Borel-Determiniertheit
Wir zeigen nun, dass jede Borel-Menge eines Folgenraumes ℕA determiniert ist (für beliebige Mengen A).
Der folgende Beweis folgt der Veröffentlichung [ Martin 1985 ], die ihrerseits eine vereinfachende Neuorganisation des ersten Beweises von Martin aus dem Jahr 1975 darstellt.
Überdeckungen eines Regelbaumes
Wir entwickeln zuerst den technischen Hilfsbegriff einer Überdeckung eines Regelbaumes T. Die Idee ist, ein gegebenes Spiel durch ein zweites Spiel mit einem neuen Regelbaum T′ zu analysieren, in welchem die Gewinnmenge sowohl abgeschlossen als auch offen ist. Die topologische Einfachheit der Gewinnmenge wird durch eine Erhöhung der Komplexität des Alphabetes A(T′) des zweiten Regelbaumes T′ erreicht. Der Beweis der Borel-Determiniertheit für alle Borelmengen P ⊆ [ T ] verläuft dann durch eine Induktion der Länge ω1 entlang der Borel-Hierarchie von [ T ] ⊆ ℕA(T), und zwar simultan für alle Regelbäume T. De facto zeigen wir induktiv sogar eine Verstärkung der Determiniertheit.
Die folgende Argumentation ist das Ergebnis einer jahrelangen Suche nach einem Beweis der Determiniertheit aller Borel-Mengen, vgl. hierzu auch die historische Übersicht am Ende des Kapitels. Der Leser möge dies bedenken, wenn er etwas mehr Zeit als sonst benötigt, um sich mit den folgenden Begriffen und Konstruktionen anzufreunden. Insgesamt hat der Beweis eine ebenso klare wie interessante Struktur. Die Hauptarbeit ist die Begriffsbildung, und das Herzstück des Beweises ist dann eine Verstärkung des Satzes von der Determiniertheit abgeschlossener Spiele.
Wir beginnen mit einigen notationellen Vorbereitungen. Zunächst definieren wir partielle Strategien:
Definition (S|n)
Seien A eine Menge, S ⊆ SeqA, n ∈ ℕ. Dann setzen wir:
S|n = { s ∈ S | |s| ≤ n }.
Jedes S|n heißt auch eine partielle Strategie oder Teilstrategie in T.
Weiter brauchen wir eine Notation für alle Strategien in einem Regelbaum:
Definition (𝒮I(T), 𝒮II(T), 𝒮(T))
Sei T ein Regelbaum. Dann setzen wir:
𝒮I(T) | = { S | S ist eine Strategie für Spieler I in T }, |
𝒮II(T) | = { S | S ist eine Strategie für Spieler II in T }, |
𝒮(T) | = 𝒮I(T) ∪ 𝒮II(T). |
Der Schlüsselbegriff ist nun:
Definition (k-Überdeckung eines Regelbaumes)
Sei T ein Regelbaum, und sei k ∈ ℕ.
〈 T′, ρ, σ 〉 heißt eine k-Überdeckung von T, falls gilt:
(a) | T′ ist ein Regelbaum. |
(b) | ρ : T′ → T ist monoton und es gilt |ρ(t)| = |t| für alle t ∈ T′. |
Wir setzen weiter ρ(f) = ⋃n ∈ ℕ ρ(f|n) für alle f ∈ [ T′ ].
(c1) | σ : 𝒮(T′) → 𝒮(T). |
(c2) | Für alle S1 ∈ 𝒮I(T′) und S2 ∈ 𝒮II(T′) gilt: σ(S1) ∈ 𝒮I(T) und σ(S2) ∈ 𝒮II(T). |
(c3) | Für alle n ∈ ℕ und alle S1, S2 ∈ 𝒮(T′) gilt: Ist S1|n = S2|n, so ist σ(S1)|n = σ(S2)|n. |
Wir setzen weiter σ(S|n) = σ(S)|n für alle S ∈ 𝒮(T′) und n ∈ ℕ.
