Zur Geschichte der Untersuchung Euklidischer Isometrien

 Die Geschichte der Klassifikation der Euklidischen Isometrien ist eng mit der komplizierten Geschichte des Gruppenbegriffs und der linearen Algebra verbunden und verläuft damit über weite Strecken des 19. Jahrhunderts. Von großer inhaltlicher und historischer Bedeutung sind hier auch Symmetrie-Fragen, die insbesondere durch die Kristallographie motiviert sind, etwa die Klassifizierung der endlichen Untergruppen der O3 (begonnen von J. Hessel 1831 und A. Bravais 1850) und der sog. kristallographischen Gruppen: Eine Untergruppe G von n heißt kristallographisch, falls G diskret ist und eine kompakte Menge K ⊆ n existiert mit ⋃f  ∈  G f ″K = n. Eine Gruppe G heißt dabei diskret, falls für alle x  ∈  n ein ε > 0 existiert, sodass für alle f, g  ∈  G gilt: ∥f (x) − g(x)∥ < ε folgt f (x) = g(x).

 Die Geschichte dieses Problemkreises beginnt, wenn man so will, bei den Pythagoreern, die zeigten, dass es nur fünf regelmäßige Körper gibt, und führt über Kepler, der fast-reguläre Körper und Parkettierungen der Ebene betrachtete. Euler bewies 1758, dass sich jede „reale“ Bewegung im dreidimensionalen Raum als Komposition einer Rotation um den Nullpunkt und einer Translation darstellen lässt (siehe Teil (a) des obigen Satzes). Gruppentheoretische Ansätze zur Beschreibung und Klassifikation von Bewegungen finden sich später bei Michel Chasles (1830), Olinde Rodrigues (1840) und Louis Poinsot (1851). Camille Jordan untersuchte das Thema der räumlichen Bewegungen unter zum Teil kristallographisch motivierten Fragestellungen in seinem „Mémoire sur les groupes de mouvements“ [ Jordan 1869 ]. In dieser Arbeit wurde die Bedeutung der Gruppentheorie für die Geometrie sichtbar, der Begriff „Gruppe“ war bis dahin nur im Umfeld von Permutationen gebräuchlich. Das auch aus dem Kontakt mit Sophus Lie hervorgegangene Erlanger Programm von Felix Klein etablierte 1872 endgültig die Gruppentheorie innerhalb der Geometrie, und ab diesem Zeitpunkt ist die Untersuchung der Euklidischen Hauptgruppe und ihrer Untergruppen eine der ersten Fragestellungen dieser neuen Auffassung von „Geometrie“. Hinzu kam das wachsende Interesse an „Symmetrien“. Für eine „Figur“ A ⊆ n kann man ihren Symmetriegehalt mathematisch einfangen als die Gruppe aller Isometrien f mit f ″A = A. Hier spielen auch die negativen Isometrien eine Rolle, die in den ersten oft auch von der Mechanik motivierten Überlegungen noch nicht auftreten. Eine vollständige Klassifikation der kristallographischen Untergruppen des 2 und 3 gelang unabhängig voneinander E. S. Fedorov 1890 und Arthur Schoenflies 1891 (es gibt 17 Typen solcher Gruppen im 2 und 320 im 3). Hilberts 18. Problem stellte dann unter anderem die Frage nach der Klassifizierbarkeit für höhere Dimensionen, die Ludwig Bieberbach bereits 1910 positiv beantworten konnte (ohne die Anzahlen der Gruppen ausrechnen zu können).

 Wir verweisen den Leser auf [ Scholz 1989 ] und die dortige Literatur für eine ausführlichere Diskussion einiger Aspekte der Geschichte. Für eine Analyse der endlichen Untergruppen der O3 siehe [ Sternberg 1994 ]. Eine Klassifizierung der kristallographischen Gruppen für die Dimensionen zwei und drei findet sich in [ Burckhardt 1966 ].