5.Unendliche Kombinatorik

Die Themen der unendlichen Kombinatorik sind vielgestaltig, und das Gebiet selbst ist nicht einfach zu umschreiben. Ein Hauptthema ist sicherlich das unendliche Zählen: Wieviele Objekte eines bestimmten Typs gibt es? Damit wäre auch die Kontinuumshypothese und allgemeiner die Kardinalzahlarithmetik der unendlichen Kombinatorik zuzuordnen. Traditionell wird aber dieses Gebiet für sich betrachtet, während folgende Version der Frage der Kombinatorik zugeordnet wird: Wieviele Objekte gibt es, wenn eine Identifikation von Objekten unter einer bestimmten Äquivalenzrelation vorgenommen wird? Und weiter: Welche Struktureigenschaften besitzt die − zumeist partiell geordnete − Menge der Äquivalenzklassen?

 Die beiden wichtigsten Äquivalenzen, die wir hier untersuchen, sind die Faktorisierungen von Mengen und Funktionen nach einem der beiden prominenten Kleinheitsbegriffe der Mengenlehre. Zum einen betrachten wir hier für Kardinalzahlen κ ≥ ω das Ideal der Mengen der Mächtigkeit kleiner κ, und zum anderen für reguläre Kardinalzahlen κ ≥ ω1 das umfassendere und subtilere Ideal der nichtstationären oder dünnen Mengen. Unser Hauptaugenmerk liegt auf der stationären Kombinatorik der ersten überabzählbaren Kardinalzahl. Wir diskutieren hier eine Reihe von natürlichen und einfach zu formulierenden Prinzipien, die allesamt in ZFC weder beweisbar und modulo der Konsistenz großer Kardinalzahlen auch nicht widerlegbar sind.

 Ein anderer intensiv erforschter Gegenstand der unendlichen Kombinatorik sind die Bäume, die wir als eine Verallgemeinerung der Wohlordnungen ansehen können: Wir verzichten auf die Eindeutigkeit von Nachfolgern und von Suprema, sodass sich die Strukturen also an jeder Stelle beliebig verzweigen können, während die Wohlfundiertheit erhalten bleibt. Auch hier spielt die Kardinalzahl ω1 eine Hauptrolle. Insbesondere übersetzen wir die Suslin-Hypothese in eine gleichwertige Hypothese über die Existenz gewisser Bäume der Höhe ω1, der so genannten Suslin-Bäume. In dieser Form werden wir später die Unabhängigkeit der Suslin-Hypothese nachweisen. Bereits hier führen wir aber ein starkes kombinatorisches Prinzip ein, das uns die Konstruktion von Suslin-Bäumen erlaubt. Im zweiten Abschnitt werden wir zeigen, dass dieses Prinzip in Gödels Modell L richtig ist.

 Schließlich betrachten wir Partitionen und homogene Teilmengen. Das übergeordnete Thema ist hier die Existenz von großen einfach strukturierten Teilen von großen komplizierten Systemen.

 Im Verlauf der Untersuchung werden wir auch zwei neue große Kardinalzahlprinzipien kennen lernen, nämlich die schwach kompakten und die Ramsey-Kardinalzahlen. Die schwach kompakten Kardinalzahlen erlauben dabei sowohl eine Formulierung über Eigenschaften von Bäumen als auch eine Formulierung über Partitionen.

 Insgesamt versteht sich dieses Kapitel als eine kompakte Einführung in ein großes Teilgebiet der Mengenlehre. Viele Dinge können wir nur kurz ansprechen oder referieren, ohne sie dann weiter zu verfolgen. Der Leser sei hierzu auf die Literatur verwiesen. Im zweiten Abschnitt werden wir vor allem die Theorie der Bäume wieder aufgreifen, und der Leser, der primär an einem Beweis der Unabhängigkeit der Suslin-Hypothese interessiert ist, kann sich auf den Zwischenabschnitt über Bäume beschränken. Daneben setzen wir im Folgenden nur ein Grundverständnis der stationären Mengen voraus.

Fast disjunkte Mengen und Funktionen

 Für jede Kardinalzahl κ gibt es 2κ-viele Teilmengen von κ. Andererseits kann es offenbar nur κ-viele paarweise disjunkte nichtleere Teilmengen von κ geben. Ist κ eine unendliche Kardinalzahl, so gibt es wegen |κ × κ| = κ sogar κ-viele paarweise disjunkte Teilmengen von κ der Größe κ. Denn ist b : κ × κ  κ bijektiv, so setzen wir

A  =  { b″(κ × { α }) | α < κ }.

Dann gilt |x| = κ für alle x  ∈  A und x ∩ y = ∅ für alle x, y  ∈  A mit x ≠ y.

 Fragen, wie groß eine Familie von paarweise „fast disjunkten“ Teilmengen von κ sein kann, sind wesentlich schwieriger zu beantworten. Allgemein liefert jedes Ideal I auf κ eine Abschwächung des Begriffs der Disjunktheit: Zwei Teilmengen x und y von κ sind fast disjunkt im Sinne des Ideals I, falls x ∩ y  ∈  I. Die Ideale mit der geringsten Unschärfe sind die Mächtigkeitsideale

I< κ  =  { x ⊆ κ | |x| < κ },

und wir definieren entsprechend:

Definition (fast disjunkte Mengen)

Sei κ eine unendliche Kardinalzahl.

(i)

Zwei Mengen x, y ⊆ κ heißen fast disjunkt, falls |x ∩ y| < κ.

(ii)

Ein A ⊆ (κ) heißt fast disjunkt, falls für alle x, y  ∈  A gilt:

(α)

|x| = κ.

(β)

Ist x ≠ y, so sind x, y fast disjunkt.

(iii)

Ein A ⊆ (κ) heißt maximal fast disjunkt, falls A fast disjunkt ist und kein fast disjunktes A′ ⊆ (κ) existiert mit A ⊂ A′.

 Am vertrautesten ist der Fall κ = ω. Hier sind x, y ⊆ ω fast disjunkt, falls x ∩ y endlich ist. Ein A ⊆ (ω) ist fast disjunkt, falls A aus unendlichen Mengen besteht, die paarweise einen endlichen Schnitt haben.

Übung

Ist A ⊆ (κ) fast disjunkt, so existiert ein maximal fast disjunktes A′ ⊆ (κ) mit A ⊆ A′.

 Ist A ⊆ (κ) fast disjunkt, so gilt trivialerweise |A| ≤ 2κ. Nach der einleitenden Bemerkung gibt es sogar ganz disjunkte A ⊆ (κ) mit |A| = κ. Die natürlichen Fragen sind nun:

Gibt es ein fast disjunktes A ⊆ (κ) mit |A| = κ+?

Gibt es sogar ein fast disjunktes A ⊆ (κ) mit |A| = 2κ?

Was kann man in ZFC über die Existenz fast disjunkter A ⊆ (κ) sagen?

 Bevor wir uns der weiteren Untersuchung dieser Fragen zuwenden, ist es nützlich, auch fast disjunkte Funktionen zu betrachten. Der Leser kann vorab versuchen, ein fast disjunktes A ⊆ (ω) der Größe ω1 zu konstruieren. Mit Hilfe von fast disjunkten Funktionen und einem kleinen Trick wird diese Aufgabe sehr einfach (vgl. das Korollar unten).

Definition (fast disjunkte Funktionen)

Sei κ eine unendliche Kardinalzahl. Seien f, g : κ  V Funktionen. Dann heißen f, g fast disjunkt, falls |{ α < κ | f (α) = g(α) }| < κ.

Ein A ⊆ κV heißt fast disjunkt, falls je zwei verschiedene f, g  ∈  A fast disjunkt sind.

 Durch ein (wie immer sehr ansprechendes) Diagonalargument können wir recht einfach beweisen:

Satz (Existenz von κ+-vielen fast disjunkten f : κ  κ)

Sei κ eine unendliche Kardinalzahl. Dann existiert eine fast disjunkte Menge A von Funktionen f : κ  κ mit |A| = κ+.

Beweis

Es genügt nach obiger Übung zu zeigen:

(+)  Ist A ⊆ κκ fast disjunkt und |A| ≤ κ, so ist A nicht maximal.

Sei also A ⊆ κκ fast disjunkt, und sei h : κ  A surjektiv. Wir definieren d : κ  κ durch:

d(α)  =  min(κ − { h(β)(α) | β < α })  für alle α < κ.

Dann gilt für alle β < κ, dass { α < κ | d(α) = h(β)(α) } ⊆ β + 1. Also ist A ∪ { d } fast disjunkt und d  ∉  A. Dies zeigt (+).

 Mit Hilfe dieses Satzes können wir unsere erste Frage positiv beantworten:

Korollar (Existenz von κ+-vielen fast disjunkten Teilmengen von κ der Größe κ)

Sei κ eine unendliche Kardinalzahl. Dann existiert eine fast disjunkte Menge A ⊆ κ mit |A| = κ+.

Beweis

Sei B ⊆ κκ eine Menge von fast disjunkten Funktionen mit |B| = κ+.

Sei b : κ × κ  κ bijektiv. Wir setzen:

A  =  { b″f  |  f  ∈  B }.

Dann ist A wie gewünscht.

 Einen direkteren Beweis des Korollars für reguläre κ liefert folgende Übung, die die Methode der disjunkten Ausdünnung verwendet.

Übung

Zeigen Sie ohne Verwendung von fast disjunkten Funktionen:

Sei κ eine reguläre unendliche Kardinalzahl, und sei A ⊆ (κ) fast disjunkt mit |A| = κ. Dann ist A nicht maximal.

[  Sei 〈 xα | α < κ 〉 eine Aufzählung von A ohne Wiederholungen. Für α < κ setzen wir:

yα  =  xα  −  ⋃β < α xβ.

Dann gilt yα ⊆ xα, |yα| = κ (da κ regulär) für alle α < κ, und { yα | α < κ } ist ganz disjunkt. Sei z = { min(yα) | α < κ }. Dann gilt |z| = κ, z  ∉  A und A ∪ { z } ist fast disjunkt. Also ist A nicht maximal. ]

 Nach dem Korollar (und auch nach der Übung) existieren ω1-viele fast disjunkte unendliche Teilmengen von ω. Unter einer bestimmten Voraussetzung existieren nun sogar größtmögliche fast disjunkte Familien, und wir können damit die zweite Frage für den Fall κ = ω bejahen:

Satz (Existenz von 2κ fast disjunkten Teilmengen für κ mit 2< κ = κ)

Sei κ eine unendliche Kardinalzahl, und es gelte 2< κ = κ. Dann existiert ein fast disjunktes A ⊆ (κ) mit |A| = 2κ.

Beweis

Sei b : < κ κ bijektiv. Wir setzen

A  =  { { b(f|α) | α < κ } | f : κ  2 }.

Dann gilt A ⊆ (κ), |x| = κ für alle x  ∈  A, und |A| = 2κ. Zudem ist A fast disjunkt, denn für { b(f|α) | α < κ } ≠ { b(g|α) | α < κ } ist f ≠ g und mit α0 = min({ α < κ | f (α) ≠ g(α) }) gilt

{ b(f|α) | α < κ }  ∩  { b(g|α) | α < κ }  =  { b(f|α) | α < α0 }.

Korollar

(i)

Es existieren 2ω-viele fast disjunkte Teilmengen von ω der Größe ω.

(ii)

Gilt (CH), so existieren 2ω1-viele fast disjunkte Teilmengen von ω1 der Größe ω1.

(iii)

Ist κ eine starke Limeskardinalzahl, so gibt es 2κ-viele fast disjunkte Teilmengen von κ der Größe κ.

 Für ω1 existiert ein fast disjunktes A ⊆ 1) der Größe ω2, aber wir können ohne eine zusätzliche Voraussetzung nicht mehr zeigen, dass eine fast disjunkte Menge A ⊆ 1) der Größe 2ω1 existiert. Die Existenz einer solchen Menge ist in ZFC weder beweisbar noch widerlegbar.

Kardinalzahlinvarianten

 Bevor wir uns den stationären Mengen auf überabzählbaren Kardinalzahlen zuwenden, betrachten wir noch die Struktur ωω unter der partiellen Ordnung der schließlichen Dominanz:

Definition (die partielle Ordnung ≼)

Wir setzen für f, g  ∈  ωω:

f  ≼  g,  falls  { n  ∈  ω | f (n) > g(n) } endlich ist.

 Wir definieren zwei „Kardinalzahlinvarianten“, die die Komplexität der partiellen Ordnung ≼ messen:

Definition (die Kardinalzahlen 𝔟 und 𝔡)

Ein X ⊆ ωω heißt

(i)

unbeschränkt, falls es kein g  ∈  ωω gibt mit f ≼ g für alle f  ∈  X,

(ii)

dominierend, falls es für alle f  ∈  ωω ein g  ∈  X gibt mit f ≼ g.

Wir setzen nun:

𝔟  =  min({ |X| | X ist unbeschränkt }),

𝔡  =  min({ |X| | X ist dominierend }).

 Es gilt ω1 ≤ 𝔟 ≤ 𝔡 ≤ 2ω. Die Kardinalzahlen 𝔟 und 𝔡 und allgemeiner kombinatorische Eigenschaften von ωω sind der kardinalen Untersuchung der Lebesgue-Meßbarkeit und der Baire-Meßbarkeit auf den reellen Zahlen von hohem Interesse. Wir geben einen knappen Einblick in dieses Themengebiet, und verweisen den Leser auf [ Bartoszyński 200? ] für eine umfassende Darstellung.

 Für jedes Ideal I auf einer Menge M können wir eine Reihe von Kardinalzahlen definieren, die bestimmte Struktureigenschaften des Ideals beschreiben:

Definition (Kardinalzahlinvarianten eines Ideals)

Sei I ein Ideal auf einer Menge M mit { x }  ∈  I für alle x  ∈  M. Wir setzen:

add(I) =  min({ |X| | X ⊆ I,  ⋃ X  ∉  I })
cov(I) =  min({ |X| | X ⊆ I,  ⋃ X = I })
cof (I) =  min({ |X| | X ⊆ I,  für alle A  ∈  I gibt es ein B  ∈  X mit A ⊆ B })
out(I) =  min({ |A| | A ⊆ M,  A  ∉  I })

 Hierbei steht add für additivity,  cov für covering,  cof für cofinality und out für outside.