(d) | Für alle S ∈ 𝒮(T′) gilt: Ist f ∈ [ σ(S) ], so existiert ein f ′ ∈ [ S ] mit ρ(f ′) = f. |
(e) | T′|2k = T|2k und ρ(t) = t für alle t ∈ T′|2k. |
Die induzierte Abbildung ρ : [ T′ ] → [ T ] ist nach (b) insbesondere stetig. Ebenso ist (c3) eine Stetigkeitsbedingung für die Strategien übersetzende Abbildung σ. Wir können σ als eine Abbildung lesen, die in monotoner Weise auf Teilstrategien operiert. Eigenschaft (d) erlaubt es, Gewinnstrategien des Hilfsspiels in Gewinnstrategien des ursprünglichen Spiels zu übersetzen (siehe auch den Satz unten; hierzu werden die Stetigkeitseigenschaften gar nicht gebraucht). Schließlich klärt die letzte Eigenschaft (e) die Rolle von k.
Eine einfache Folgerung ist:
Lemma
Sei 〈 T′, ρ, σ 〉 eine k-Überdeckung von T.
Dann gilt σ(S|2k) = S|2k für alle S ∈ 𝒮(T′).
Beweis
Sei S ∈ 𝒮I(T′). Nach (d) und (e) gilt σ(S)|2k ⊆ S|2k.
Da σ(S) eine Strategie für I in T ist, folgt automatisch auch S|2k ⊆ σ(S)|2k = σ(S|2k).
Analoge Überlegungen gelten für Strategien S ∈ 𝒮II(T′).
In einem induktiven Beweis der Borel-Determiniertheit wird eine Borelmenge als abzählbare Vereinigung von einfacheren Borel-Mengen vorliegen, deren Determiniertheit bereits gezeigt ist. Der Überdeckungsansatz ruft dann entsprechend auch noch abzählbare kommutative Systeme von Überdeckungen auf den Plan:
Definition (Überdeckungssystem)
Ein System 〈 Ti, ρj, i, σj, i | i, j ∈ ℕ, i ≤ j 〉 heißt ein kommutatives Überdeckungssystem der Stufe k ∈ ℕ, falls gilt:
(i) | 〈 Tj, ρj, i, σj, i 〉 ist eine (k + i)-Überdeckung von Ti für alle i ≤ j, |
(ii) | ρi, i = id|Ti | für alle i ∈ ℕ, |
(iii) | σi, i = id|𝒮(Ti) | für alle i ∈ ℕ, |
(iv) | ρi1, i0 ∘ ρi2, i1 = ρi2, i0 | für alle i0 ≤ i1 ≤ i2, |
(v) | σi1, i0 ∘ σi2, i1 = σi2, i0 | für alle i0 ≤ i1 ≤ i2. |
Zeichnen wir Abbildungspfeile wie üblich von links nach rechts, so läuft ein solches System also nach „minus unendlich“. Es existiert dann ein natürlicher Limesbegriff:
Definition (inverse Limiten von Überdeckungssystemen)
Sei 〈 Ti, ρj, i, σj, i | i, j ∈ ℕ, i ≤ j 〉 ein kommutatives Überdeckungssystem der Stufe k, und seien Tω, ρω, i, σω, i für alle i ∈ ℕ derart, dass gilt:
(i) | 〈 Tω, ρω, i, σω, i 〉 ist eine (k + i)-Überdeckung von Ti für alle i ∈ ℕ, |
(ii) | ρj, i ∘ ρω, j | = ρω, i | für alle i ≤ j, |
(iii) | σj, i ∘ σω, j | = σω, i | für alle i ≤ j. |
Dann heißt 〈 Tω, ρω, i, σω, i | i ∈ ℕ 〉 der inverse Limes des Systems, in Zeichen
〈 Tω, ρω, i, σω, i | i ∈ ℕ 〉 = inv limi, j → ∞ 〈 Ti, ρj, i, σj, i | i, j ∈ ℕ, i ≤ j 〉.
