Die Ordnung der rationalen Zahlen
Eine wesentliche Eigenschaft von ℚ ist, dass zwischen zwei rationalen Zahlen p < q immer eine rationale Zahl liegt, etwa (p + q)/2. Allgemeiner definieren wir für lineare Ordnungen:
Definition (dichte lineare Ordnung)
Eine lineare Ordnung 〈 M, < 〉 heißt dicht, falls für alle x, y ∈ M mit x < y ein z ∈ M existiert mit x < z < y.
Neben dicht liefert eine kurze Materialsammlung zu 〈 ℚ, < 〉 noch abzählbar und unbeschränkt. Ein fundamentaler Satz besagt, dass diese drei Eigenschaften die Ordnung der rationalen Zahlen bereits bis auf Isomorphie festzurren:
Satz (Cantors Isomorphiesatz für die Ordnung der rationalen Zahlen)
Sei 〈 M, < 〉 eine abzählbare, dichte und unbeschränkte lineare Ordnung.
Dann gilt 〈 M, < 〉 ≡ 〈 ℚ, < 〉.
Der Satz findet sich in [ Cantor 1895 ] und implizit in [ Cantor 1884 ]. Wir geben das originale Argument.
Beweis
Seien x0, x1, . . . und q0, q1, . . . injektive Aufzählungen von M bzw. von ℚ.
Wir definieren rekursiv Funktionswerte f (x0), f (x1), f (x2), … wie folgt.
Zunächst sei f (x0) = q0.
Seien nun f (x0), …, f (xn) definiert. Wir setzen:
f(xn + 1) = „das erste qi der Aufzählung von ℚ mit der Eigenschaft:
die Funktion fn + 1 := { (xk, f (xk)) | 0 ≤ k ≤ n } ∪ { (xn + 1, qi) }, | |
fn + 1 : { x0, …, xn + 1 } → ℚ, ist ordnungserhaltend.“ |
Anschaulich: Wir definieren f(xn + 1) derart, dass die Elemente x0, …, xn + 1 in M paarweise genauso zueinander in Relation stehen wie die Elemente f (x0), …, f(xn + 1) in ℚ.
Wegen ℚ dicht und unbeschränkt existiert immer ein solches qi.
Damit erhalten wir nach Konstruktion einen Ordnungsisomorphismus
f : M → rng(f).
Es gilt aber rng(f) = ℚ, denn andernfalls existiert ein kleinstes i* mit qi* ∉ rng(f). Dann müsste qi* an einer geeigneten Stelle der Rekursion aber einem xn + 1 zugeordnet werden (!), Widerspruch.
Also zeigt die Funktion f, dass 〈 M, < 〉 ≡ 〈 ℚ, < 〉.
Der Beweis zeigt de facto (auch ohne die Kenntnis von 〈 ℚ, < 〉), dass je zwei abzählbare, dichte und unbeschränkte lineare Ordnungen isomorph sind.
Übung
Führen Sie das Argument für die Stelle „(!)“ im Beweis aus.
Die Dichtheit und Unbeschränktheit von M wird nur für den Nachweis „rng(f) = ℚ“ gebraucht. Damit zeigt die Konstruktion:
Korollar (Universalität von ℚ)
Jede abzählbare lineare Ordnung lässt sich in 〈 ℚ, < 〉 einbetten.
Nach dem Cantorschen Isomorphiesatz sind etwa die algebraischen Zahlen ordnungsisomorph zu den rationalen Zahlen. Weiter ist die ℤ-fach gelochte Ordnung 〈 ℚ − ℤ, < 〉 ordnungsisomorph zu 〈 ℚ, < 〉. Diese Beobachtung werden wir gleich noch verwenden.