 Ein klassisches Zentrum des Interesses bilden die Ideale der Lebesgue-Nullmengen und der mageren Teilmengen von  (oder gleichwertig des Cantorraumes ω2 oder des Baireraumes ωω). Wir setzen:

In  =  { X ⊆  | X hat Lebesgue-Maß Null }

Im  =  { X ⊆  | X ist mager }

und schreiben addn statt add(In), covm statt cov(Im), usw.

 Das folgende Ergebnis von Miller und Bartoszyński ist ein Beispiel dafür, wie sich die Kardinalzahlinvarianten von In und Im durch kombinatorische Aussagen über ωω formulieren lassen. Es gilt:

covm  =  min({ |X| |X ⊆ ωω, für alle g  ∈  ωω gibt es ein f  ∈  X mit
g(n) = f (n) für höchstens endlich viele n })
outm  =  min({ |X| | X ⊆ ωω, für alle g  ∈  ωω gibt es ein f  ∈  X mit
g(n) = f (n) für unendlich viele n })

 Die Kardinalzahlen 𝔟 und 𝔡 spielen eine wichtige Rolle bei der Untersuchung der Größenverhältnisse der Kardinalzahlinvarianten der Ideale In und Im.

 Das sog. Cichoń-Diagramm zeigt die in ZFC beweisbaren Größenverhältnisse der betrachteten Kardinalzahlen:

mengenlehre2-AbbID1

Cichoń-Diagramm der Kardinalzahlinvarianten

 Einige Ungleichungen und Zusammenhänge des Diagramms sind nichttrivial, etwa

(i)

addm  =  min(𝔟, covm),

(ii)

cofm  =  max(𝔡, outm), 

(iii)

addn  ≤  addm,

(iv)

cofm  ≤  cofn.

 Gilt (CH), so sind alle 10 Kardinalzahlen des Diagramms gleich ω1. Mit Hilfe der Erwingungsmethode lassen sich aber verschiedene Konstellationen in Modellen realisieren, und insbesondere lässt sich zeigen, dass in ZFC keine weiteren Ungleichungen bestehen.

Stationäre Mengen

 Wir stellen die wichtigsten Begriffe und Ergebnisse über stationäre Mengen zusammen.

Definition (abgeschlossen, unbeschränkt, club-Menge)

Sei λ eine Limesordinalzahl, und sei X ⊆ λ. X heißt:

(i)

abgeschlossen in λ, falls für alle Limiten δ < λ gilt:

sup(X ∩ δ) = δ  impliziert  δ  ∈  X.

(ii)

unbeschränkt in λ, falls sup(X) = λ,

(iii)

club in λ, falls X abgeschlossen und unbeschränkt in λ ist.

 Das Kunstwort club steht dabei für engl. closed unbounded.

 Für X ⊆ λ sei Lim(X) die Menge der (inneren) Limespunkte von X, also

Lim(X)  =  { δ < λ | δ Limes und δ = sup(X ∩ δ) }.

Ein unbeschränktes X ⊆ λ ist also genau dann club in λ, wenn Lim(X) ⊆ X. Für jedes unbeschränkte X ist X ∪ Lim(X) die kleinste X umfassende club-Menge in λ. Die Menge X ∪ Lim(X) heißt der Abschluss von X in λ.

 Sei nun λ ein Limes mit überabzählbarer Konfinalität. Ist dann X ⊆ λ unbeschränkt in λ, so ist Lim(X) club in λ. Insbesondere ist Lim(C) club in λ für alle club-Mengen C ⊆ λ.

 Ist λ ein Limes und ist f : γ  λ aufsteigend konfinal und stetig in λ, so ist rng(f) club in λ. Umgekehrt ist die monotone Aufzählung f einer club-Menge C ⊆ λ eine strikt aufsteigende konfinale und stetige Funktion in λ, und genauer ist f : o. t.(C)  C bijektiv.

 Folgendes „Einholphänomen“ taucht an vielen Stellen auf:

Satz (club-Mengen aus Funktionen)

Sei κ ≥ ω1 regulär, und sei f : κ  κ. Dann gilt:

(i)

{ α < κ | f ″α ⊆ α } ist club in κ.

(ii)

Ist f aufsteigend konfinal und stetig in κ, so ist { α < κ | f (α) = α } club in κ.

 Ist z. B. α0 < κ beliebig, so sei rekursiv αn + 1 = sup(f ″αn) für alle n  ∈  ω. Wir setzen dann α* = supn  ∈  ω αn. Dann gilt

f ″α*  =  ⋃n  ∈  ω f ″ αn  ⊆  ⋃n  ∈  ω αn + 1  =  α*.

Wir haben also f an der Stelle α* wieder eingeholt, so stark die Funktion auch ansteigen mag.

Definition (club-Filter, dünn, stationär)

Sei λ eine Limesordinalzahl mit cf (λ) ≥ ω1. Wir setzen:

𝒞λ  =  { X ⊆ λ | es gibt eine club-Menge C in λ mit C ⊆ X }.

Das System 𝒞λ heißt der club-Filter auf λ. Weiter heißt

λ  =  I(𝒞λ)  =  { λ − X | X  ∈  𝒞λ }

das Ideal der dünnen oder Teilmengen von λ. Ein S ⊆ λ heißt:

(i)

stationär in λ, falls S  ∉  λ

(ii)

stationär-kostationär in λ, falls S und λ − S stationär in λ sind

 „Stationär“ bedeutet einfach „nicht dünn“, sodass ein eigener Begriff vielleicht überflüssig erscheint. Der Begriff wird aber häufig verwendet, und statt „dünn“ findet man häufig auch „nichtstationär“. Aus der Definition folgt leicht, dass ein S ⊆ λ genau dann stationär ist, wenn S ∩ C ≠ ∅ für alle club-Mengen C ⊆ λ gilt.

 Über den club-Filter gilt:

Satz (Vollständigkeitseigenschaften des club-Filters)

Sei λ eine Limesordinalzahl mit cf (λ) ≥ ω1. Ist dann 〈 Cα | α < γ 〉 eine Folge von club-Mengen in λ mit γ < cf (λ), so ist ⋂α < γ Cα club in λ. Insbesondere ist 𝒞λ ein cf (λ)-vollständiger Filter auf λ.

 Für überabzählbare reguläre Kardinalzahlen gilt stärker:

Satz (Normalität des club-Filters)

Sei κ ≥ ω1 regulär. Ist dann 〈 Cα | α < κ 〉 eine Folge von club-Mengen in κ, so ist der diagonale Durchschnitt

α < κ Cα  =  ⋂α < κ Cα ∪ (α + 1)

club in κ. Folglich ist 𝒞κ ein normaler Filter auf κ.

 Äquivalent zur Normalität ist:

Satz (Satz von Fodor)

Sei κ ≥ ω1 regulär, und sei S ⊆ κ stationär. Weiter sei f : S  κ regressiv, d. h. es gilt f (α) < α für alle α ≠ 0. Dann ist f konstant auf einer stationären Menge, d. h. es gibt ein stationäres S′ ⊆ S und ein γ < κ mit f (α) = γ für alle α  ∈  S′.

 Dass der club-Filter 𝒞κ kein Ultrafilter ist, ist bereits für κ = ω1 eine nichttriviale Aussage. Hierzu sind Ulam-Matrizen nützlich:

Definition (Ulam-Matrix)

Sei μ ≥ ω eine Kardinalzahl, und sei κ = μ+. Eine Folge 〈 Xν, α | ν < μ, α < κ 〉 von Teilmengen von κ heißt eine Ulam-Matrix auf κ, falls gilt:

(i)ν < μ Xν, α  =  κ  −  α für alle α < κ,
(ii)Xν, α  ∩  Xν, β  =  ∅ für alle ν < μ und alle α < β < κ.

 Eine Ulam-Matrix auf κ = μ+ können wir einfach konstruieren. Für β < κ sei

gβ  =  „ein surjektives g : μ  β + 1“.

Für ν < μ und α < κ sei Xν, α = { β < κ | gβ(ν) = α }. Dann ist 〈 Xν, α | ν < μ, α < κ 〉 eine Ulam-Matrix.

 Aus der Existenz einer Ulam-Matrix auf κ = μ+ folgt, dass sich jedes stationäre S ⊆ κ in stationäre Mengen 〈 Sα | α < κ 〉 zerlegen lässt. Wir zeigen nun stärker, dass sich jede stationäre Teilmenge einer regulären überabzählbaren Kardinalzahl κ in κ-viele paarweise disjunkte stationäre Teilmengen zerlegen lässt. Für den Beweis brauchen wir ein für sich interessantes Ergebnis über nichtstationäre Reflexion:

Satz (Reflexionslemma)

Sei κ eine reguläre Kardinalzahl, und sei S ⊆ { μ < κ | μ ist regulär } stationär in κ. Dann ist die Menge S′ = { μ  ∈  S | S ∩ μ ist dünn in μ } stationär in κ.

Beweis

Sei C club in κ, und sei μ = min((S − { ω }) ∩ Lim(C)). Wegen μ  ∈  Lim(C) und cf (μ) = μ > ω ist C ∩ μ club in μ, und folglich ist auch Lim(C) ∩ μ club in μ. Nun ist (S ∩ μ) ∩ (Lim(C) ∩ μ) ⊆ { ω } dünn in μ. Also ist S ∩ μ dünn in μ und damit μ  ∈  S′. Zudem ist μ  ∈  Lim(C) ⊆ C. Also ist C ∩ S′ ≠ ∅.

 Damit können wir nun zeigen:

Satz (Satz von Solovay über stationäre Zerlegungen)

Sei κ ≥ ω1 regulär, und sei S ⊆ κ stationär. Dann existiert eine Zerlegung von S in stationäre Mengen 〈 Sα | α < κ 〉.

Beweis

(1)  Wir nehmen zunächst an, dass es ein μ < κ gibt mit S ⊆ { α < κ | cf (α) = μ }.

Sei gα : μ  α s. a. k. in α für alle α  ∈  S. Für alle ν  ∈  μ und β < κ sei

Sν, β  =  { α  ∈  S | gα(ν) ≥ β }.

Dann existiert ein ν  ∈  μ mit:

(+)  Sν, β ist stationär in κ für alle β < κ.

Beweis von (+)

Annahme nicht. Dann existiert für alle ν  ∈  μ eine club-Menge Cν ⊆ κ und ein βν mit Cν ∩ Sν, βν = ∅, d. h. es gilt gα(ν) < βν für alle α  ∈  S ∩ Cν.

Sei C = ⋂ν  ∈  μ Cν, und sei β = supν  ∈  μ βν. Dann ist C club in κ und es gilt gα(ν) < β für alle α  ∈  S ∩ C und alle ν  ∈  μ. Aber S ∩ C ist stationär in κ. Sei also α  ∈  S ∩ C mit α ≥ β. Dann gilt gα(ν) < β ≤ α für alle ν  ∈  μ, im Widerspruch zu gα : μ  α konfinal in α.

Sei also ν  ∈  μ wie in (+). Wir definieren f : S  κ durch

f (α)  =  gα(ν)  für alle α  ∈  S.

Dann ist f regressiv auf S, also auch regressiv auf Sν, β ⊆ S für alle β < κ.

Nach dem Satz von Fodor gibt es für alle β < κ ein γβ mit

Sβ  =  { α  ∈  Sν, β | f (α) = γβ } ist stationär in κ.

Dann ist aber γβ ≥ β nach Definition von Sν, β. Also ist { γβ | β < κ } unbeschränkt in κ. Wegen κ regulär existiert ein B ⊆ κ mit |B| = κ und γβ ≠ γβ′ für alle β, β′  ∈  B mit β ≠ β′. Dann ist aber 〈 Sβ | β  ∈  B 〉 eine Zerlegung von ⋃β  ∈  B Sβ ⊆ S in stationäre Mengen. Durch Hinzufügen von S − ⋃β  ∈  B Sβ zu S0 erhalten wir wegen |B| = κ eine Folge wie gewünscht.

(2)  Wir nehmen nun an, dass S ∩ { α < κ | α ist singulär } stationär in κ ist. Dann ist cf (α) < α auf einer stationären Teilmenge von S. Nach dem Satz von Fodor existiert also ein μ < κ und ein stationäres S′ ⊆ S derart, dass S′ ⊆ { α < κ | cf (α) = μ }. Dann folgt die Behauptung aber aus dem Fall (1).

(3)  Es bleibt der Fall: S ∩ { α < κ | cf (α) = α } ist stationär in κ. Nach dem Reflexionslemma ist dann S′ = { α  ∈  S | cf (α) = α, S ∩ α dünn in α } stationär in κ. Es genügt also, eine Zerlegung von S′ in κ-viele stationäre Teilmengen zu konstruieren. Für alle α  ∈  S′ sei gα : α  α s. a. k. und stetig in α mit rng(gα) ∩ S′ = ∅. (Solche gα existieren wegen S′ ∩ α dünn in α.) Wir setzen wieder Sν, β = { α  ∈  S′ | ν < α, gα(ν) ≥ β } für alle ν, β < κ. Dann existiert ein ν < κ mit Sν, β ist stationär in κ für alle β < κ. (Dies zeigt man ähnlich wie im Beweis von (+) unter Verwendung eines diagonalen Durchschnitts.) Der Rest des Arguments verläuft analog zum Fall (1).

Übung

Führen Sie die Details im Beweis von Fall (3) aus.

Stationäre Kombinatorik von ω1

 Bereits der club-Filter auf ω1 wirft viele natürliche kombinatorische Fragen auf, die sich in ZFC nicht beantworten lassen.

 Im Folgenden sei 𝒞 = 𝒞ω1 und  = ω1. Es ist oft hilfreich, modulo  zu denken und zu rechnen. Wir definieren also für X, Y ⊆ ω1:

X ∼ Y,  falls  X Δ Y  =  X − Y ∪ Y − X   ∈  ,

X ⊆ Y,  falls  X − Y  ∈  .

Es gilt X ∼ Y genau dann, wenn X ⊆ Y und Y ⊆ X. Wir setzen:

Ω  =  1)/∼  und  Ω*  =  Ω −  }.

Die partielle Ordnung ⊆ überträgt sich auf Ω, d. h. wir setzen

X/∼ ⊆ Y/∼,  falls X ⊆ Y.

Dann ist 𝒞 das maximale und  das minimale Element von 〈 Ω, ⊆ 〉.

 Wir wissen, dass Ω eine „Breite“ größergleich ω1 besitzt, denn es existiert eine ω1-Folge paarweise disjunkter stationärer Mengen in ω1. Nach dem Satz von Solovay besitzt Ω sogar unterhalb jedes Elements von Ω* eine Breite größergleich ω1. Die folgende Eigenschaft besagt, dass Ω so „schmal“ wie möglich ist:

Definition (saturiert)

𝒞 heißt 2-)saturiert, falls es keine Folge 〈 Xα | α < ω2 〉 von stationären Teilmengen von ω1 gibt mit der Eigenschaft:

Xα ∩ Xβ ist dünn für alle α < β < ω2.

