offenen Mengen, abzählbar oder von der Mächtigkeit von . Im Anhang beweist Hausdorff die Kontinuumshypothese sogar für alle 𝒢δ σ δ-Mengen in vollständigen metrischen Räumen, die eine abzählbare dichte Teilmenge besitzen (heute: polnische Räume). Dieses Resultat ist eine wichtige Vorstufe zum Beweis der Kontinuumshypothese für alle Borelmengen in polnischen Räumen (Hausdorff und unabhängig Alexandrov 1916).

(7)

Euklidische Räume n mit der üblichen Metrik, Polygone und Wege in der Ebene 2.

Hausdorff 1914  :  Grundzüge der Mengenlehre, Kapitel 9: Abbildungen oder Funktionen.

Nach verschiedenen Charakterisierungen von „f ist stetig im Punkt a“ mit Hilfe des Umgebungsbegriffs beweist Hausdorff zentrale Sätze über stetige Funktionen, etwa dass der Zusammenhang unter dem Bild einer stetigen Funktion erhalten bleibt. Anschließend werden (Jordan-) Kurven und der Dimensionsbegriff besprochen, wobei auch die Hilbertsche Surjektion (vgl. Anhang 1. 9.) diskutiert wird. Schließlich werden noch Folgen von stetigen Funktionen betrachtet, nebst den Bedingungen, die einen stetigen Limes garantieren.

Hausdorff 1914  :  Grundzüge der Mengenlehre, Kapitel 10: Inhalte von Punktmengen.

Hausdorffs Behandlung dieses weiten Feldes hier ebenfalls nur in Schlagworten: Inhaltsbegriff, Peano-Jordan-Inhalt, Lebesgue-Maß, Lebesgue-Integral. Von besonderer Bedeutung ist Hausdorffs paradoxe Zerlegung der Kugeloberfläche, die sich in einem Nachtrag zu Kapitel 10 ganz am Ende der Grundzüge findet: Hausdorff zerlegt die Oberfläche K der dreidimensionalen Einheitskugel U in vier paarweise disjunkte Mengen A, B, C und Q derart, dass Q abzählbar ist, und die drei Mengen A, B, C sowohl untereinander kongruent sind (d. h. in diesem Fall: durch Drehungen zur Deckung gebracht werden können), als auch kongruent zu B ∪ C. Banach und Tarski haben in [Banach / Tarski 1924] ähnlich „paradoxe“ („wilde“) Zerlegungen für die Kugel selbst konstruiert. (Der Leser sei dahingehend beruhigt, dass sich die Zerlegungen von Hausdorff, Banach und Tarski weder mit der Laubsäge noch mit modernster Computertechnik simulieren lassen.)

Hausdorffs Zerlegung zeigt, dass es keinen kongruenzrespektierenden Inhalt auf K gibt (zur Definition eines Inhalts siehe 2. 9). Ein Inhalt I auf der Kugeloberfläche K respektiert Kongruenz, falls gilt:

(+) I(A) = I(B) für kongruente A, B ⊆ K.

Dass es nun einen Inhalt I mit (+) auf (K) wegen der Hausdorff-Zerlegung nicht geben kann, sieht man so. Zunächst müßte I(Q) = 0 gelten: Annahme, I(Q) = δ > 0. Sei dann n  ∈   derart, dass n · δ > 1 gilt. Da Q abzählbar ist, findet man leicht Drehungen π1, …, πn der Kugel, die die Menge Q in paarweise disjunkte Mengen Q1, …, Qn überführen. Dann ist aber I(Q1 ∪ … ∪ Qn) = n · I(Q) > 1, Widerspruch. Also haben wir I(Q) = 0 und damit also I(A ∪ B ∪ C) = 1. Aber I(A) = I(B) = I(C) = 1/3, I(A) = I(B ∪ C) = I(B) + I(C) = 2/3 nach Konstruktion von A, B, C, Widerspruch.

Hausdorff 1916  :  Die Mächtigkeit der Borelschen Mengen

Hausdorff zeigt, dass jede überabzählbare Borelmenge in  eine nichtleere perfekte Teilmenge besitzt. Damit ist jede Borelmenge abzählbar oder von der Mächtigkeit des Kontinuums. Unabhängig von Hausdorff hat diesen Satz im gleichen Jahr auch Alexandrov bewiesen.

