7. Die Sätze von Kummer und Lukas
Wir geben noch eine Beschreibung unserer Intervallfolgen über Reste. Als Anwendung erhalten wir ein klassisches Ergebnis von Ernst Kummer (1852).
Satz (Charakterisierung über Koreste)
Sei x > 0. Weiter seien 0 < ra, rb ≤ x die Koreste der Division von a bzw. b durch x, d. h. es gibt ganze Zahlen qa, qb mit
a = qa x − ra, b = qb x − rb.
Dann gilt
x ∈ ⋃d ≥ 1 I(d) = ∪d ≥ 1 ] a/d, b/s(d) ] genau dann, wenn ra/rb ≤ a/b.
Beweis
Sei d ≥ 1 derart, dass x ∈ ] a/d, a/(d − 1) ]. Dann gilt
d = ⌊a/x⌋ + 1 = (a + ra)/x,
s(d) + 1 = ⌈bd/a⌉ = ⌈b/x (1 + ra/a)⌉.
Damit ergibt sich die folgende Äquivalenzenkette:
x ∈ I(d) = ] a/d, b/s(d) ] genau dann, wenn
s(d) ≤ b/x genau dann, wenn
⌈b/x (1 + ra/a)⌉ ≤ 1 + b/x genau dann, wenn
⌈b/x + bra/(xa)⌉ ≤ 1 + b/x genau dann, wenn
⌈− rb/x + bra/(xa)⌉ ≤ 1 − rb/x genau dann, wenn
⌈(bra − arb)/(xa)⌉ ≤ 0 genau dann, wenn
bra ≤ arb genau dann, wenn ra/rb ≤ a/b.
Weiter brauchen wir noch folgende einfache Beobachtung über Reste:
Satz (Koreste von a, b, ℓ)
Seien 0 < ra, rb, rℓ ≤ x die Koreste der Division von a, b bzw. ℓ durch x. Dann gilt rb = ra + rℓ oder rb = ra + rℓ − x. Weiter sind äquivalent:
(1) | rb = ra + rℓ. |
(2) | ra < rb und rℓ < rb. |
(3) | ra < rb oder rℓ < rb. |
Beweis
Die erste Aussage folgt aus b = a + ℓ. Die Äquivalenzen ergeben sich aus ra, rℓ > 0 und x − ra, x − rℓ ≤ 0.
Damit erhalten wir nun:
Korollar
In der Situation I = ⋃d ≥ 1 In − k,n(d) ∪ ⋃c ≥ 1 Ik,n(c) der Binomialkoeffizienten sind für alle x > 0 äquivalent:
(1) | x ∈ I. |
(2) | rn − k/rn ≤ (n − k)/n oder rk/rn < k/n. |
(3) | rn − k < rn oder (und) rk < rn. |
(4) | rn − k + rk = rn. |
Beweis
Gilt rn − k/rn > (n − k)/n und rk/rn > k/n, so ist rn − k + rk > rn. Dies zeigt, dass aus Aussage (4) die Aussage (2) folgt. Der Rest ergibt sich aus den obigen Ergebnissen.
Korollar (Satz von Kummer)
Sei p prim. Dann gilt:
exp() = |{ i ≥ 1 | rb(pi) = ra(pi) + rℓ(pi) }|
= |{ e ≥ 1 | rk(pi) < rn(pi) }|
= „die Anzahl der Überträge der Addition von k und n − k in Basis p“.
Insbesondere ist genau dann durch p teilbar, wenn in p-adischer Darstellung eine Ziffer von n kleiner ist als die entsprechende Ziffer von k. Genauer ist die Anzahl dieser Ziffern der p-Exponent von .
Beweis
In Basis p findet bei der Addition von k und n − k genau dann ein Übertrag an der i-ten Stelle statt, wenn rk(pi) < rn(pi). Dies ist äquivalent dazu, dass die i-te Ziffer der p-adischen Darstellung von n kleiner ist als die entsprechende Ziffer von k.