 Ist 𝒞 saturiert, so besitzt also jede Teilmenge von Ω* der Größe ω2 zwei Elemente, die beide oberhalb von einem dritten Element von Ω* liegen.

 Folgende Eigenschaft besagt stärker, dass Ω so „flach“ wie möglich ist:

Definition 1-dicht)

𝒞 heißt ω1-dicht, falls eine Folge 〈 Xα | α < ω1 〉 von stationären Mengen existiert mit der Eigenschaft:

Für alle stationären S ⊆ ω1 gibt es ein α < ω1 mit Xα S.

Übung

Ist 𝒞 ω1-dicht, so ist 𝒞 saturiert.

 Beide Eigenschaften des club-Filters sind in ZFC nicht beweisbar und modulo der Konsistenz großer Kardinalzahlen auch nicht widerlegbar.

 Eine andere kombinatorische Analyse von 𝒞 untersucht Funktionen von κ nach κ modulo des club-Filters:

Definition (club-Relationen für Funktionen)

Wir setzen für f, g : ω1  ω1:

f  =* g,  falls{ α < ω1 | f (α) = g(α) }  ∈  𝒞

f  <*  g,  falls{ α < ω1 | f (α) < g(α) }  ∈  𝒞

f  ≤*  g,  falls{ α < ω1 | f (α) ≤ g(α) }  ∈  𝒞

 Die partielle Ordnung 〈 κκ, <* 〉 ist wohlfundiert, da es aufgrund der ω1-Vollständigkeit von 𝒞 keine unendlichen absteigenden Folgen

f0  >*  f1  >*  …  >*  fn  >*  …

geben kann: Sonst wäre C = ⋂n  ∈  ω { α < ω1 | fn + 1(α) < fn(α) }  ∈  𝒞, also insbesondere C ≠ 0. Und für ein α  ∈  C wäre dann fn + 1(α) > fn(α) für alle n  ∈  ω, was nicht sein kann. Wir können also wie üblich einen Rang auf 〈 κκ, <* 〉 definieren:

Definition (Rang einer Funktion)

Für alle f  ∈  κκ sei ∥ f ∥ der Rang von f bzgl. <*, d. h. wir definieren durch wohlfundierte Rekursion über <*:

∥ f ∥  =  sup { ∥ g ∥ + 1  |  g  <*  f }.

 Wir definieren nun eine <*-aufsteigende Folge der Länge ω2 in κκ. Wir fixieren hierzu für jeden Limes λ < ω2 eine in λ konfinale Folge 〈 λi | i < cf (λ) 〉. Es wird sich herausstellen, dass die mit Hilfe dieser Hilfsfolgen definierten Funktionen modulo der Äquivalenz =* unabhängig von diesen Folgen sind.

Definition (die kanonischen Funktionen auf ω1)

Wir definieren durch Rekursion über ν < ω2 eine Funktion hν : κ  κ für alle α < ω1 durch:

h0(α) =  0,
hν + 1(α)=  hν(α) + 1für alle ν < ω2,
hλ(α) =  sup { hλi(α) | i  <  cf (λ) }für λ < ω2 Limes, cf (λ) = ω,
hλ(α) =  sup { hλi(α) | i  <  α } für λ < ω2 Limes, cf (λ) = ω1.

Für alle ν < ω2 heißt hν : κ  κ die ν-te kanonische Funktion auf ω1 (modulo der λi-Hilfsfolgen).

 Im Limesschritt bilden wir also mit Hilfe unserer Hilfsfolgen das punktweise Supremum bzw. das punktweise diagonale Supremum der bereits konstruierten Funktionen. Die Konstruktion können wir suggestiv wie folgt notieren:

h0  =  0,  hν + 1  =  hν + 1  für alle ν

hλ  =  sup i  <  cf (λ) hλi,  falls  cf (λ) = ω

hλ  =  diagsup i  <  κ hλi,  falls  cf (λ) = ω1

 Die Folge der kanonischen Funktionen ist offenbar <*-aufsteigend, d. h. für alle ν < ν′ < ω2 gilt hν <* hν′. Weitere elementare Eigenschaften dieser Funktionen sind:

Satz (Eigenschaften der kanonischen Funktionen)

Für alle ν < ω2 gilt:

(a)

hν  ≤*  f  für alle f   ∈  κκ mit ∥f∥ ≥ ν.

(b)

∥ hν ∥  =  ν.

(c)

Ist 〈 gν | ν < ω2 〉 eine Folge in κκ mit (i) und (ii), so gilt hν =* gν für alle ν < ω2.

(d)

Die kanonischen Funktionen sind modulo =* unabhängig von der Wahl der Folgen 〈 λi | i < cf (λ) 〉, λ < ω2, λ Limes.

Beweis

zu (a):  Wir zeigen die Behauptung durch Induktion nach ν < ω2. Der Induktionsanfang ν = 0 ist trivial. Für den Nachfolgerschritt von ν nach ν + 1 sei f  ∈  κκ mit ∥f∥ ≥ ν + 1. Sei dann g <* f mit ∥g∥ = ν. Nach I. V. gilt hν ≤* g. Also gilt:

hν + 1  =  hν + 1  ≤*  g + 1  ≤*  f  (mit punktweiser Addition der 1).

Im Limesschritt λ sei f  ∈  κκ mit ∥f∥ ≥ λ. Für alle i < cf (λ) gilt dann hλi ≤* f nach I. V., also Ci = { α < ω1 | hλi(α) ≤ f (α) }  ∈  𝒞 für alle i < cf (λ). Dann ist aber hλ(α) ≤ f (α) für alle α  ∈  C, wobei C  ∈  𝒞 der Schnitt (für cf (λ) = ω) bzw. der diagonale Schnitt (für cf (λ) = ω1) aller Ci ist.

zu (b):  Aus (a) folgt, dass ∥hν∥ ≤ ν für alle ν < ω2 gilt. Da aber 〈 hν | ν < ω2 〉 <*-aufsteigend ist, gilt auch ∥hν∥ ≥ ν für alle ν < ω2.

zu (c):  Gilt (a) und (b) für 〈 gν | ν < ω2 〉, so gilt für alle ν, dass fν ≤* gν und gν ≤* fν, also fν =* gν.

zu (d):  Die Aussage folgt aus (c), da jede andere Wahl von Hilfsfolgen 〈 λi | i < cf (λ) 〉 eine Folge von Funktionen mit den Eigenschaften (a) und (b) erzeugt.

 Allgemeiner gilt:

Übung

Sei F ein normaler Filter auf ω1 mit ω1 − α  ∈  F für alle α < ω1. Wir setzen f <F g für f, g  ∈  κκ, falls { α < ω1 | f (α) < g(α) }  ∈  F. Für ein f  ∈  κκ sei wieder ∥ f ∥F der Rang von f bzgl. der wohlfundierten partiellen Ordnung <F.

Dann gilt ∥ hν ∥F = ν für alle ν < ω2.

 Es ist überraschend, dass wir die kanonischen Funktionen auch ohne Verwendung von Rekursion definieren können (modulo =*):

Satz (direkte Definition von hν)

Sei ν < ω2 und sei 〈 Xνα | α < ω1 〉 eine stetige ⊆-aufsteigende Folge in [ ν ]ω mit Vereinigung ν. Sei gν(α) = o. t.(Xα) für alle α < ω1. Dann gilt gν =* hν.

Beweis

Wir zeigen die Behauptung durch Induktion nach ν < ω2.

Der Induktionsanfang ν = 0 ist trivial. Im Induktionsschritt ν setzen wir für alle β < ν und α < κ:

Xβα  =  Xνα  ∩  β  und  gβ(α)  =  o. t.(Xβα).

Dann erfüllt 〈 Xβα | α < ω1 〉 für alle β < ν die Eigenschaften (a) und (b) aus dem obigen Satz. Nach I. V. gilt also

Cβ  =  { α < ω1 | gβ(α) = hβ(α) }   ∈   𝒞  für alle β < ν.

Wir unterscheiden drei Fälle.

Fall ν = ν′ + 1:

Dann ist gν(α) = o. t.(Xνα) = o. t.(Xν′α) + 1 = gν′(α) + 1 für α ≥ α*, wobei α* < ω1 genügend groß. Also gilt

gν(α)  =  gν′(α) + 1  =  hν′(α) + 1  =  hν(α)  für alle α   ∈   Cν′ − α*.

Fall ν = λ Limes, cf (λ) < ω1:

Dann gilt für alle α  ∈  ⋂i  <  cf (λ) Cλi  ∈  𝒞:

gλ(α)  =  o. t.(Xλα)  =  sup { o. t.(Xλiα) | i  <  cf (λ) }  = 

sup { hλi(α) | i  <  cf (λ) }  =  hλ(α).

Fall ν = λ Limes, cf (λ) = ω1:

Wegen |Xλα| < ω1 gibt es für alle α < ω1 ein kleinstes iα mit Xλα ⊆ λiα. Ohne Einschränkung ist 〈 λi | i  <  ω1 〉 s. a. und stetig. Dann ist die Folge 〈 iα | α < ω1 〉 aufsteigend, stetig und konfinal in λ. Also gibt es ein D   ∈   𝒞 mit iα = α für alle α   ∈   D. Insbesondere ist

Xλα  =  Xλα  ∩  λα = Xλαα  für alle α  ∈  D.

Also gilt für alle α   ∈   Lim ∩ D ∩ Δ i < ω1 Cλi   ∈   𝒞:

gλ(α) =  o. t.(Xλα)  =  o. t.(Xλαα)
=  sup { o. t.(Xλiα) | i  <  α }  =  sup { hλi(α) | i  <  α }  =  hλ(α).

 Die vielleicht wichtigste Anwendung des Satzes ist:

Korollar (kanonische Funktionen via Surjektionen)

Für alle 1 ≤ ν < ω2 sei fν : ω1  ν surjektiv. Dann können die kanonischen Funktionen definiert werden durch:

hν(α)  =  o. t.(fν″α)  für alle α < ω1 und 1 ≤ ν < ω2.

Beweis

Die Mengen Xνα = fν″α sind abzählbar für alle α < ω1, und die Folge 〈 Xνα | α < ω1 〉 ist stetig und ⊆-aufsteigend mit Vereinigung ν.

 Eine natürliche Frage ist, ob wir das durch <* partiell geordnete System aller Funktionen von κ nach κ mit der <*-aufsteigenden ω2-Folge 〈 hν | ν < ω2 〉 bis an sein Ende durchwandert haben. Zwei Hypothesen in diesem Umfeld sind:

Definition (Dominierungseigenschaften der kanonischen Funktionen)

Die Folge 〈 hν | ν < ω2 〉 der kanonischen Funktionen hat die

(i)

Dominierungseigenschaft, falls für alle f  ∈  κκ ein ν < ω2 existiert mit non(hν <* f),

(ii)

starke Dominierungseigenschaft, falls für alle f  ∈  κκ ein ν < ω2 existiert mit f <* hν.

Übung

Die schwache Dominierungseigenschaft ist genau dann verletzt, wenn es eine Funktion f : ω1  ω1 gibt mit ∥f∥ = ω2.

 Die beiden Domininierungseigenschaften sind in ZFC nicht beweisbar und modulo großer Kardinalzahlen auch nicht widerlegbar.

 Direkte Implikationen zwischen in ZFC unbeweisbaren kombinatorischen Aussagen können wir i. A. nicht erwarten. Es gilt nun aber, dass die starke Dominierungseigenschaft aus der Saturiertheit von 𝒞 folgt. Damit haben wir die Implikationen:

𝒞 ist ω1-dicht 𝒞 ist saturiert    starke Dominierung
  schwache Dominierung.
Satz (Saturiertheit und Dominierungseigenschaft)

Sei 𝒞 saturiert. Dann haben die kanonischen Funktionen die starke Dominierungseigenschaft.

Beweis

Wir führen den Beweis indirekt und konstruieren ω2-viele stationäre Teilmengen von ω1 mit paarweise dünnem Durchschnitt aus der Verletzung der starken Dominierungseigenschaft. Sei also f : κ  κ derart, dass

Aν  =  { α < ω1 | hν(α) < f (α) }

stationär in ω1 ist für alle ν < ω2.

Für alle α < ω1 sei bα : f (α)  ω injektiv. Wegen der ω1-Vollständigkeit von 𝒞 existiert dann für alle ν < ω2 ein nν  ∈  ω derart, dass

Bν  =  { α   ∈   Aν | bα(hν(α))  =  nν }

stationär in ω1 ist. Wegen ω2 regulär gibt es ein n*  ∈  ω und ein D ⊆ ω2 mit |D| = ω2 und nν = n* für alle ν  ∈  D. Dann ist 〈 Bν | ν  ∈  D 〉 eine Folge stationärer Teilmengen von ω1 mit Bν ∩ Bμ dünn für alle ν ≠ μ. Wegen |D| = ω2 ist also 𝒞 nicht saturiert.

 Wir betrachten schließlich noch eine natürliche Verstärkung der schwachen Dominierungseigenschaft. Ist f : ω1  ω1 eine Funktion mit hν <* f für alle ν, so existieren ω2-viele Funktionen gν : ω1  ω, mit der Eigenschaft:

{ α < ω1 | gν(α) = gμ(α) } ist dünn für alle ν < μ < ω2.

Denn f (α) ist abzählbar für alle α < ω1, und eine Abzählung aller f (α) liefert die Funktionen gν: Sei bα : f (α)  ω injektiv für alle α < ω1. Wir setzen dann gν(α) = bα(hν(α)), falls hν(α) < f (α), und gν(α) = 0 sonst. Der „sonst“-Fall betrifft für alle ν < ω2 nur eine dünne Menge von α < ω1, und damit sind die Funktionen gν wie gewünscht. Wir definieren:

Definition (Transversalen-Hypothese)

ω1 erfüllt die Transversalen-Hypothese, falls für jede Folge 〈 gν | ν < ω2 〉 von Funktionen von ω1 nach ω gilt:

Es gibt ν < μ < ω2 mit { α < ω1 | gν(α) = gμ(α) } stationär in ω1.

 Die fast disjunkte Abschwächung der Transversalen-Hypothese erhält man, indem man „stationär in ω1“ durch „unbeschränkt in ω1“ ersetzt. Jensen hat gezeigt, dass diese Abschwächung äquivalent zur stationären Version ist.