Hausdorff 1927  :  Mengenlehre (zweite Auflage der „Grundzüge“)

„Mengenlehre“ ist eine sowohl gekürzte als auch erweiterte Auflage des Originals. Im Vorwort notiert Hausdorff hierzu, „dass der äußere Rahmen, in dem das Buch jetzt erscheint, eine starke Einschränkung des Umfangs gegenüber der ersten Auflage“ erforderte. Die Behandlung der Maß- und Integrationstheorie fällt weg, und statt dem „topologischen Standpunkt, durch den sich die erste Auflage anscheinend viele Freunde erworben“ hatte, werden nun fast ausschließlich nur noch metrische Räume betrachtet. Weiter wurde der Ordnungstheorie eine Diät auferlegt, dafür bringt das Buch aber neue Pralinen aus deskriptiver Sicht. Hausdorff diskutiert viel ausführlicher als in den „Grundzügen“ die Borel-Hierarchie, und kommt dann zu den Suslinschen Mengen, die heute analytische Mengen heißen, und bequem als die Bilder von Borelmengen unter stetigen Funktionen eingeführt werden können. Äquivalent ist die Definition über die sog. 𝒜-Operation, die (wahrscheinlich) auf Suslin und Alexandrov zurückgeht  (zur Definition von 𝒜 siehe 2.12). Die 𝒜-Operation, angewendet auf abgeschlossene Mengen, erzeugt genau die analytischen Mengen. Bemerkenswert ist, dass man in einem Schritt nur aus den abgeschlossenen Mengen sogar mehr als die Borelmengen erhält. Es gibt analytische Mengen, die nicht Borelsch sind, und die Borelmengen sind genau die analytischen Mengen A, deren Komplement  − A ebenfalls analytisch ist (Satz von Suslin 1917). Weiter kann man die Kontinuumshypothese (und stärker die Scheeffer-Eigenschaft) für die analytischen Mengen zeigen (Lusin, Suslin 1917).

All diese Dinge über „einfache, definierbare Teilmengen von “, und mehr, finden sich im Buch von Hausdorff, und einige Paragraphen zusammengenommen bilden für sich ein kleines Lehrbuch der elementaren deskriptiven Mengenlehre.

Zermelo 1901  :  Über die Addition transfiniter Kardinalzahlen

In seiner ersten mengentheoretischen Arbeit beweist Zermelo: Sind 𝔞 und 𝔟n, n  ∈  , Kardinalzahlen, und gilt 𝔞 + 𝔟n = 𝔞 für alle n  ∈  , so gilt 𝔞 + n  ∈   𝔟n = 𝔞. Insbesondere folgt aus 𝔞 + 𝔟 = 𝔞 für Kardinalzahlen 𝔞 und 𝔟, dass 𝔞 = 𝔞 + ω · 𝔟 gilt (Fall 𝔟 = 𝔟n für alle n). 1901 standen weder der Wohlordnungssatz noch der Multiplikationssatz zur Verfügung. Kardinalzahlen werden hier im Sinne von Cantors Definition einer Kardinalzahl durch Abstraktion angesehen. Der wesentliche Trick der Argumentation ist die Verwendung der trivialen Gleichung 2 · ω = ω, und besteht in der folgenden Rechnung, die den „insbesondere“-Teil liefert: Sei 𝔞 = 𝔞 + 𝔟. Dann gilt 𝔞 = 𝔞 + 𝔟 + 𝔟 = 𝔞 + 𝔟 + 𝔟 + 𝔟, usw. Das „usw.“ liefert ein 𝔠 ≥ 0 mit 𝔞 = ω 𝔟 + 𝔠 (!). Dann gilt aber 𝔞 = 2 ω 𝔟 + 𝔠 = ω 𝔟 + 𝔠 + ω 𝔟 = 𝔞 + ω 𝔟.

Zermelo hält fest, dass sich sein Beweis als eine Verallgemeinerung von Bernsteins Beweis des Satzes von Cantor-Bernstein auffassen lässt: Die ω-vielen 𝔟’s in 𝔞 = 𝔟 + 𝔟 + … + 𝔠 entsprechen den „Orbitmengen“ C0, C1, … im Beweis von Cantor-Bernstein (mit |C0| = 𝔟).