Binomialkoeffizienten modulo p
Wir geben noch einen direkten Beweis des Satzes von Kummer (1852). Die Methode ergibt zudem eine Formel für die Reste von Binomialkoeffizienten modulo einer Primzahl (Satz von Lucas 1878).
Satz (Sätze von Kummer und Lucas)
Seien n, k mit 0 ≤ k ≤ n, und sei p prim. Weiter seien n = (nj … n0)p, k = (kj … k0)p und n − k = (dj … d0)p in p-adischer Darstellung. Schließlich sei e der p-Exponent von . Dann gilt:
(1) | Satz von Kummer: Ist ki > ni für ein i, so ist durch p teilbar. Genauer ist e die Anzahl der Überträge der p-adischen Addition von k und n − k (und damit die Anzahl aller i < j mit ni < ki). |
(2) | Satz von Lucas (starke Form): Es gilt 1pe ≡ (−1)e ∏0 ≤ i ≤ j niki di mod(p). Ist ki ≤ ni (und di = ni − ki) für alle i, so gilt ≡ ∏0 ≤ i ≤ j mod(p).(Satz von Lucas) |
Beweis
Sei m ≥ 1 beliebig, und sei m = (mj … m0)p in p-adischer Darstellung. Wir setzen für i = 0, …, j:
Mi = { (zj … zi)p | 1 ≤ (zj … zi 0 … 0)p ≤ (mj … m0)p, zi ≠ 0 }.
Der Mengen Mi entstehen, wenn wir in den p-adischen Darstellungen der Zahlen 1, …, m alle Endziffern 0 streichen: genau i Endziffern 0 liefern ein Element von Mi. Setzen wir [ z ]p = z/exp(z) für alle z ≥ 1, so gilt
Mi = { [ z ]p | 1 ≤ z ≤ m, expp(z) = i } für i = 0, …, j.
Unter Verwendung des Satzes von Legendre gilt:
(+) | m! | = ∏0 ≤ i ≤ j, z ∈ Mi z pi = pem ∏0 ≤ i ≤ j, z ∈ Mi z, wobei |
em | = exp(m!) = ∑1 ≤ i ≤ j ⌊mpi⌋ = ∑1 ≤ i ≤ j (mj … mi)p. |
Hieraus ergibt sich der Satz von Kummer. Denn nach (+) gilt
e = en − (ek + en − k) = ∑1 ≤ i ≤ j ((nj … ni)p − ((kj … ki)p + (dj … di)p))
und für alle i = 1, …, j ist der Summand entweder 1 oder 0, je nachdem, ob bei der Addition von k = (kj … k0)p und n − k = (dj … d0)p an der Stelle i − 1 ein Übertrag auf die Stelle i stattfindet (ni − 1 < ki − 1) oder nicht (ki − 1 ≤ ni − 1).
Zum Beweis des Satzes von Lucas beobachten wir, dass eine Zahl modulo p äquivalent zur letzten Ziffer ihrer p-adischen Darstellung ist. Damit gilt
[ m! ]p = m!/pem ≡ ∏0 ≤ i ≤ j ∏z ∈ Mi z ≡ ∏0 ≤ i ≤ j ∏(zj … zi)p ∈ Mi zi mod(p).
Die letzten Ziffern der Zahlen in M0 durchlaufen genau ⌊ m/p ⌋ oft die Zahlen 1, …, p − 1 und zudem einmal die Zahlen 1, …, m0. Nach dem Satz von Wilson ist (p − 1)! ≡ −1 mod(p). Dies zeigt:
∏z ∈ M0 z ≡ m0! (p − 1)!⌊m/p⌋ ≡ m0! (−1)⌊m/p⌋ mod(p).
Ebenso durchlaufen die letzten Ziffern der Zahlen in M1 genau ⌊ m/p2 ⌋ oft die Zahlen 1, …, p − 1 und zudem einmal die Zahlen 1, …, m1, sodass
∏z ∈ M1 z ≡ m1! (−1)⌊m/p2⌋ mod(p).
Analoges gilt für die anderen Mengen. Dies zeigt:
(++) [ m! ]p ≡ mj! · … · m0! · (−1)em mod(p).