 Obiges Argument zeigt also, dass aus der Transversalen-Hypothese die schwache Dominierungseigenschaft folgt. Andererseits gilt wieder:

Satz (Saturiertheit und Transversalen-Hypothese)

Ist 𝒞 saturiert, so gilt die Transversalen-Hypothese.

Beweis

Wir führen den Beweis wieder indirekt. Seien also gν : ω1  ω Funktionen mit { α < ω1 | gν(α) = gμ(α) } dünn für alle ν < μ < ω2. Wie im Beweis oben existiert dann ein D ⊆ ω2 und ein n*  ∈  ω derart, dass |D| = ω2 und Bα = { α < ω1 | gν(α) = n* } stationär ist für alle α  ∈  D. Aber Bν ∩ Bμ ist dünn für alle ν ≠ μ in D, also ist 𝒞 nicht saturiert.

Ultrafilter auf ω1

 Aus der Existenz einer Ulam-Matrix auf ω1 folgt, dass kein ω1-vollständiger uniformer Ultrafilter U auf ω1 existieren kann. Anders formuliert: Es gibt kein nichttriviales 0-1-wertiges σ-additives Maß, das auf der ganzen Potenzmenge von ω1 definiert ist. (Allgemeiner zeigt eine Ulam-Matrix, dass kein reellwertiges Maß existieren kann.) Wir können die unmögliche Forderung nach einem vollen Maß auf ω1 aber in mancherlei Hinsicht abschwächen, und es ergeben sich dann wieder kombinatorische Fragen, die in ZFC weder beweisbar und modulo der Konsistenz großer Kardinalzahlen auch nicht widerlegbar sind.

Überdeckung von 1) durch Filter

 Eine nahe liegende Abschwächung ist die Frage, wie viele partielle Maße wir brauchen, um die ganze Potenzmenge von ω1 ausmessen zu können. Der folgende Satz besagt, dass abzählbar viele partielle Maße nicht ausreichen:

Satz (Satz von Erdös-Alaoglu)

Seien Fn, n  ∈  ω, ω1-vollständige uniforme Filter auf ω1, und seien In, n  ∈  ω, die dualen Ideale. Dann gibt es ein X ⊆ ω1 mit X  ∉  ⋃n  ∈  ω Fn ∪ In.

Beweis

Wir setzen Sn = 1) − (Fn ∪ In) für alle n. Für alle n  ∈  ω sei dann 〈 An, α | α < ω1 〉 eine Zerlegung von ω1 mit An, α  ∈  Sn für alle α < ω1. (Eine solche Zerlegung existiert für alle n  ∈  ω, da andernfalls Fn ein Ultrafilter auf ω1 wäre, was nicht sein kann.) Wir definieren nun f : ω  ω durch:

f (n)  =  min({ m  ∈  ω | es gibt ω1-viele α < ω1 mit Am, α  ∈  Sn }).

Dann gilt f (n) ≤ n für alle n, und es gibt ein β < ω1, sodass für alle n gilt:

(+)  Am, α  ∉  Sn für alle α > β und alle m < f (n).

Wir definieren rekursiv für alle n  ∈  ω:

γn  =  „das kleinste γ > γn − 1 mit Af (n), γn  ∈  Sn“,  wobei γ− 1 = β, und setzen

Bn  =  Af (n), γn − { Af (m), γm | m  ∈  ω, f (m) < f (n) }  für alle n  ∈  ω.

Dann gilt:

(i)

Bn  ∈  Sn für alle n  ∈  ω

(ii)

Bn  ∩  Bm  =  ∅  für alle n < m < ω

zu (i):  Es gilt Af (n), γn  ∈  Sn, und für alle m mit f (m) < f (n) folgt aus (+) und γn > β, dass Af (m), γm  ∈  In.

zu (ii):  Ist f (m) = f (n), so folgt die Behauptung aus γn ≠ γm, da die Mengen Af (n), γ, γ < ω1 paarweise disjunkt sind. Ist f (n) ≠ f (m), so folgt die Behauptung aus der Definition von Bn und Bm.

Wir zerlegen nun jedes Bn in zwei Teile Bn, 0 und Bn, 1, die beide Elemente von Sn sind, und setzen

X  =  ⋃n  ∈  ω Bn, 0.

Dann gilt X  ∉  Fn und ω1 − X  ∉  Fn für alle n  ∈  ω.

 Wir brauchen also mindestens ω1-viele ω1-vollständige uniforme Filter, um jede Teilmenge von ω1 mit zumindest einem dieser Filter messen zu können.

Definition (Ulam-Eigenschaft)

ω1 hat die Ulam-Eigenschaft, falls es eine Folge 〈 Fα | α < ω1 〉 von ω1-vollständigen uniformen Filtern auf ω1 gibt mit 1) = ⋃α < ω1 Fα ∪ Iα, wobei Iα das duale Ideal von Fα ist für alle α < ω1.

 Zwischen der Saturiertheit von 𝒞 und der Ulam-Eigenschaft bestehen keine Implikationen. Es gilt aber:

Übung

Ist 𝒞 ω1-dicht, so hat ω1 die Ulam-Eigenschaft.

[ Sei 〈 Xα | α < ω1 〉 eine Folge wie in der Definition von ω1-dicht. Wir setzen dann

Fα  =  𝒞[ Xα ]  =  { X ⊆ ω1 | es gibt ein C  ∈  𝒞 mit X ⊇ C ∩ Xα }  für alle α < ω1.

Dann ist jedes Fα ein uniformer ω1-ständiger Ultrafilter und es gilt die erwünschte Überdeckungseigenschaft, d. h. 1) = ⋃α < ω1 Fα ∪ Iα. ]

 Verstärken wir die Forderung der ω1-Vollständigkeit zur Normalität der Filter Fα, so ist die so verstärkte Ulam-Eigenschaft sogar äquivalent zur ω1-Dichtheit von 𝒞ω1. Die konstruierten Filter im Hinweis der obigen Übung sind normal. Für die umgekehrte Richtung siehe [ Taylor 1980 ].

Abschwächungen der Vollständigkeit

 Eine andersartige Abschwächung der unmöglichen Messbarkeit besteht darin, die Ultrafilter-Eigenschaft beizubehalten, aber dafür die starken Schnitteigenschaften zu lockern. Eine derartige Lockerung besteht in einer Variation der Normalität. Ein Ultrafilter auf ω1 ist genau dann normal, wenn es für jedes regressive f : ω1  ω1 ein γ < ω1 gibt mit { α < ω1 | f (α) = γ }  ∈  U. Eine natürliche Abschwächung dieser für ω1 zu starken Forderung ist:

Definition (schwach normaler Ultrafilter auf ω1)

Ein uniformer Ultrafilter auf ω1 heißt schwach normal, falls es für jede regressive Funktion f : ω1  ω1 eine Ordinalzahl γ < ω1 gibt mit { α < ω1 | f (α) < γ }  ∈  U.

 Eine subtile Abschwächung der ω1-Vollständigkeit ist:

Definition (nichtreguläre Ultrafilter auf ω1)

Ein uniformer Ultrafilter auf ω1 heißt nichtregulär, falls es für alle Folgen 〈 Xα | α < ω1 〉 in U ein unendliches A ⊆ ω1 gibt mit ⋂α  ∈  A Xα ≠ ∅.

 Zwischen den beiden Begriffen besteht der folgende Zusammenhang:

Satz (schwach normale und nichtreguläre Ultrafilter)

Sei U ein schwach normaler Ultrafilter auf ω1. Dann gilt U ⊇ 𝒞 und U ist nichtregulär.

Beweis

Wir zeigen zunächst, dass U ⊇ 𝒞. Sei C ⊆ ω1 club, und sei A = ω1 − C. Für alle α  ∈  A sei f (α) = sup(C ∩ α). Dann ist f regressiv auf A und Xγ = { α  ∈  A | f (α) < γ } ist beschränkt in ω1 für alle γ < ω1. Wegen U uniform ist also Xγ  ∉  U für alle γ < ω1. Also ist A  ∉  U.

Zum Beweis der Nichtregularität sei 〈 Xα | α < ω1 〉 eine Folge in U. Annahme, für alle unendlichen A ⊆ ω1 ist ⋂α  ∈  A Xα = ∅. Wir definieren f : ω1  ω1 durch

f (α)  =  sup({ β < α | α  ∈  Xβ })  für alle α < ω1.

Nach Annahme ist f regressiv auf ω1. Sei also γ < ω1 derart, dass Y = { α < ω1 | f (α) < γ }  ∈  U. Dann ist Y ∩ Xγ ⊆ γ + 1, denn für alle α  ∈  Y mit γ < α ist sup({ β < α | α  ∈  Xβ }) < γ, also insbesondere α  ∉  Xγ. Also ist Y ∩ Xγ  ∈  U beschränkt, im Widerspruch zu U uniform.

 Es gilt auch die Umkehrung des Satzes: Jeder nichtreguläre Ultrafilter, der den club-Filter umfasst, ist schwach normal. Dies werden wir unten beweisen.

 Die Existenz eines schwach normalen Ultrafilters folgt, mit nichttrivialen Argument, aus der ω1-Dichtheit von 𝒞. Andererseits gilt:

Satz (nichtreguläre Ultrafilter und die Transversalen-Hypothese)

Sei U ⊇ 𝒞 ein nichtregulärer Ultrafilter auf ω1.

Dann gilt die Transversalen-Hypothese.

Beweis

Wir zeigen die Behauptung indirekt. Sei also 〈 gν | ν < ω2 〉 eine Folge von Funktionen von ω1 nach ω, die paarweise nur auf einer dünnen Teilmenge von ω1 übereinstimmen.

Für zwei beliebige Funktionen f1, f2 : ω1  On setzen wir

f1  <U  f2,  falls  { α < ω1 | f1(α) < f2(α) }  ∈  U,

f1  =U  f2,  falls  { α < ω1 | f1(α) = f2(α) }  ∈  U.

Dann ist <U eine lineare Ordnung modulo der Äquivalenzrelation =U. Für alle ν < μ ist gνU gμ, da { α < ω1 | gν(α) ≠ gμ(α) }  ∈  𝒞 ⊆ U. Weiter existiert ein ν* < ω2 mit |{ ν < ω2 | gν <U gν* }| ≥ ω1 (!). Durch Umordnung der gν-Folge dürfen wir o. E. annehmen, dass ν* = ω1 und weiter gν <U gω1 für alle ν < ω1 gilt. Für alle ν < ω1 sei dann

Xν  =  { α  ∈  ω1 | gν(α)  <  gω1(α) }  −  ⋃μ < ν { α   ∈   ω1 | gμ(α)  =  gν(α) }.

Dann gilt Xν  ∈  U für alle ν < ω1.

Sei nun A ⊆ ω1 unendlich. Dann gilt für alle ν, μ  ∈  A mit ν ≠ μ, dass

gμ(α)  ≠  gν(α)  für alle α   ∈   Xμ  ∩  Xν,

gν(α)  <  gω1(α)  für alle α   ∈   Xν.

Wegen gω1(α) < ω für alle α ist also ⋂ν   ∈   A Xν = ∅.

 Das Argument des Beweises liefert nun auch:

Satz (schwach normale und nichtreguläre Ultrafilter, II)

Sei U ⊇ 𝒞 ein nichtregulärer Ultrafilter. Dann ist U schwach normal.

Beweis

Sei f : ω1  ω1 regressiv auf ω1. Aus U ⊇ 𝒞 folgt zunächst:

(+)  g ∘ f  <U  idω1  für alle g : ω1  ω1.

Beweis von (+)

Andernfalls gibt es ein g : ω1  ω1 mit

Y  =  { α < ω1 | α ≤ g(f (α)) }  ∈  U.

Wegen U ⊇ 𝒞 ist Y stationär. Nach dem Satz von Fodor existieren ein stationäres S ⊆ Y und ein δ* < ω1 mit f (α) = δ* für alle α  ∈  S. Dann gilt aber α ≤ g(δ*) für alle α  ∈  S, im Widerspruch zu S unbeschränkt in ω1.

Sei 〈 gν | ν < ω2 〉 eine Folge von fast disjunkten Funktionen auf ω1. Dann existiert für alle ν < μ < ω2 ein δ < ω1 mit:

(++)  { α < ω1 | gν(f (α)) = gμ(f (α)) }  ⊆  { α < ω1 | f (α) ≤ δ }.

Denn andernfalls wäre gν(β) = gμ(β) für unbeschränkt viele β < ω1.

Bislang haben wir nur benutzt, dass U ⊇ 𝒞 gilt. Wir zeigen nun:

(+++)  Ist U nicht schwach normal, so ist U regulär.

Sei also Xδ = { α < ω1 | f (α) ≥ δ }  ∈  U für alle δ < ω1. Nach (++) gilt

gν ∘ f ≠U gμ ∘ f  für alle ν < μ < ω2.

Nach (+) ist gν ∘ f <U idω1 für alle ν < ω2. Sei bα : α  ω injektiv für alle α < ω1. Für alle ν < ω2 und α < ω1 sei

g′ν(α)  =  bα(gν(f (α))),  falls gν(f (α)) < α,  und = 0, sonst.

Dann ist 〈 g′ν | ν < ω2 〉 eine Folge von Funktionen von ω1 nach ω mit g′νU g′μ für alle ν < μ < ω2. Wie im Beweis oben folgt, dass der Ultrafilter U regulär ist.

 In ZFC lässt sich zudem zeigen: Existiert ein nichtregulärer uniformer Ultrafilter U auf ω1, so existiert ein nichtregulärer Ultrafilter U auf ω1 mit U ⊇ 𝒞. Damit ist in ZFC die Existenz eines schwach normalen und eines nichtregulären Ultrafilters auf ω1 gleichwertig.

Kombinatorische Implikationen

 Nach obigen Ergebnissen gelten die folgenden Implikationen (von oben nach unten) der betrachteten kombinatorischen Prinzipien auf ω1:

mengenlehre2-AbbID2

 In Gödels Modell L ist die schwache Dominierungs-Eigenschaft verletzt, und damit gelten in diesem Modell die Negationen dieser Prinzipien. Um Modelle zu konstruieren, in denen die Prinzipien gelten können, werden relativ starke große Kardinalzahlen benötigt. Die optimalen großen Kardinalzahl-Hypothesen sind für die Ulam-Eigenschaft und für die Existenz nichtregulärer Ultrafilter noch unbekannt.