Zermelo 1904  :  Beweis, dass jede Menge wohlgeordnet werden kann

Untertitel: „Aus einem an Herrn Hilbert gerichteten Briefe.“ (Für Auszüge dieser Arbeit siehe 2. 5.)

In den drei Seiten dieser Arbeit zeigt Zermelo seinen Wohlordnungssatz: „Jede Menge lässt sich wohlordnen.“ Die Arbeit setzt eine kontroverse Diskussion über das im Beweis verwendete (und deutlich als unbeweisbares Prinzip isolierte) Auswahlaxiom in Gang. Die insbesondere von Hilbert in seiner Problemsammlung 1900 geäußerte Hoffnung, mit Hilfe einer Wohlordnung der reellen Zahlen das Kontinuumsproblem lösen zu können, erfüllt sich nicht: Zermelos Beweis gibt keine Auskunft über die Länge einer solchen Wohlordnung, anhand derer man die Mächtigkeit der reellen Zahlen ablesen könnte. Als Konsequenzen des Wohlordnungssatzes hebt Zermelo den Vergleichbarkeitssatz und den Multiplikationssatz hervor.

Zermelo 1908  :  Neuer Beweis für die Möglichkeit einer Wohlordnung

Der erste Teil der Arbeit (§ 1) bringt einen gegenüber dem Beweis von 1904 anders organisierten Beweis des Wohlordnungssatzes; Zermelo vermeidet hier jeden Bezug auf die Ordnungstheorie, insbesondere wird der Fundamentalsatz für Wohlordnungen nicht mehr benutzt. Wieder wird die Verwendung des Auswahlaxioms klar dargestellt.

Der Hauptteil der Arbeit (§ 2) setzt sich dann (polemisch, aber inhaltlich korrekt) mit den vielen Kritiken an seinem Wohlordnungssatz auseinander. Zusammenfassend betont Zermelo, dass seit dem Jahre 1904 „trotz eingehender Prüfung“ keine mathematischen Fehler in seinem Argument gefunden wurden.

Zermelo 1908  :  Untersuchungen über die Grundlagen der Mengenlehre. I

Diese Arbeit enthält die mengentheoretische Axiomatik von Zermelo. Ziel ist, „dass man die Prinzipien [der Mengenbildung] einmal eng genug einschränkt, um alle Widersprüche auszuschließen, gleichzeitig aber auch weit genug ausdehnt, um alles Wertvolle beizubehalten.“ Zermelo spricht von einem „Bereich“ von Objekten [mengentheoretisches Universum]. Die Objekte, die er auch „Dinge“ nennt, zerfallen in Mengen und Urelemente. Zwischen den Dingen gibt es als Grundrelation die Elementbeziehung. In dem Bereich aller Objekte gelten dann die sieben Zermeloschen Axiome: Axiom der Bestimmtheit [Extensionalitätsaxiom], der Elementarmengen, der Aussonderung, der Potenzmenge, der Vereinigung, der Auswahl, des Unendlichen. Die Russell-Zermelo-Antinomie fällt weg, denn aus den Axiomen folgt: „Jede Menge M besitzt mindestens eine Untermenge [Teilmenge] M0, die nicht Element von M ist.“ Hieraus folgt, „dass nicht alle Dinge x des Bereiches 𝔅 Elemente ein und derselben Menge sein können; d. h. der Bereich 𝔅 ist selbst keine Menge.“

Der zweite Teil der Arbeit behandelt den Mächtigkeitsbegriff. Die Gleichmächtigkeit zweier Mengen M, N definiert Zermelo − mangels des Begriffs eines geordneten Paares − zunächst nur zwischen disjunkten Mengen. Sind M, N disjunkt, so ist eine Abbildung [Bijektion] von M nach N definiert als eine Menge Φ bestehend aus ungeordneten Paaren { m, n } mit m  ∈  M, n  ∈  N, derart, dass jedes Element von M ∪ N in genau einem { m, n }  ∈  Φ vorkommt. Disjunkte M und N heißen gleichmächtig, falls eine Bijektion von M nach N existiert. Später wird dann auch die Gleichmächtigkeit beliebiger Mengen M, N definiert: M und N heißen gleichmächtig, falls eine zu M und N disjunkte Menge R existiert, die sowohl gleichmächtig zu M als auch zu N ist.

