Permutationen und Isometrien

 Für jede Menge M bildet die Menge aller Bijektionen von M nach M zusammen mit der Komposition eine Gruppe.

Definition (Permutationsgruppe oder Symmetriegruppe)

Sei M eine Menge. Wir setzen:

𝒮M  =  { f : M  M | f ist bijektiv }.

〈 𝒮M, ∘ 〉 oder kurz 𝒮M heißt die Permutationsgruppe auf M.

 Jede Untergruppe einer Permutationsgruppe führt zu einem natürlichen Äquivalenzbegriff:

Definition (Äquivalenz bzgl. einer Untergruppe)

Sei M eine Menge, und sei 𝒢 eine Untergruppe von 𝒮M.

Wir definieren für A, B ⊆ M:

A ∼𝒢 B  falls  ein f  ∈  𝒢 existiert mit B = f ″A.

Gilt A ∼𝒢 B, so heißen A und B 𝒢-äquivalent oder 𝒢-ähnlich.

Übung

𝒢 ist eine Äquivalenzrelation.

 In Übereinstimmung mit dem Erlanger Programm entsteht so durch die Reduktion der vollen Permutationsgruppe einer Menge M auf eine − geometrisch motivierte − Untergruppe eine „Geometrie auf M“ mit einem Äquivalenz-Begriff für „Figuren“ in M. Ein offensichtliches Ziel der Untersuchung ist nun ein möglichst genaues Verständnis der betrachteten Untergruppe. Wir wollen eine solche Untersuchung für die Gruppe der abstandserhaltenden Bijektionen der Euklidischen Räume M = , 2, 3 durchführen. Diese Gruppe ist selber eine Untergruppe der Euklidischen Hauptgruppe der winkeltreuen Abbildungen. Allgemein definieren wir (für alle n  ∈  ):

Definition (Isometrie, Isometriegruppe)

Sei f : n  n bijektiv.  f heißt eine (Euklidische) Isometrie auf (des, im) n, falls für alle x, y  ∈  n gilt:

d(f (x), f (y))  =  d(x, y). (Abstandstreue) 

Wir setzen:

n  =  { f  ∈  𝒮n | f ist eine Isometrie }.

〈 n, ∘ 〉 oder kurz n heißt auch die Isometriegruppe des n.

 Andere geometrisch motivierte Untergruppen von 𝒮n sind etwa: Die Gruppe der Homöomorphismen f : n  n, die Gruppe der längentreuen Abbildungen, der winkeltreuen Abbildungen und weiter die Gruppe der bijektiven affinen Abbildungen. Das Konzept der affinen Abbildung führt weiter durch Einführung eines unendlich fernen Punktes zur projektiven Geometrie.

 Statt „f : n  n bijektiv“ genügt die Voraussetzung „f : n  n surjektiv“, da eine abstandstreue Funktion automatisch injektiv ist. Hier schließt sich die Frage an, ob man sogar auf die Forderung der Surjektivität verzichten kann, d. h. die Frage: Ist eine abstandstreue Abbildung automatisch surjektiv und damit also eine Isometrie? Wir werden unten sehen, dass dies tatsächlich der Fall ist.

 Die Isometriegruppe erlaubt folgende einfache Definition des bekannten Kongruenzbegriffs für Figuren im n:

Definition (Kongruenz)

Seien A, B ⊆ n. A und B heißen kongruent, in Zeichen A ≡  B, falls A ∼n B gilt.

 Kongruenz wird für den Anschauungsraum oft so erklärt: A und B sind kongruent, wenn A und B durch einfaches oder wiederholtes Verschieben, Drehen und Spiegeln zur Deckung gebracht werden können. Diese beschreibende Erklärung des Kongruenzbegriffs stimmt in der Tat mit der abstrakteren Definition überein. Etwas salopp formuliert: Es gibt keine komplizierten, unanschaulichen Isometrien. Zudem wird sich ergeben, dass auch die Komposition von Isometrien nicht über sehr wenige, einfach zu beschreibende Grundtypen hinausführt, die nur einmal und nicht wiederholt ausgeführt werden müssen. Wir werden insgesamt eine einfache Beschreibung aller Isometrien des n für die ersten drei Dimensionen geben. Generell wird eine derartige Katalogisierung immer aufwendiger, je höher die Dimension des Raumes ist. Für die wichtigen Spezialfälle n ≤ 3 ist aber eine überraschend übersichtliche und schöne Charakterisierung aller Isometrien möglich.

 In unserem Kongruenzbegriff führen Spiegelungen an Geraden im 2, Ebenen im 3, usw. zu kongruenten Figuren. Der Begriff identifiziert damit insbesondere gewisse Figuren des 3, die nicht durch „reale“ Bewegungen ineinander übergeführt werden können. Weiter gilt im 2 etwa, dass die Buchstaben „p“ und „q“ kongruent sind. Hier ist eine reale Überlagerung möglich, benötigt aber den Umweg über die dritte Dimension.

 Isometrien werden auch oft als starre Abbildungen bezeichnet. Die Wortwahl wird unterstützt durch die folgende Beobachtung:

Satz (Isometrien, die den Nullpunkt festhalten, sind winkeltreu)

Sei f : n  n eine Isometrie mit f (0) = 0.

Dann gilt für alle x, y  ∈  n:

w(f (x), f (y))  =  w(x, y).

Beweis

Die beiden Dreiecke x, 0, y und f (x), 0, f (y) im n haben die gleichen Seitenlängen, da f eine Isometrie ist. Hieraus folgt die Behauptung durch elementare Argumentation.

 Für beliebige Isometrien f : n  n gilt, dass die Winkel bei y bzw. bei f (y) in allen Dreiecken x, y, z und f (x), f (y), f (z) übereinstimmen.

 Als Korollar erhalten wir, dass Isometrien f mit f (0) = 0 auch das Skalarprodukt erhalten: Es gilt 〈 f (x), f (y) 〉 = 〈 x, y 〉 für alle x, y  ∈  n. Denn 〈 x, y 〉 · y ist die Projektion von x auf y für alle x, y  ∈  n. Diese Projektion hängt nur von der Länge der beiden Vektoren und ihrem Winkel ab. Also ist die Länge von 〈 x, y 〉 · y gleich der Länge von 〈 f (x), f (y) 〉 · f (y), und also 〈 x, y 〉 = 〈 f (x), f (y) 〉. (Vgl. auch obige Cosinus-Formel (c).)

 Umgekehrt ist eine Abbildung, die Skalarprodukte erhält, automatisch eine Isometrie f mit f (0) = 0. Dies werden wir unten beweisen.