 Die betrachteten Prinzipien lassen sich auch für größere Kardinalzahlen als ω1 formulieren. Sie werden dann noch stärker, und ob sie überhaupt noch konsistent sind, ist vielfach noch unklar.

 Unser Ausflug in die unendliche Kombinatorik auf ω1 zeigt, wie vielfältig die Fragen sind, die das Licht von ZFC nicht erreicht. Zudem müssen − im Gegensatz zur Kontinuumshypothese − oft große Kardinalzahlen herangezogen werden, um zu zeigen, dass ein betrachtetes Prinzip nicht zu Widersprüchen führt. Alle Prinzipien im obigen Diagramm implizieren, dass ZFC widerspruchsfrei ist, und damit müssen wir nach dem zweiten Gödelschen Unvollständigkeitssatz ZFC substantiell verstärken, um Modelle dieser Prinzipien konstruieren zu können. Wir kommen auf diese Dinge im zweiten Abschnitt noch zurück.

 Subtile Implikationen sind ein typisches Kennzeichen für Theorien, denen ein starkes ordnendes Axiom fehlt. Neben ZFC ist auch ZF ein Beispiel für eine solche Theorie. Auch hier erhalten wir komplexe Implikationen zwischen vielen Aussagen, die sich mit Hilfe von AC beweisen lassen. Welches Axiom könnte nun für die kombinatorischen Prinzipien die ordnende Rolle übernehmen? Sollen wir annehmen, dass der club-Filter ω1-dicht ist, weil wir dadurch viele kombinatorische Fragen lösen? Oder sollen wir Gödels konstruktibles Axiom annehmen, das scheinbar alle kombinatorischen Fragen beantwortet, aber alle starken Hypothesen im obigen Diagramm verwirft? Oder belassen wir es oberhalb von ZFC mit der Untersuchung von Implikationen in ZFC und der Konstruktion von Modellen mit Hilfe möglichst schwacher großer Kardinalzahlaxiome? Der gefundene Strukturreichtum ist bemerkenswert, aber viele Fragen bleiben offen.

Stetige Folgen in stationären Mengen

 Einige Eigenschaften lassen sich für stationäre Teilmengen von ω1 in ZFC beweisen, aber nicht für stationäre Teilmengen von ω2 und darüber hinaus. Ein Beispiel ist die Existenz langer stetiger Folgen in stationären Mengen. Für ω1 gilt:

Satz (stetige Folgen in stationären Teilmengen von ω1)

Sei S ⊆ ω1 stationär, und sei α < ω1. Dann existiert eine strikt aufsteigende und stetige Folge 〈 σβ | β < α 〉 in S.

Beweis

Wir nennen 〈 σβ | γ < α 〉 wie im Satz eine α-Folge. Wir zeigen die Existenz von α-Folgen simultan für alle stationären Mengen S durch Induktion nach α < ω1.

Nachfolgerschritt von α nach α + 1, α kein Limes:

Sei f eine α-Folge. Sei α = α′ + 1 und sei σ  ∈  S mit σ > sup(rng(f)). Dann ist f ∪ { (α, σ) } eine (α + 1)-Folge.

Limesschritt λ:

Sei 〈 αn | n  ∈  ω 〉 s. a. k. in λ mit αn Nachfolger für alle n  ∈  ω. Seien fn αn-Folgen mit fn + 1(0) > sup(rng(fn)) für alle n  ∈  ω. Sei f die monotone Aufzählung von ⋃n  ∈  ω rng(fn). Dann ist f eine dom(f)-Folge, dom(f) ≥ λ.

Nachfolgerschritt von λ nach λ + 1, λ Limes:

Seien fη λ-Folgen mit fη + 1(0) > δη = sup(rng(fη)) für alle η < ω1. Dann ist { δη | η < ω1, η Limes } club in ω1. Also existiert ein Limes η mit δη  ∈  S. Sei 〈 ηn | n  ∈  ω 〉 s. a. k. in η. Weiter sei 〈 αn | n  ∈  ω 〉 s. a. k. in λ mit αn Nachfolger für alle n  ∈  ω. Sei nun f die monotone Aufzählung von ⋃n  ∈  ω rng(fηnn). Dann ist f eine dom(f)-Folge mit dom(f) ≥ λ. Wegen sup(rng(f)) = δη  ∈  S ist (f ∪ { (dom(f), δη) })|(λ + 1) eine (λ + 1)-Folge.

 Eine analoge Aussage für ω2 lässt sich in ZFC nicht mehr beweisen und modulo der Konsistenz großer Kardinalzahlen auch nicht widerlegen.

Bäume

 Bäume sind spezielle wohlfundierte Strukturen, die die Ordinalzahlen verallgemeinern: Wir verzichten auf die Eindeutigkeit von Nachfolgern.

Definition (Baum, predT)

Eine partielle Ordnung 〈 T, < 〉 heißt Baum, falls für alle s  ∈  T gilt:

predT(s)  =  { t | t < s } ist wohlgeordnet durch <.

Jedes s  ∈  T heißt ein Knoten des Baumes.

 Hier steht pred für predecessors.

mengenlehre2-AbbID3

 Wir schreiben im Folgenden oft auch nur T statt ausführlich 〈 T, < 〉.

 Um über Bäume angemessen reden zu können, brauchen wir noch einige Begriffe.

Definition (Stufen und Höhe eines Baumes, T= α, levelT(α))

Sei 〈 T, < 〉 ein Baum. Wir setzen für alle s  ∈  T und α  ∈  On:

(i)

o. t.T(s)  =  o. t.(〈 predT(s), < 〉),

(ii)

T= α  =  levelT(α)  =  { s  ∈  T | o. t.T(s)  =  α },

(iii)

T< α  =  { s  ∈  T | o. t.T(s)  <  α }

(iv)

T≤ α  =  { s  ∈  T | o. t.T(s)  ≤  α }.

o. t.T(s) heißt die Ordnung oder Höhe von s in T, und T= α heißt die α-te Stufe von T. Weiter setzen wir:

height(T)  =  strsup({ o. t.T(s) | s  ∈  T }).

Die Ordinalzahl height(T) heißt die Höhe des Baumes T.

 Ist T fest, so unterdrücken wir Indizes und schreiben etwa o. t.(s) statt o. t.T(s). Es gilt offenbar:

height(T)  =  „das kleinste α  ∈  On mit T= α = ∅“.

 Für alle Bäume T ist T= 0 die Menge aller s  ∈  T, die keine Vorgänger in T haben. T = 〈 ∅, ∅ 〉 ist der eindeutige Baum der Höhe 0. Für alle nichtleeren Mengen x ist T = 〈 x, ∅ 〉 ein Baum der Höhe 1 mit T= 0 = { x }. Für alle Ordinalzahlen α ist 〈 α,  ∈  〉 ein Baum der Höhe α mit T= β = { β } für alle β < α.

Definition (Wurzel, Nachfolger, Blatt, sucT)

Sei 〈 T, < 〉 ein Baum.

(i)

s heißt die Wurzel von T, falls s ≤ t für alle t  ∈  T gilt.

T heißt ein Wurzelbaum, falls eine Wurzel existiert.

(ii)

t heißt (direkter) Nachfolger von s in T, falls s < t und kein s′ existiert mit s < s′ < t.

(iii)

Für s  ∈  T setzen wir:

sucT(s)  =  { t  ∈  T | t ist direkter Nachfolger von s }.

(iv)

s heißt Nachfolgerelement (Limeselement) von T, falls o. t.T(s) eine Nachfolgerordinalzahl (Limesordinalzahl) ist.

(v)

s heißt ein Blatt von T, falls kein t existiert mit s < t.

〈 T, < 〉 ist also ein Wurzelbaum, falls die partielle Ordnung 〈 T, < 〉 ein kleinstes Element besitzt. Die Blätter des Baumes T sind genau die maximalen Elemente der Ordnung 〈 T, < 〉.

 Eine wichtige Klasse bilden die Bäume, die aus Folgen gebildet sind:

Definition (Folgenbaum)

Ein Baum 〈 T, < 〉 heißt ein Folgenbaum in M, falls es eine Ordinalzahl γ gibt mit:

(i)

T  ⊆  < γM  =  { s : α  M | α < γ }.

(ii)

T ist abgeschlossen unter Anfangsstücken, d. h. ist s  ∈  T und α < dom(s), so ist s|α  ∈  T.

(iii)

< = ⊂|T, d. h. für alle s, t  ∈  T gilt: s < t gdw s ⊂ t.

Es gilt dann height(T) ≤ γ, und für alle α < γ gilt

T= α  =  { s  ∈  T | dom(s)  =  α }.

Speziell ist T= 0 = { ∅ }. Die leere Folge 〈   〉 = ∅ ist die Wurzel jedes Folgenbaumes.

 Jedem Baum können wir in natürlicher Weise einen Folgenbaum zuordnen: Ist nämlich 〈 T, < 〉 ein Baum, so sei für alle s  ∈  T fs die <-monotone Aufzählung von predT(s) ∪ { s }. Wir setzen nun T′ = { fs|α | s  ∈  T, α ≤ dom(fs) } und ordnen T′ durch strikte Inklusion. Dann ist 〈 T′, < 〉 ein Folgenbaum auf T. Die Abbildung G : T  T′ mit

G(s)  =  fs  =  „das eindeutige f  ∈  T′ mit s = f (max(dom(f)))“

ist ordnungstreu und insbesondere also injektiv. G ist allerdings nicht surjektiv: Der Wurzel ∅ und den Limeselementen von T′ entsprechen keine Elemente von T. Hat T eine Wurzel s, so ist G(s) = 〈  s  〉.

 Wir definieren weiter:

Definition (Zweig)

Sei 〈 T, < 〉 ein Baum. Ein B ⊆ T heißt Zweig von T,  falls gilt:

(i)

〈 B, < 〉 ist linear geordnet.

(ii)

Für alle s  ∈  B ist predT(s) ⊆ B.

Ein Zweig B heißt konfinal, falls kein Zweig B′ existiert mit B ⊂ B′. Die Länge eines Zweiges ist der Ordnungstyp von 〈 B, < 〉.

 Dabei steh „B“ für engl. branch. Wir nennen auch eine <-aufsteigende Folge 〈 xα | α < β 〉 einen Zweig, falls ihr Wertebereich ein Zweig nach der obigen Definition ist. Es gilt dann xα  ∈  T= α für alle α < β.

 Für alle t  ∈  T ist predT(t) ∪ { t } ein Zweig in T. Dieser Zweig ist genau dann konfinal in T, wenn t ein Blatt von T ist.

 Ein Zweig eines Folgenbaumes T ⊆ < γM hat die Form

B = { f|α | α < dom(f) }

für ein f mit dom(f) ≤ γ. Wir können dann B mit f identifizieren.

 Bei der Untersuchung von Bäumen spielen die folgenden Begriffe eine wichtige Rolle:

Definition (vergleichbar, Antikette in einem Baum)

Sei 〈 T, < 〉 ein Baum.

(a)

s, t  ∈  T heißen vergleichbar in T, falls s ≤ t oder t ≤ s.

(b)

A ⊆ T heißt Antikette von T, falls je zwei verschiedene Elemente von T unvergleichbar sind.

(c)

A heißt maximale Antikette von T, falls A eine Antikette von T ist und keine Antikette A′ von T existiert mit A ⊂ A′.

 Ist 〈 T, < 〉 ein Baum, so ist jede Stufe T= α eine Antikette in T. Existiert für alle s  ∈  T mit o. t.(s) < α ein t  ∈  T= α mit s < t, so ist die Stufe T= α sogar eine maximale Antikette in T.

 Eine Ansammlung von nützlichen Strukturvoraussetzungen vereint der folgende Begriff:

Definition (normale Bäume)

Ein Baum 〈 T, < 〉 heißt normal, falls gilt:

(i)

T ist ein Wurzelbaum.

(ii)

Für alle s  ∈  T ist s entweder ein Blatt oder sucT(s) ist unendlich.

(iii)

Für alle s  ∈  T und alle α mit o. t.(s) < α < height(T) existiert ein t  ∈  T= α mit s < t.

(iv)

Sind s, t Limeselemente von T mit predT(s) = predT(t), so ist s = t.

 Ein normaler Baum T hat nach (iii) nur dann Blätter, wenn seine Höhe eine Nachfolgerordinalzahl α + 1 ist. In diesem Fall ist dann T= α die Menge der Blätter von T.

Suslin-Bäume und Aronzajn-Bäume

 Wir studieren Bäume der Höhe ω1, die keine überabzählbaren Zweige besitzen. Zwei wichtige Klassen sind:

Definition (Suslin-Baum)

Ein Baum 〈 T, < 〉 heißt ein Suslin-Baum (auf ω1), falls gilt:

(i)

height(T) = ω1.

(ii)

Jeder Zweig von T ist abzählbar.

(iii)

Jede Antikette von T ist abzählbar.

Definition (Aronzajn-Baum)

Ein Baum 〈 T, < 〉 heißt ein Aronzajn-Baum (auf ω1), falls gilt:

(i)

height(T) = ω1.

(ii)

Jeder Zweig von T ist abzählbar.

(iii)

Jede Stufe von T ist abzählbar.

 Jeder Suslin-Baum ist ein Aronzajn-Baum, da die Stufen eines Baumes Antiketten sind. Die Umkehrung ist, wie wir sehen werden, nicht richtig.

Übung

(a)

Statt (i) können wir äquivalent jeweils fordern, dass |T| = ω1 gilt.

(b)

Existiert ein Suslin-Baum, so existiert auch ein blattfreier normaler Suslin-Baum.

(c)

Sei 〈 T, < 〉 ein Baum mit (i), (iii) wie in der Definition von „Suslin-Baum“. Zudem sei |sucT(s)| ≥ 2 für alle t  ∈  T, die kein Blatt von T sind. Dann ist 〈 T, < 〉 ein Suslin-Baum.

[ zu (a): Die Ungleichung |T| ≤ ω1 gilt, da T = ⋃α < ω1 T= α mit abzählbaren Stufen. Wegen height(T) = ω1 ist andererseits T= α ≠ ∅ für alle α < ω1, also gilt |T| ≥ ω1.

zu (b): Wir setzen T1 = { s  ∈  T | es gibt überabzählbar viele t  ∈  T mit s ≤ t }. Die Limesbedingung können wir durch Hinzufügen von Knoten an Limesstufen richtig stellen. Sei dann T2 = { s  ∈  T1 | |sucT1(s)| ≥ 2 }. Schließlich setzen wir T3 = { s  ∈  T2 | o. t.T2(s) ist eine Limesordinalzahl }. Dann ist T3 nach Erweiterung um eine Wurzel ein blattfreier normaler Suslin-Baum.

zu (c): Sei B ⊆ T ein Zweig von T. Nach Voraussetzung hat jedes s  ∈  B einen direkten Nachfolger g(s)  ∈  T, der nicht in B liegt. Dann ist der „Kamm“ { g(s) | s  ∈  B } eine Antikette in T, also abzählbar. Aber g ist injektiv, und damit ist auch B abzählbar. ]

 Insbesondere ist also jeder normale Baum der Höhe ω1, der keine überabzählbaren Antiketten besitzt, ein Suslin-Baum.

