Die natürliche Topologie auf den Folgenräumen
Nach diesen notationellen Vorbereitungen versehen wir nun die Folgenräume ℕA = { f | f : ℕ → A } mit der sich aufdrängenden Topologie.
Definition (Baireraum, Cantorraum, Folgenräume, natürliche Folgen)
Für eine Menge A versehen wir die Menge ℕA mit der von { NAs | s ∈ SeqA } ⊆ ℘(ℕA) erzeugten Topologie.
Wir nennen ℕA dann auch den Folgenraum über dem Alphabet A.
Wir setzen speziell:
𝒩 | = ℕℕ | = { f | f : ℕ → ℕ }, |
𝒞n | = ℕn | = { f | f : ℕ → n } für n ≥ 2, |
𝒞 | = 𝒞2. |
𝒩 heißt der Baireraum, 𝒞 der Cantorraum.
Die Elemente von 𝒩 heißen auch natürliche Folgen.
Die Bezeichnung 𝒩 statt ℕℕ soll gerade anzeigen, dass wir die Menge aller natürlichen Folgen als topologischen Raum auffassen und nicht nur als nackte Menge. Für ℕA ist die Topologie implizit mit dabei.
Visualisierung der offenen Menge Ns für s = (3, 9, 2): Ns besteht aus allen Funktionen f mit der Eigenschaft f|3 = s, also allen Funktionen im Bereich „…“.
Ist B ⊆ A, so ist die Topologie auf ℕB genau die Relativtopologie von ℕA: V ist offen in ℕB genau dann, wenn V = U ∩ ℕB für ein in ℕA offenes U gilt.
Stellen wir uns eine nichtleere Menge A als ein Alphabet vor, so ist ℕA die Bibliothek aller unendlichen Bücher, geschrieben mit den Zeichen von A. Zwei Bücher stehen in der Bibliothek (der Topologie) nahe beieinander, wenn sie über viele Seiten hinweg übereinstimmen. Die Bibliothek hat |A|ω Elemente und damit die Mächtigkeit 2ω der reellen Zahlen für alle abzählbaren Mengen A mit mindestens zwei Elementen.
Sind s, t ∈ Seq, so sind Ns und Nt ineinander enthalten oder disjunkt. Somit bildet { Ns | s ∈ Seq } eine Basis (und nicht nur eine Subbasis) der Topologie:
U ⊆ 𝒩 ist offen gdw U = ⋃ { Ns | s ∈ Seq, Ns ⊆ U }.
Für beliebige X ⊆ 𝒩 sei Seq(X) = { s ∈ Seq | Ns ⊆ X }. Dann gilt für das Innere von X die Gleichung int(X) = ⋃s ∈ Seq(X)Ns.
Die Topologie auf 𝒞 ist die Relativtopologie von 𝒩. Weiter ist die Topologie von 𝒩 die Produkttopologie der diskreten Topologie auf ℕ, bei der jede Teilmenge von ℕ offen ist. Die Topologie auf 𝒩 kann zum Beispiel metrisiert werden durch:
d(f, g) | = 1/(δ(f, g) + 1), für f ≠ g, und |
d(f, f) | = 0. |
Diese mit der Topologie kompatible Metrik ist zudem vollständig:
Übung
𝒩 ist bzgl. dieser Metrik vollständig.
Allgemeiner ist jeder Folgenraum vollständig metrisierbar.
Die Konvergenz einer Folge 〈 fn | n ∈ ℕ 〉 in 𝒩 bedeutet, dass sich die Anfangsstücke der fn stabilisieren: Für alle m ∈ ℕ existiert ein s ∈ Seq und ein n0 ∈ ℕ mit fn|m = s für alle n ≥ n0. Äquivalent hierzu ist: Für alle k ∈ ℕ ist 〈 fn(k) | n ∈ ℕ 〉 schließlich konstant. Die Vereinigung der schließlich konstanten Werte bildet den Grenzwert der Folge. Der Leser vergleiche diese klare Stabilitätseigenschaft noch einmal mit der Limesaussage 0,0999… = 0,100… für ℝ.