Es folgen die Hauptsätze der Theorie der Mächtigkeiten; insbesondere zeigt Zermelo den Äquivalenzsatz [Satz von Cantor-Bernstein] ohne Verwendung der natürlichen Zahlen − mit Referenz an die Dedekindsche Kettentheorie. Weiter wird der Satz von Cantor und der Satz von König-Zermelo aus der Kardinalzahlarithmetik bewiesen.

Zermelo 1930  :  Über Grenzzahlen und Mengenbereiche: Neue Untersuchungen über die Grundlagen der Mengenlehre

Zermelo stellt seine abschließende Axiomatik vor und untersucht Modelle für dieses Axiomensystem. Er nimmt eine nichtformalistische Haltung ein (und entwickelt sein System weiterhin fern der Prädikatenlogik erster Stufe).

Seine Axiomatik umfasst nun das Fraenkelsche Ersetzungsaxiom und das Fundierungsaxiom. Andererseits betrachtet er das Auswahlaxiom hier nicht als Axiom, sondern als „allgemeines logisches Prinzip“. Ebenso fehlt das Unendlichkeitsaxiom „als nicht zur allgemeinen Mengenlehre gehörig“. Modelle, in denen das Unendlichkeitsaxiom falsch ist, betrachtet er aber „nicht als wahre ‚Modelle‘ der Cantorschen Mengenlehre“. Er bemerkt: „Aus ihnen heraus führt erst mein früheres Axiom des Unendlichen.“

Das Fundierungsaxiom hat Zermelo unabhängig von Fraenkel und von Neumann formuliert. Die Arbeit enthält bereits die Idee zum Beweis der Widerspruchsfreiheit dieses Axioms relativ zu den übrigen Axiomen durch Rückzug auf den fundierten Teil des Universums.

Zermelo untersucht „‚Bereiche‘, bestehend aus Mengen und Urelementen,“ in denen diese Axiome gelten, sogenannte „Normalbereiche“. Zermelo zeigt, dass Normalbereiche durch zwei Zahlen bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt sind: Die Mächtigkeit der Urelemente und ihre Höhe, d. h. den Typus ihrer Ordinalzahlen.

Wesentliches Hilfsmittel der Untersuchung ist die „Schichtung“ eines Normalbereichs. Zermelo rückt hier zum ersten Mal die kumulative Hierarchie in den Mittelpunkt, die zuvor schon von Mirimanov (1917) und von Neumann (1925) angedeutet wurde. In heutiger Sprache kann man sein Vorgehen und seine Resultate so beschreiben: Zermelo bildet

V0 = „alle Urelemente“,

Vα + 1 = (Vα) ∪ V0 für alle Ordinalzahlen α,

Vλ = ⋃α < λ Vα für alle Limesordinalzahlen λ.

Er zeigt dann, dass Vα genau dann ein Normalbereich ist, wenn α eine stark unerreichbare Kardinalzahl („Grenzzahl“ ) ist, wobei „Normalbereich“, d. h. Modell für die Axiome, zweitstufig interpretiert wird (und werden muss für die Beweisrichtung „Vα ist Normalbereich“ folgt „α stark unerreichbar“ ).

Zermelo betont, dass er die Existenz von Normalbereichen nicht aus den Axiomen ableiten kann, entwickelt aber ein Bild der Mengenwelt, in der ein Normalbereich auf den anderen folgt und diesen fortsetzt, sodass die echten Klassen des einen Bereiches zu Mengen in den darauffolgenden Bereichen werden. Insbesondere kann dann jeder Normalbereich auch als Menge aufgefasst werden. Die Folge der derart aufeinander aufbauenden Normalbereiche betrachtet Zermelo analog zu den Ordinalzahlen als unbegrenzt. Konsequent formuliert er „die Existenz einer unbegrenzten Folge von Grenzzahlen [stark unerreichbaren Kardinalzahlen]“ als „neues Axiom für die ‚Meta-Mengenlehre‘“.