 Man kann in ZFC zeigen, dass ein Aronzajn-Baum existiert. Hier spielt der Ordnungstyp der rationalen Zahlen eine entscheidende Rolle:

Satz (Existenz von Aronzajn-Bäumen)

Es existiert ein Aronzajn-Baum.

Beweis

Sei T* der Folgenbaum aller f  ∈  < ω1, die streng monoton wachsen und beschränkt in  sind. T* hat die Höhe ω1 und besitzt lediglich abzählbare Zweige. Jedoch sind die Stufen von T* überabzählbar für alle α ≥ ω. Der gesuchte Aronzajn-Baum T wird ein Teilbaum von T* sein.

Für f  ∈  T* und q  ∈   schreiben wir im Folgenden

f  ≪  q  anstelle von  sup(rng(f))  <  q.

Wir definieren einen Folgenbaum T ⊆ T*, indem wir für α < ω1 rekursiv seine Stufen T= α ⊆ T*= α definieren. Dabei erhalten wir für alle α < ω1 die folgende Eigenschaft aufrecht:

(+)  Seien α < β, g  ∈  T= α und q  ∈   mit g ≪ q.
Dann existiert ein f  ∈  T= β mit g ⊂ f und f ≪ q.

Die Rekursion verläuft wie folgt.

Rekursionsanfang α = 0:

Wir setzen T= 0  =  { ∅ } .

Rekursionsschritt von α nach α + 1:

Wir setzen

T= α + 1  =  { g ∪ { (α, r) }  ∈  T*  |  g  ∈  T= α,  r  ∈   }.

Dann gilt weiterhin (+).

Limesschritt λ:

Sei α < λ, und sei g  ∈  T= α. Weiter sei q  ∈   mit g ≪ q. Wir definieren eine Funktion f(g, q) : λ   in T* wie folgt.

Seien 〈 λn | n < ω 〉, 〈 qn | n < ω 〉 streng monoton wachsend mit:

(α)

α = λ0,  g ≪ q0,

(β)

supn < ω λn  =  λ,  supn < ω qn  <  q.

Nach I. V. (+) existiert dann eine Folge 〈 gn | n < ω 〉 mit:

(i)

gn  ∈  T= λn für alle n < ω,

(ii)

g = g0 ⊂ g1 ⊂ … ⊂ gn ⊂ …, n < ω,

(iii)

gn ≪ qn für alle n < ω.

Wir setzen nun:

f(g, q)  =  ⋃n < ω gn.

Dann ist f(g, q)  ∈  T*= λ und f(g, q) ≪ q.

Wir setzen:

T= λ  =  { f(g, q) | g  ∈  T< λ, q  ∈  , g ≪ q }.

Nach Konstruktion gilt dann weiterhin (+).

Es gilt height(T) = ω1 und |T= α| ≤ ω für alle α < ω1 nach Konstruktion. Weiter existiert kein überabzählbarer Zweig von T, denn wäre B ⊆ T ein überabzählbarer Zweig, so wäre g = ⋃ B eine streng monotone Funktion von ω1 nach , was nicht sein kann. Also ist 〈 T, ⊂ 〉 ein Aronzajn-Baum.

Übung

Der im Beweis konstruierte Aronzajn-Baum ist normal. Weiter besitzt er eine überabzählbare Antikette und ist also kein Suslin-Baum.

[ Sei B  =  { g  ∈  T | dom(g) ist Nachfolgerordinalzahl }. Für g  ∈  B sei

qg  =  g(dom(g) − 1)  =  max(rng(g))  ∈  .

Sei q*  ∈   und A ⊆ B überabzählbar mit qg = q* für alle g  ∈  A. Dann ist A eine überabzählbare Antikette in T. Denn wäre g ⊂ g′ für g, g′  ∈  A, so würde q* zweimal von g′ als Wert angenommen werden, im Widerspruch zu g′ streng monoton wachsend. ]

 Die Existenz von Suslin-Bäumen ist dagegen zum Suslin-Problem gleichwertig. Wir betrachten hierzu (vgl. auch die „Einführung“):

Suslin-Hypothese (SH)

Jede dichte lineare Ordnung 〈 M, < 〉, die die Antiketten-Bedingung erfüllt, ist separabel.

 Dabei erfüllt eine lineare Ordnung 〈 M, < 〉 die Antiketten-Bedingung, wenn jede Menge von offenen paarweise disjunkten Intervallen von M abzählbar ist.

 Die Suslin-Hypothese ist motiviert durch die Frage:

Kann in der klassischen ordnungstheoretischen Charakterisierung von 〈 , < 〉 die Separabilität zur Antikettenbedingung abgeschwächt werden?

Definition (Suslin-Gerade)

Eine lineare Ordnung 〈 M, < 〉 heißt Suslin-Gerade, falls gilt:

(i)

〈 M, < 〉 ist unbeschränkt, vollständig und dicht.

(ii)

〈 M, < 〉 erfüllt die Antiketten-Bedingung.

(iii)

〈 M, < 〉 ist nicht separabel, d. h. es gibt keine abzählbare dichte Teilmenge von M.

 Suslin-Geraden sind Gegenbeispiele zur Suslin-Hypothese. Genauer ist die Existenz einer Suslin-Geraden äquivalent zur Negation von (SH), wie eine Dedekind-Vervollständigung zeigt. Wir werden später zeigen, dass in Gödels konstruktiblem Modell L eine Suslin-Gerade existiert. Mit der Erzwingungsmethode werden wir dagegen ein Modell konstruieren, in dem keine Suslin-Gerade existiert. Zur Gewinnung dieser Resultate verwenden wir folgende Äquivalenz:

Satz (Suslin-Bäume und Suslin-Geraden)

Die folgenden Aussagen sind äquivalent:

(i)

Es existiert eine Suslin-Gerade.

(ii)

Es existiert ein Suslin-Baum.

Beweis

(i)  (ii):  Sei 〈 M, < 〉 eine Suslin-Gerade. Wir definieren für α < ω1 rekursiv Intervalle

Iα  =  ] xα, yα [  =  { z  ∈  M | xα  <  z  <  yα }

mit xα < yα derart, dass für alle β < α < ω1 gilt:

(+)  Iβ  ∩  Iα  =  ∅  oder  Iβ  ⊃  Iα ∪ { xα, yα }

Rekursionsschritt α < ω1

Sei R = { xβ, yβ | β < α } die Menge der Randpunkte der bislang konstruierten Intervalle. Dann ist Rα abzählbar und damit nicht dicht in M. Sei also Iα = ] xα, yα [, xα < yα, ein Intervall in M derart, dass [ xα, yα ] ∩ R = ∅. Dann gilt weiterhin (+).

Wir setzen nun:

T  =  〈 { Iα | α < ω1 },  ⊃ 〉.

Nach (+) ist T ein Baum. Wir zeigen, dass T ein Suslin-Baum ist.

Offenbar gilt |T| = ω1. Jede Antikette von T ist nach (+) eine Antikette der Ordnung 〈 M, < 〉, also hat T keine überabzählbaren Antiketten. Es existieren aber auch keine überabzählbaren Zweige in T. Denn andernfalls existiert ein streng monoton wachsendes g : ω1  ω1 mit Ig(α) ⊃ Ig(β) für alle α < β < ω1. Dann ist aber 〈 xg(α) | α < ω1 〉 eine streng monoton wachsende Folge in 〈 M, < 〉. Also ist

A  =  { ] xg(α), xg(α + 1) [  |  α < ω1 }

eine überabzählbare Antikette von Intervallen in 〈 M, < 〉, Widerspruch.

(ii)  (i):  Sei 〈 T, < 〉 ein normaler Suslin-Baum. Wir setzen

M  =  { B ⊆ T  |  B ist ein konfinaler Zweig von T },

und definieren eine Ordnung auf M wie folgt. Für alle t  ∈  T sei <t eine lineare Ordnung von suc(t) des Ordnungstyps η, d. h. es gilt 〈 suc(t), <t 〉 ≡  〈 , < 〉. Eine solche Ordnung <t existiert, denn es gilt |suc(t)| ≤ ω wegen T Suslin und |suc(t)| ≥ ω wegen T normal. Für B, C  ∈  M hat B ∩ C ein größtes Element nach der Limesbedingung der Normalität. Wir können also definieren:

B  <  C  falls„der Nachfolger von t = max(B ∩ C) in B ist <t-kleiner
als der Nachfolger von t in C.“

Kurz: C liegt lexikographisch rechts von B in dem durch die linearen Ordnungen <t organisierten Baum.

Dann gilt:

(+)  〈 M, < 〉 ist unbeschränkt, dicht und nicht separabel.

Damit ist also die Vervollständigung von 〈 M, < 〉 eine Suslin-Gerade.

Beweis von (+)

〈 M, < 〉 ist offenbar eine dichte lineare Ordnung ohne Endpunkte. Für t  ∈  T definieren wir ein Intervall It von M durch

It  =  { B  ∈  M | t   ∈   B }.

Ist J ein nichtleeres offenes Intervall von 〈 M, < 〉, so gibt es ein t = t(J) mit It ⊆ J. Ist weiter A eine Antikette in 〈 M, < 〉, so ist

A′  =  {  t(J)  |  J  ∈  A,  J ≠ ∅ }

eine Antikette in T. Also ist jede Antikette in 〈 M, < 〉 abzählbar.

Es bleibt zu zeigen, dass 〈 M, < 〉 nicht separabel ist. Sei also Q ⊆ M abzählbar. Jedes B  ∈  Q ist abzählbar, also ist auch ⋃ Q ⊆ T abzählbar. Also existiert ein α < ω1 derart, dass

⋃ Q  ∩  T= α  =  ∅.

Sei nun t  ∈  T= α. Dann ist It ∩ Q = ∅, also ist Q nicht dicht in 〈 M, < 〉.

Das Karo-Prinzip

 Suslin-Bäume liefern also Gegenbeispiele zur Suslin-Hypothese. Wir betrachten nun ein kombinatorisches Prinzip, mit dessen Hilfe wir Suslin-Bäume konstruieren können. Später werden wir zeigen, dass dieses Prinzip im Gödelschen Universum L gültig ist.

Jensens Karo-Prinzip (Diamant-Prinzip)

◇ sei die folgende Aussage:

Es existiert eine Folge 〈 Sα | α < ω1 〉 mit den Eigenschaften:

(i)

Sα  ⊆  α  für alle α < ω1.

(ii)

Für alle S ⊆ ω1 ist { α < ω1 | S ∩ α = Sα } stationär in ω1.

Jede Folge 〈 Sα | α < ω1 〉 heißt eine ◇-Folge (für ω1).

 Wir können uns die linke obere Hälfte des Quadrats ω1 × ω1 abgedunkelt vorstellen, einschließlich der Diagonale D = { (α, α) | α < ω1 }. Die Mengen Sα tragen wir nun in der rechten unteren Hälfte ein. Nun ziehen wir eine beliebige Teilmenge S von ω1 von links nach rechts durch das Quadrat. Dabei wird ein immer größeres Anfangsstück von S sichtbar. Wir notieren alle α, für die Sα mit dem sichtbaren Anfangsstück S ∩ α von S übereinstimmt. Eine ◇-Folge „rät“ in diesem Sinne die Anfangsstücke jeder beliebigen Teilmenge von ω1 stationär oft richtig. Dadurch wird die Potenzmenge von ω1 in vielerlei Hinsicht gebändigt und gut analysierbar.

 Man kann zeigen, dass das Karo-Prinzip äquivalent ist zu der scheinbar schwächeren Version, die in (ii) für alle S ⊆ ω1 lediglich die Existenz eines einzigen unendlichen α < ω1 fordert mit S ∩ α = Sα. Dagegen ist die Forderung „für club-viele α < ω1“ statt „für stationär viele α < ω1“ in (ii) unmöglich, wie man sich leicht überlegt.

 Eine der einfachsten Folgerungen des Karo-Prinzips ist:

Satz (Karo-Prinzip und Kontinuumshypothese)

Aus ◇ folgt (CH).

Beweis

Sei 〈 Sα | α < ω1 〉 eine ◇-Folge. Dann gilt:

(+)  (ω)  ⊆  { Sα | α < ω1 }.

Denn für alle S ⊆ ω existiert ein ω ≤ α ≤ ω1 mit S = S ∩ α = Sα. Aus (+) folgt aber, dass 2ω ≤ ω1.

 Das Karo-Prinzip können wir also als eine starke Version der Kontinuumshypothese ansehen.

 Wir zeigen nun den folgenden Satz von Jensen:

Satz (Karo-Prinzip und Suslin-Bäume)

Es gelte ◇. Dann existiert ein Suslin-Baum.

Beweis

Sei 〈 Sα | α < ω1 〉 eine ◇-Folge für ω1. Wir konstruieren die Stufen T= α und die Ordnung <T eines normalen Baumes T = 〈 ω1, <T 〉 durch Rekursion über α < ω1. Dabei sind alle Teilbäume T≤ α normal, und es gilt T≤ α ⊇ α.

Rekursionsanfang α = 0 :

Wir setzen T= 0  =  { 0 }.

Rekursionsschritt von α nach α + 1 :

Sei 〈 βγ | γ < α* 〉 die monotone Aufzählung von T= α. Weiter seien 〈  δξ | ξ < ω · α* 〉 die ersten (ω · α*)-vielen Ordinalzahlen von ω1 − T≤ α, also die ersten (ω · α*)-vielen bislang unverbrauchten Ordinalzahlen. Die Stufe T= α + 1 samt Baumordnung definieren wir nun durch:

sucTγ)  =  { δω · γ + n | n < ω }  für alle γ < α*.

Dann ist T≤ α + 1 normal.

Rekursionsschritt λ, mit λ Limes :

Für alle t  ∈  T< λ sei Bt ⊆ T< λ mit den Eigenschaften:

(a)

t  ∈  Bt.

(b)

Bt ist ein konfinaler Zweig der Länge λ in T< λ.