Wir erhalten also:
1pe | = [ n! ]p[ k! ]p · [ (n − k)! ]p |
≡ | |
≡ (−1)e nj! · … · n0!kj! · … · k0! · dj! · … · d0! mod(p). |
Damit ist der Satz von Lucas bewiesen.
Bemerkung
(1) | Den Satz von Lucas können wir äquivalent in der Form ≡ mod(p) schreiben, mit n′ = (nj … n1)p = ⌊n/p⌋ und k′ = (kj … k1)p = ⌊k/p⌋. |
(2) | Es gilt em = ∑1 ≤ i ≤ j (mj … mi)p = m − (m0 + … + mj)p − 1. Denn die erste Summe ist gleich m1 1 + m2(1 + p) + … + mj(1 + … + pj − 1). Multiplikation mit p − 1 ergibt (mj … m10)p − (m1 + … + mj). Addition von m0 in beiden Termen liefert den Zähler der Behauptung. |
Beispiel
Wir betrachten p = 5, n = 12 und k = 3. Dann gilt
= = 220 = 5 · 44, 15 = 44 ≡ 4 mod(5).
In Basis 5 gilt
n = 12 = (2, 2)5, k = 3 = (0, 3)5, n − k = 9 = (1, 4)5.
Mit e = 1 ist
(−1)e n1! · n0!k1! · k0! · d1! · d0! = − 2! · 2!0! · 3! · 1! · 4! ≡ − −1−1 ≡ 4 mod(5).
Das folgende Diagramm gibt einen Eindruck über die auftretenden Reste.
Die Reste von modulo m für m = 1, …, 2000. Die Reste für Primzahlmoduln sind dabei rot eingefärbt. Genau in den Primzahlbändern des Binomialkoeffizienten sind diese Reste gleich 0.
Binomialkoeffizienten modulo pe
Der Satz von Lucas lässt sich auf Primzahlpotenzen verallgemeinern (siehe [ Granville 1997 ]). Hierzu definieren wir für alle n ≥ 0 und Primzahlen p die reduzierte Fakultät n!p durch
(n!)p = ∏1 ≤ k ≤ n, non(p|k) k.
Wesentlich ist die folgende Verallgemeinerung unserer Berechnung von [ m ]p:
Satz (reduzierte Fakultäten modulo einer Primzahlpotenz)
Sei pν eine Primzahlpotenz. Weiter sei m ≥ 1 mit m = (mj, …, m0)p. Wir setzen:
c = (pν!)p,
σm = ∑ν ≤ i ≤ j (mj … mi)p,
mi,ν = (mi + ν − 1 … mi + 1 mi)p für alle 0 ≤ i ≤ j (mit evtl. Führungsnullen).
Dann gilt:
[ m! ]p ≡ cσm ∏0 ≤ i ≤ j (mi,ν!)p mod(pν).
Zudem ist c = 1, falls pν ∈ { 2 } ∪ { 8, 16, 32, … }. Andernfalls ist c = −1.
Beweis
Wir definieren die Mengen Mi wie früher. Modulo pν ist eine Zahl äquivalent zu den letzten ν Ziffern ihrer p-adischen Darstellung, sodass
[ m! ]p ≡ ∏0 ≤ i ≤ j ∏(zj … zi)p ∈ Mi (zi + ν − 1 … zi + 1 zi)p mod(p).
Wir setzen
Z = { k | 1 ≤ k < pν, non(p|k) },
sodass c = ∏k ∈ Z k. Die letzten ν Ziffern der Zahlen in M0 durchlaufen genau ⌊ m/pν ⌋ = (mj, …, mν)p oft die Zahlen in Z und zudem einmal die nicht durch p teilbaren Zahlen in 1, …, m0,ν. Ebenso durchlaufen die letzten ν Ziffern der Zahlen in M1 genau ⌊ m/pν + 1 ⌋ = (mj … mν + 1)p oft die Zahlen in Z und zudem einmal die nicht durch p teilbaren Zahlen im Intervall 1, …, m1,ν. Analoges gilt für M2, …, Mj. Wie im Fall ν = 1 ergibt sich hieraus die Formel für [ m!]p.