(c)

Ist Sλ eine maximale Antikette in T< λ, so ist Bt ∩ Sλ ≠ ∅.

Ein solches Bt existiert nach Normalität von T< λ. Denn sei 〈 αn | n  ∈  ω 〉 s. a. k. in λ mit t = t0  ∈  T= α0. Sei rekursiv tn + 1 ein Element von T= αn + 1 oberhalb von tn für alle n  ∈  ω. Dann gilt (a) und (b) für

Bt  =  { s  ∈  T< λ | s <T tn für ein n < ω }.

Die Bedingung (c) können wir sicherstellen, indem wir α1 und t1 so wählen, dass t1  ∈  Sλ gilt, falls überhaupt ein Element von Sλ oberhalb von t liegt. Ist dann Sλ eine maximale Antikette in T< λ, so ist ein t′ ≤ t in Sλ oder es gilt t1  ∈  Sλ. In jedem Falle gilt dann (c).

Sei f : { Bt | t  ∈  T< λ }  ω1 − T< λ injektiv. Wir setzen:

T= λ  =  rng(f).

Wir erweitern nun noch die Baumordnung von T< λ nach T≤ λ, indem wir für alle s, t  ∈  T< λ definieren:

s  <T  f (bt)  falls  s  ∈  bt.

Es ist klar, dass T≤ λ normal ist.

Damit ist T = 〈 ω1, <T 〉 definiert. Wir zeigen, dass T ein Suslin-Baum ist. Da T ein normaler Baum der Höhe ω1 ist, genügt es zu zeigen, dass T keine überabzählbaren Antiketten besitzt. Sei also A ⊆ T eine o. E. maximale Antikette in T. Wir zeigen, dass A abzählbar ist. Hierzu setzen wir:

C  =  { λ < ω1 | λ Limes, T< λ = λ,
A ∩ λ ist eine maximale Antikette in T< λ }

Dann ist C club in ω1 (!). Sei nun

S  =  { α < ω1 | A ∩ α = Sα }.

Dann ist S stationär in ω1. Also existiert ein λ  ∈  C ∩ S, und dann ist A ∩ λ = Sλ eine maximale Antikette in T< λ = λ. Wir zeigen:

(+)  A  =  Sλ.

Damit ist A insbesondere abzählbar.

Beweis von (+)

Annahme nicht. Sei dann s  ∈  A − λ, und sei s′ ≤T s mit s′  ∈  T= λ. Weiter sei Bt wie im Limesschritt der Konstruktion von T= λ ein für die Existenz von s′  ∈  T= λ verantwortlicher konfinaler Zweig von T< λ. Dann gilt

s″ <T s′ ≤T s  für alle s″  ∈  Bt.

Nach (c) gibt es ein s″  ∈  Bt ∩ Sλ. Dann ist also s″ < s mit s″, s  ∈  A, im Widerspruch zu A Antikette von T.

 Der Beweis führte zur Isolation des Karo-Prinzips. Eine maximale Antikette A in einem beliebigen Baum T auf ω1 reflektiert sehr häufig auf die Stufen des Baumes: Die Menge A ∩ λ ist für club-viele λ eine maximale Antikette von T< λ. Die Karo-Folge wird eingesetzt, um die Anfangsstücke der Antikette zu raten. Die spezielle Eigenschaft der rekursiven Baumkonstruktion ist nun, dass die Zweige { s′ < s | s′  ∈  T< λ }, die den Elementen s einer Limesstufe T= λ zugeordnet sind, die Mengen Sλ treffen, falls diese eine maximale Antikette in T< λ sind. Diese Eigenschaft sichert, dass wir nicht nur die Anfangsstücke von Antiketten richtig raten, sondern die Antikette selbst.

 Das Karo-Prinzip hat viele kombinatorische Konsequenzen. Zwei Beispiele behandeln die folgenden Übungen.

Übung

Es gelte ◇. Dann existiert ein 𝒮 ⊆ { S ⊆ ω1 | S ist stationär in ω1 } mit:

(i)

|𝒮|  =  2ω1

(ii)

|S ∩ T| ≤ ω  für alle S, T  ∈  𝒮 mit S ≠ T

[ Sei 〈 Sα | α < ω1 〉 eine ◇-Folge. Für ein stationäres S ⊆ ω1 sei

g(S)  =  { α < ω1 | S ∩ α = Sα }.

Wir setzen 𝒮 = { g(S) | S ⊆ ω1, S stationär in ω1 }. Dann ist 𝒮 wie gewünscht. ]

Übung

Es gelte ◇. Dann existiert eine Folge 〈 Xλ | λ < ω1 Limes 〉 mit:

(i)

Xλ  ⊆  λ,

(ii)

sup(Xλ)  =  λ,

(iii)

o. t.(Xλ)  =  ω  für alle λ,

(iv)

für alle A  ∈  [ ω1 ]ω1 ist { λ < ω1 | λ Limes, Xα ⊆ A } stationär in ω1.

[ Sei 〈 Sα | α < ω1 〉 eine ◇-Folge. Für Limiten λ < ω1 mit sup(Sλ) = λ sei Xλ eine Teilmenge von Sλ mit (i) − (iii). Für alle anderen Limiten λ sei Xλ eine beliebige Teilmenge von λ mit (i) − (iii). Dann ist 〈 Xλ | λ < ω1, λ Limes 〉 wie gewünscht, d. h. es gilt (iv). Denn sei A ⊆ ω1 unbeschränkt in ω1. Sei C die Menge der Limespunkte von A. Dann ist C club in ω1. Also ist S = { λ  ∈  C | Sλ = A ∩ λ } stationär in ω1. Für alle λ  ∈  S gilt sup(Sλ) = λ, und damit ist Xλ ⊆ Sλ ⊆ A für alle λ  ∈  S. ]

Kurepa-Bäume

 Wir betrachten nun Bäume auf ω1, die im Gegensatz zu den bislang studierten Bäumen besonders viele überabzählbare Zweige besitzen.

Definition (Kurepa-Baum)

Ein Baum 〈 T, < 〉 heißt ein Kurepa-Baum, falls gilt:

(i)

height(T)  =  ω1.

(ii)

T hat ω2-viele überabzählbare Zweige.

(iii)

Für alle α ist T= α abzählbar.

 Wir werden später zeigen, dass in Gödels Modell L Kurepa-Bäume existieren. Stärker existiert ein in L gültiges kombinatorisches Prinzip des ◇-Typs, das die Existenz von Kurepa-Bäumen nach sich zieht. Weiter werden wir sehen, dass die Nichtexistenz von Kurepa-Bäumen die Existenz einer unerreichbaren Kardinalzahl in L nach sich zieht. Insgesamt ist die Existenz von Kurepa-Bäumen also in ZFC nicht widerlegbar und modulo der Konsistenz von unerreichbaren Kardinalzahlen auch nicht beweisbar. Wir diskutieren dies noch genauer im zweiten Abschnitt.

 Der Begriff eines Kurepa-Baums ist aus dem folgenden Begriff über Mengensysteme hervorgegangen:

Definition (Kurepa-Familie)

Sei F ⊆ 1). F heißt Kurepa-Familie, falls gilt :

(i)

|F|  ≥  ω2

(ii)

|{ X ∩ α | X  ∈  F }| ≤  ω  für alle α < ω1

 In der Tat kann man leicht sehen:

Satz (Kurepa-Bäume und Kurepa-Familien)

Die folgenden Aussagen sind äquivalent:

(i)

Es existiert ein Kurepa-Baum 〈 T, < 〉.

(ii)

Es existiert eine Kurepa-Familie F ⊆ 1).

Beweis

(i)  (ii):

Sei 〈 T, <T 〉 ein Kurepa-Baum. Ohne Einschränkung ist T = ω1 und <T verträglich mit der ordinalen Ordnung < auf ω1, d. h. für alle α, β < ω1 gilt:

α  <T  β  impliziert  α  <  β.

Wir setzen nun

F  =  { b ⊆ T | b ist überabzählbarer Zweig von T }.

Dann ist F eine Kurepa-Familie auf ω1.

(ii)  (i):

Sei F ⊆ 1) eine Kurepa-Familie auf ω1. Für jedes x  ∈  F definieren wir eine Funktion fx : ω1  1) durch:

fx(α)  =  x  ∩  α  für α < ω1

Wir setzen nun

T  =  { fx|α | α < ω1, x  ∈  F },

und ordnen T durch echte Inklusion. Dann ist 〈 T, ⊂ 〉 ein Kurepa-Baum mit T= α  =  { fx|α | x  ∈  F } für alle α < ω1.

 Die Nichtexistenz eines Kurepa-Baumes ordnet sich in unsere Reihe der kombinatorischen Prinzipien auf ω1 unterhalb der Transversalen-Hypothese ein:

Satz (Transversalen-Hypothese und Kurepa-Bäume)

Es gelte die Transversalen-Hypothese. Dann existiert kein Kurepa-Baum.

Beweis

Sei T ein Kurepa-Baum. Für alle α < ω1 sei fα : T= α  ω injektiv. Weiter seien bν : ω1  T, ν < ω2, paarweise verschiedene überabzählbare Zweige von T, aufgefasst als Funktionen mit bν(α)  ∈  T= α für alle α < ω1. Wir definieren gν : ω1  ω für alle ν < ω2 durch

gν(α)  =  fα(gν(α))  für alle α < ω1.

Dann ist 〈 gν | ν < ω2 〉 eine Folge von fast disjunkten Funktionen von ω1 nach ω.

Die Baumeigenschaft

 Die Suche nach unendlichen Zweigen in Bäumen führt zu einer neuen großen Kardinalzahleigenschaft. Ausgangspunkt ist der folgende bekannte Satz:

Satz (Lemma von König)

Sei T = 〈 ω, < 〉 ein Baum, dessen Stufen T= n alle endlich sind.

Dann existiert ein unendlicher Zweig in T.

Beweis

Wir definieren rekursiv Knoten

s0  <  s1  <  …  <  sn  <  …

von T derart, dass oberhalb von sn immer noch unendlich viele Knoten von T liegen. Dies ist möglich, da jeder Knoten von T nur endlich viele Nachfolger besitzt.

 Der Beweis verwendet das Auswahlaxiom bei der Wahl des nächsten Knotens.

 Es stellt sich die Frage, ob diese Eigenschaft von schmalen Bäumen der Höhe ω auch für schmale Bäume überabzählbarer Höhe gilt bzw. überhaupt gelten kann. Wir definieren:

Definition (κ-Baum, Baumeigenschaft)

Sei κ ≥ ω eine Kardinalzahl.

(i)

Ein Baum T = 〈 κ, < 〉 heißt ein κ-Baum, falls gitlt:

height(T) = κ  und  |T= α| < κ für alle α < κ

(ii)

κ hat die Baumeigenschaft, falls jeder κ-Baum einen Zweig der Mächtigkeit κ besitzt.

 Die Baumeigenschaft führt zu einem neuen großen Kardinalzahlbegriff:

Definition (schwach kompakte Kardinalzahl)

Eine Kardinalzahl κ heißt schwach kompakt, falls κ unerreichbar ist und die Baumeigenschaft besitzt.

 Schwach kompakte Kardinalzahlen liegen in der Hierarchie der großen Kardinalzahlaxiome zwischen Mahlo und Messbarkeit. Wir zeigen hier noch, dass messbare Kardinalzahlen schwach kompakt sind. Ein κ-vollständiger Ultrafilter erlaubt uns, einen Zweig in einem κ-Baum zu finden:

Satz (messbare Kardinalzahlen sind schwach kompakt)

Sei κ eine messbare Kardinalzahl. Dann ist κ schwach kompakt.

Beweis

Wir wissen bereits, dass messbare Kardinalzahlen unerreichbar sind. Sei also T = 〈 κ, <T 〉 ein κ-Baum. Für alle x  ∈  T sei

Mx  =  { y  ∈  T | x  ≤T  y }.

Sei U ein κ-vollständiger nichttrivialer Ultrafilter auf κ. Für alle α < κ ist |T< α| < κ, also ist T≥ α  ∈  U für alle α < κ. Aber es gilt

T≥ α  =  ⋃x  ∈  T= α Mx   ∈  U,

und damit gibt es wegen der κ-Vollständigkeit von U für alle α < κ genau ein xα mit Mxα  ∈  U. Für alle α, β < κ gilt dann

Mxα ⊆ Mxβ  oder  Mxβ ⊆ Mxα,

da andernfalls ∅ = Mxα ∩ Mxβ  ∈  U gelten würde. Also ist B = { xα | α < κ } ein Zweig in T der Mächtigkeit κ.

Partitionen und der Satz von Ramsey

 Wir erinnern an den Begriff der Zerlegung: Ein Z ⊆ (M) heißt eine Zerlegung von M, falls die Elemente von Z nichtleer und paarweise disjunkt sind und weiter ⋃ Z = M gilt.

 Ist f eine Funktion mit dom(f) = M, so heißt f auch eine (funktionale) Zerlegung von M. Ist nämlich I = rng(f), so ist

Z  =  { f −1″{ i } | i  ∈  I }

eine Zerlegung von M. Z = Z(f) heißt die zu f gehörige oder von f induzierte Zerlegung von M. Ist umgekehrt Z eine Zerlegung von M, so ist f : M  Z mit

f (a)  =  „das x  ∈  Z mit a  ∈  x“  für alle a  ∈  M

eine funktionale Zerlegung von M mit rng(f) = Z.

 Ist ∼ eine Äquivalenzrelation auf M, so ist die Menge der Äquivalenzklassen Z = M/∼ eine Zerlegung der Menge M. Ist umgekehrt Z eine Zerlegung von M, so definiert „a ∼ b, falls ein x  ∈  Z existiert mit a, b  ∈  x“ eine Äquivalenzrelation auf M.

 Besonders suggestiv ist schließlich auch die Sprechweise der Färbung. Jede Zerlegung f : M  I heißt auch eine Färbung von M. Stellen wir uns die Elemente von I als verschiedene Farben vor, so wird jedes x  ∈  M mit der Farbe f (x) versehen.

Beispiel

Ist z.B. M = [ N ]2, I = 2, und betrachten wir 0 als rot, 1 als blau, so ist jede Funktion f : M  2 eine rot-blau-Färbung der zweielementigen Teilmengen von N, also der Kanten des vollständigen Graphen 〈 N, [ N ]2 〉. Das folgende Diagramm zeigt eine Färbung f : [ 4 ]2  2.

mengenlehre2-AbbID4

 Im Folgenden studieren wir Färbungen von [ M ]n für n  ∈  ω mit zwei oder mehr Farben, wobei wir uns in erster Linie für unendliche Mengen M interessieren. Im Zentrum steht der Begriff einer homogenen Teilmenge.

Definition (homogene Teilmenge)

Sei f eine Färbung von [ M ]n. Ein N ⊆ M heißt homogen (bzgl. f), falls f konstant ist auf [ N ]n, d.h. falls |f ″[ N ]n| ≤ 1.

 Die Frage ist die nach der Existenz großer homogener Teilmengen für beliebige Färbungen f von [ M ]n für n  ∈  ω . Das thematische Umfeld ist also: „Existieren einfach große Teilsysteme von komplizierten Systemen?“

 Wir nehmen ohne Einschränkung an, dass M und rng(f) Kardinalzahlen sind. Zur bequemen Formulierung ist folgende Notation nützlich:

Definition (die Pfeil-Notation κ  (μ)nk)

Seien κ, μ, n, k Kardinalzahlen mit n  ∈  ω und n ≤ κ. Wir schreiben

κ  (μ)nk,  falls für jede Zerlegung f : [ κ ]n  k existiert
ein homogenes N ⊆ κ mit |N| = μ.

 Die Anordnung der Variablen κ, μ, n, k sind durch folgende Auf- und Abwärtsregeln motiviert:

Übung

Es gilt:

(i)κ  (μ)nkimpliziert  κ′  (μ)nk für alle κ′ ≥ κ.
(ii)κ  (μ)nkimpliziert  κ  (μ′)n′k′ für alle μ′ ≤ μ, k′ ≤ k, n′ ≤ n.

 Folgende Überlegung zeigt, warum wir n  ∈  ω in der Definition der Pfeilnotation fordern. Wohlordnungen auf [ κ ]ω schließen die Existenz von unendlichen homogenen Mengen schon für bestimmte rot-blau-Färbungen aus:

Satz

Sei κ eine unendliche Kardinalzahl. Dann gibt es eine Färbung f : [ κ ]ω  2, die kein homogenes N ⊆ κ der Größe ω besitzt.

Beweis

Sei M = [ κ ]ω, und sei < eine Wohlordnung von M. Wir definieren f : M  2 durch

f(x)=0,falls xyfüralley[x]ω1sonst.

Sei N ⊆ M mit |N| = ω. Annahme, N ist homogen für f. Sei

x  =  „das <-kleinste Element von [ N ]ω“.

Dann gilt f (x) = 0 nach Definition von f. Also ist f (x) = 0 für alle x  ∈ [ N ]ω, da N homogen für f. Sei 〈 xn | n  ∈  ω 〉 eine ⊂-aufsteigende Folge in [ N ]ω. Wegen f (xn) = 0 und xn + 1  ∈ [ xn ]ω, xn + 1 ≠ xn gilt dann xn + 1 < xn für alle n, im Widerspruch zu < Wohlordnung.

 Das überraschende positive Resultat für die Pfeilnotation im Fall κ = ω ist der folgende Satz:

Satz (Satz von Ramsey)

Es gilt ω  (ω)nk für alle n, k  ∈  ω.

 Ist also f : [ ω ]2  2 eine beliebige rot-blau-Färbung der Kanten des vollständigen Graphen 〈 ω, [ ω ]2 〉, so existiert eine unendliche Teilmenge N von ω derart, dass [ N ]2 vollständig rot oder vollständig blau gefärbt ist.

Beweis

Wir zeigen die Behauptung für ein festes 1 ≤ k < ω durch Induktion nach 1 ≤ n < ω. Die anderen Fälle sind trivial.

Induktionsanfang n = 1:

Jede endliche Zerlegung von ω hat ein unendliches Element.

Induktionsschritt von n nach n + 1:

Sei f : [ ω ]n + 1  k. Wir definieren rekursiv:

〈 Am | m  ∈  ω 〉 ⊆ [ ω ]ω mit A0 ⊃ A1 ⊃ … ⊃ Am ⊃ …,

〈 xm | m  ∈  ω 〉 mit xm  ∈  Am  für alle m  ∈  ω,

〈 km | m  ∈  ω 〉 mit km ≤ k  für alle m  ∈  ω.

Rekursionsanfang:

Wir setzen A0 = ω und x0 = min(A0).

Rekursionsschritt von m nach m + 1:

Sei fm : [ Am − { xm } ]n  k definiert durch

fm({ y1, ..., yn })  =  f ({ xm, y1, ..., yn }).

Wegen |Am − { xm }| = ω existiert nach I. V. ein Am + 1 ⊆ Am − { xm } mit |Am + 1| = ω und Am + 1 homogen für fm mit konstantem Wert km ≤ k. Wir setzen nun xm + 1 = min(Am + 1).

Nach Konstruktion gilt nun für alle m < i1 < ... < in und m < j1 < ... < jn:

(+)  f ({ xm, xi1, ..., xin })  =  f ({ xm, xj1, …, xjn })  =  km

Denn es gilt xi  ∈  Ai ⊆ Am + 1 für alle i mit m < i. Aber es gibt ein k* ≤ k und ein unendliches I ⊆ ω mit km = k* für alle m  ∈  I. Wir setzen

N  =  { xm | m  ∈  I }.

Dann ist N unendlich und nach (+) homogen für f.

 Mit Hilfe des Lemmas von König gewinnen wir eine endliche Version:

Korollar (Satz von Ramsey, endliche Version)

Seien n, m, k < ω. Dann existiert ein r  ∈  ω, r ≥ n, mit r  (m)nk.

Beweis

Annahme nicht. Sei

T  =  { f : [ r ]n  k  |  n ≤ r < ω,
es gibt kein f-homogenes N ⊆ r mit |N| = m }.

Für f, g  ∈  T setzen wir:

f  ≤T  g,  falls  f  =  g|[ s ]n für ein s  ∈  ω.

Dann ist 〈 T, <T 〉 ein Baum. Nach Annahme hat T die Höhe ω. Weiter sind alle Stufen von T endlich. Nach dem Lemma von König existiert also ein unendlicher Zweig B ⊆ T. Sei dann f = ⋃ B. Dann ist f : [ ω ]n  k, aber die Färbung f hat keine homogene Teilmenge der Größe m, im Widerspruch zum Satz von Ramsey.

Übung

Zeigen Sie umgekehrt den Satz von Ramsey aus seiner endlichen Version.

 Für natürliche Zahlen n, m, k sei r(n, m, k) = min({ r ≥ n | r  (m)nk }). Die Funktion r : ω3  ω heißt die Ramsey-Funktion. Die Werte von r auszurechnen ist eine diffizile Angelegenheit. Bekannt ist z.B. r(2, 3, 2) = 6 und r(2, 4, 2) = 18. Bei jedem Essen mit 6 Leuten gibt es drei Gäste, die sich untereinander kennen oder die untereinander fremd sind. In jeder Schulklasse mit 18 Schülern gibt es 4 Schüler, die sich paarweise mögen oder paarweise nicht mögen.

 Die Äquivalenz einer unendlichen und endlichen Version eines kombinatorischen Satzes ist häufig anzutreffen (z.B. beim Satz von van der Waerden über arithmetische Progressionen, siehe unten). Bei der Gewinnung der endlichen aus der unendlichen Version wird dabei oft das Lemma von König oder ein verwandtes Kompaktheitsargument angewendet.

Übung

Sind s, d, n  ∈  ω, so heißt { s, s + d, s + 2d, ..., s + nd } eine arithmetische Progression der Länge n + 1 mit Startpunkt s und Schrittweite d.

Der Satz von van der Waerden besagt:

Ist f : ω  k eine Färbung von ω, 1 ≤ k < ω, so existiert für alle n  ∈  ω eine einfarbige arithmetische Progression der Länge n + 1, d. h. für alle n  ∈  ω existieren s, d  ∈  ω mit |f ″{ s, s + d, ..., s + nd }| = 1.

Zeigen Sie, dass der Satz von van der Waerden äquivalent zur folgenden endlichen Version ist:

Seien n, k  ∈  ω. Dann existiert ein w = w(n, k)  ∈  ω derart, dass für jede k-Färbung f : w  k eine einfarbige arithmetische Progression s, s + d, ..., s + nd existiert.

 Die van der Waerden-Funktion w(n, k) = „das kleinste w  ∈  ω mit obiger Eigenschaft“ wächst sehr schnell. Erst kürzlich hat Shelah gute Schranken für das Wachstum dieser Funktion gefunden, zusammen mit einem neuen Beweis eines stärkeren Satzes.

 Aus dem Satz von van der Waerden folgt für jede k-Färbung von ω die Existenz einer Farbe mit beliebig langen arithmetischen Progression in dieser Farbe. Die Farbe anzugeben ist schwieriger. Ein wichtiges Ergebnis, das oftmals die Identifikation einer „guten“ Farbe erlaubt, ist der folgende Satz von Szemeredi:

A ⊆ ω habe positive obere Dichte, d.h. es gibt ein positives reelles ε mit (|A ∩ n|)/n ≥ ε für unendlich viele n  ∈  ω. Dann gibt es beliebig lange arithmetische Progressionen in A.

 Nach dem Satz von Ramsey gilt ω  (ω)nk für alle n, k  ∈  ω. Dagegen ist die Partitionseigenschaft ω1  (ω1)nk nicht mehr richtig. Genauer gilt:

Satz (einige negative Partitionsresultate)

Sei κ eine unendliche Kardinalzahl. Dann gilt:

(i)

non(2κ  (3)2κ)

(ii)

non(2κ  (κ+)22

(iii)

non1  (ω1)22)

Beweis

zu (i): 

Für f, g  ∈  κ2 mit f ≠ g sei δ({ f, g }) = min({ α < κ | f (α) ≠ g(α) }). Dann hat δ : [ κ2 ]2  κ keine homogene Menge mit drei Elementen.

zu (ii):

Sei <lex die lexikographische Ordnung auf κ2. Sei b : 2κ  κ2 bijektiv. Wir definieren F : [ 2κ ]2  2 durch

F({α,β})=0,falls b(α)<lexb(β)1,sonst.

Um die Existenz einer homogenen Menge der Größe κ+ für die Färbung F auszuschließen, genügt es zu zeigen:

(+) Es gibt keine <lex-auf- oder <lex-absteigenden κ+-Folgen in κ2.

Beweis von (+)

Annahme, 〈 fβ | β < κ+ 〉 ist <lex-aufsteigend in κ2. Durch Induktion über α < κ zeigt man leicht:

Für alle α < κ ist 〈 fβ(α) | β < κ+ 〉 konstant ab einem βα.

Sei β* = sup({ βα | α < κ }). Dann ist β < κ+ und es gilt fβ = fβ* für alle β ≥ β*, Widerspruch. Analog widerlegt man die Existenz von <lex-absteigenden κ+-Folgen in κ2.

zu (iii):

Folgt aus (ii) wegen 2ω ≥ ω1 = ω+ und der Aufwärtsregel.

 Neben dem Satz von Ramsey gehört der folgende Satz von Erdös und Rado, den wir ohne Beweis angeben, zu den wichtigsten positiven Pfeil-Resultaten. Für unendliche Kardinalzahlen definieren wir hierzu 2κ, n für n  ∈  ω rekursiv durch

2κ, 0  =  κ

2κ, n + 1  =  2(2κ, n)  für alle n  ∈  ω.

Satz (Satz von Erdös-Rado)

Für alle κ ≥ ω und n  ∈  ω gilt (2κ, n)+  (κ+)κn+1.

 Insbesondere existiert für alle n  ∈  ω und alle Kardinalzahlen μ, k ein κ mit κ  (μ)nk. Weiter gilt (2κ)+  (κ+)22. Das Ergebnis ist zudem für alle n  ∈  ω bestmöglich: Die linke Seite (2κ, n)+ kann nicht reduziert werden.

 Wir hatten schwach kompakte Kardinalzahlen als unerreichbare Kardinalzahlen eingeführt, die die Baumeigenschaft haben. Diese Kardinalzahlen sind nun genau diejenigen überabzählbaren Zahlen, für die der Satz von Ramsey mit κ statt ω gilt. Genauer gilt folgender Satz, den wir hier ebenfalls ohne Beweis angeben:

Satz (Partitionseigenschaften schwach kompakter Kardinalzahlen)

Für alle überabzählbaren Kardinalzahlen sind äquivalent:

(i)

κ ist schwach kompakt.

(ii)

κ  (κ)nk  für alle n  ∈  ω und alle k < κ.

(iii)

κ  (κ)22.

Die Partitionseigenschaft κ  (μ)< ωk

 Wir hatten oben gezeigt, dass Zerlegungen f : [ κ ]ω  2 von [ κ ]ω ohne unendliche homogene Teilmengen existieren. Es ist daher vielleicht nicht überraschend, dass die folgende Forderung für Zerlegungen von [ κ ]< ω = ⋃n  ∈  ω [ κ ]n eine starke Eigenschaft ist.

Definition (die Pfeil-Notation κ  (μ)< ωk)

Seien κ, μ, k Kardinalzahlen, κ ≥ ω. Wir schreiben

κ  (μ)< ωkfallsfür jede Färbung f : [ κ ]< ω  k gibt es ein N ⊆ κ mit
|N| = μ und |f ″[ N ]n ≤ 1| für alle n  ∈  ω.

Ein solches N ⊆ κ heißt (schichtweise) homogen für f.

 Für homogene N ⊆ κ kann die Farbe f ″[ N ]n mit jedem n  ∈  ω wechseln. Eine von n unabhängige Farbe zu fordern wäre nicht sinnvoll, wie die folgende Färbung f : [ κ ]< ω  2 zeigt:

f(x)=0,falls x[κ]2mfüreinmω1,falls x[κ]2m+1füreinmω

 Die Kardinalzahl ω erfüllt diese Partitions-Eigenschaft nicht:

Übung

Es gilt non(ω  (ω)< ω2).

[ Wir setzen f (x) = 0, falls n  ∈  x, wobei x  ∈ [ ω ]n, und f (x) = 1 sonst. ]

 Die Partitions-Eigenschaft führt zu einem neuen großen Kardinalzahlbegriff:

Definition (Ramsey-Kardinalzahl)

Eine Kardinalzahl κ heißt eine Ramsey-Kardinalzahl, falls κ  (κ)< ω2.

 Jede Ramsey-Kardinalzahl erfüllt κ  (κ)22 und ist daher schwach kompakt. Weiter kann man zeigen, dass jede messbare Kardinalzahl eine Ramsey-Kardinalzahl ist.