Der Zusatz über c ergibt sich durch Verallgemeinerung des Satzes von Wilson durch Bildung von Inversenpaaren modulo pν: Die Aussage ist klar für pν ∈ { 2, 4 }. Im Fall p ≠ 2 sind genau 1 und pν − 1 selbstinvers modulo pν. Ist pν = 2ν mit ν ≥ 3, so sind genau die vier Zahlen 1, 2ν − 1 − 1, 2ν − 1 + 1, 2q − 1 selbstinvers modulo 2ν, und das Produkt dieser Zahlen ist kongruent 1 modulo pν.
Damit können wir nun zeigen:
Satz (Binomialkoeffizienten modulo Primzahlpotenzen)
Seien n, k mit 0 ≤ k ≤ n, und sei pν eine Primzahlpotenz. Weiter seien
n = (nj … n0)p, k = (kj … k0)p, n − k = (dj, …, d0)p,
e = |{ i | 0 ≤ i < j, ni < ki }|, e* = |{ i | ν − 1 ≤ i < j, ni < ki }|.
Dann gilt mit obigen Bezeichnungen:
1pe ≡ ce* ∏0 ≤ i ≤ j (ni,ν!)p (ki,ν!)p (di,ν!)p mod(pν).
Beweis
Die Aussage ergibt sich wie im Fall ν = 1 aus der Formel für [ m!] p mit
σn − (σk + σn − k) = ∑ν ≤ i ≤ j ((nj … ni)p − ((kj … ki)p + (dj … di)p)).
Beispiel
Wir illustrieren die Formel für [ m! ]p am Beispiel
p = 5, ν = 2, m = 138 = (0,1,0,2,3)5 = (m4m3m2m1m0)5.
Die Reste der Zahlen [ 1 ]5, …, [ 138 ]5 modulo 25 sind:
1, 2, 3, 4, 1, 6, 7, 8, 9, 2, 11, 12, 13, 14, 3, 16, 17, 18, 19, 4, 21, 22, 23, 24, 1,
1, 2, 3, 4, 6, 6, 7, 8, 9, 7, 11, 12, 13, 14, 8, 16, 17, 18, 19, 9, 21, 22, 23, 24, 2,
1, 2, 3, 4, 11, 6, 7, 8, 9, 12, 11, 12, 13, 14, 13, 16, 17, 18, 19, 14, 21, 22, 23, 24, 3,
1, 2, 3, 4, 16, 6, 7, 8, 9, 17, 11, 12, 13, 14, 18, 16, 17, 18, 19, 19, 21, 22, 23, 24, 4
1, 2, 3, 4, 21, 6, 7, 8, 9, 22, 11, 12, 13, 14, 23, 16, 17, 18, 19, 24, 21, 22, 23, 24, 1,
1, 2, 3, 4, 1, 6, 7, 8, 9, 2, 11, 12, 13
Multiplizieren wir diese Reste auf, so durchlaufen wir die Folge
1, 2, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 11, 12, 13, 14, 16, 17, 18, 19, 21, 22, 23, 24
6 Mal. Der Beitrag dieser Durchläufe zu [ 138!]5 ist c6 = (−1)6 = 1. Es gilt 6 = 5 + 1 = (1,0)5 + (0,1)5. Weiter durchlaufen wir je einmal die Zahlen
1, 2, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 11, 12, 13 1, 2 1, 2, 3, 4 1
Die Beiträge zur Fakultät sind (13!)p, (2!)5, (5)!5, (1!)5. In Basis 5 gilt
13 = (2,3)5 = (m1m0)p, 2 = (0,2)5 = (m2m1)5,
5 = (1,0)5 = (m3m2)p, 1 = (0,1)5 = (m4m3)5.
Insgesamt ist
[ 138! ]5 ≡ (−1)6 · [ 13! ]5 · [ 2 ]5 · [ 5 ]5 · [ 1 ]5 ≡ 1 · 16 · 2 · 24 · 1 ≡ 18 mod(25)