Bei einem Überdeckungssystem stabilisieren sich die Anfangsstücke der beteiligten Bäume und Abbildungen, und wir erhalten:
Satz (Existenz und Eindeutigkeit des inversen Limes)
Sei 〈 Ti, ρj, i, σj, i | i, j ∈ ℕ, i ≤ j 〉 ein kommutatives Überdeckungssystem der Stufe k. Dann existiert der inverse Limes des Systems.
Beweis
Wir setzen:
Tω | = ⋃i ∈ ℕ Ti|2(k + i), | |
ρω, i | = ⋃j ≥ i ρj, i|(Tj|2(k + j)) | für alle i ∈ ℕ, |
σω, i(S) | = ⋃j ≥ i σj, i(S|2(k + j)) | für alle i ∈ ℕ und S ∈ 𝒮(Ti). |
Dann ist 〈 Tω, ρω, i, σω, i | i ∈ ℕ 〉 der inverse Limes des Systems, wie man leicht überprüft.
Lösungen eines Spiels
Die gesuchten k-Überdeckungen eines Regelbaumes T für ein gegebenes Spiel G(P, T) beschreibt der folgende Begriff:
Definition (Lösung eines Spiels)
Sei G(P, T) ein Spiel, und sei 〈 T′, ρ, σ 〉 eine k-Überdeckung von T.
〈 T′, ρ, σ 〉 heißt eine k-Lösung des Spiels G(P, T), falls gilt:
ρ−1″P ist offen und zugleich abgeschlossen in [ T′ ].
Im Englischen ist hier der Begriff unravelling gebräuchlich, mit unravel = „entwirren, enträtseln, entflechten“.
Wir werden induktiv die Existenz von Lösungen für alle Borelspiele G(P, T) zeigen. Dies genügt, denn die Existenz einer Lösung von G(P, T) impliziert die Determiniertheit des Spiels G(P, T). Genauer gilt:
Satz (Existenz von Lösungen und Determiniertheit)
Sei 〈 T′, ρ, σ 〉 eine k-Lösung eines Spiels G(P, T).
Dann ist G(P, T) determiniert. Genauer gilt:
Sei P′ = ρ−1″P, und seien SI und SII die übergeordneten Optionsstrategien für I und II in G(P′, T′). Dann ist SI eine Gewinnstrategie für I oder SII eine Gewinnstrategie für II in G(P′, T′). Im ersten Fall ist σ(S) eine Gewinnstrategie für I in G(P, T) für jede Strategie S ⊆ SI. Analoges gilt für den zweiten Fall.
Beweis
Unter Verwendung der Ergebnisse über offene und zugleich abgeschlossene
Spiele aus Kapitel 5 folgt die Behauptung unmittelbar aus den Eigenschaften (c2) und (d) einer k-Überdeckung.
Unmittelbar aus der Definition folgt weiter auch:
Satz
Sei 〈 T′, ρ, σ 〉 eine k-Lösung eines Spiels G(P, T).
Dann ist 〈 T′, ρ, σ 〉 auch eine k-Lösung des Spiels G([ T ] − P, T).
Damit ist der Komplement-Schritt in einem Beweis der Lösbarkeit von Spielen entlang der Borel-Hierarchie trivial.
Wir beweisen nun eine Verstärkung des Satzes von der offenen und abgeschlossenen Determiniertheit, indem wir die k-Lösbarkeit abgeschlossener Spiele zeigen für alle k ∈ ℕ.
Der Parameter k läuft hier problemlos mit, und der Leser kann ihn beim ersten Lesen gleich 0 setzen. Für den Limesschritt des induktiven Beweises ist es dann aber wichtig, dass die Hilfsspiele ein beliebig großes Anfangsstück des originalen Regelbaumes übernehmen können.
Satz (Existenz von Lösungen für abgeschlossene Spiele)
Sei G(P, T) ein Spiel, und sei P abgeschlossen. Weiter sei k ∈ ℕ.
Dann existiert eine k-Lösung 〈 T′, ρ, σ 〉 von G(P, T).
Beweis
Im Regelbaum T′ spielen I und II abwechselnd wie folgt:
I | a0 | a2 | a2k, S1 | a2k + 2 | … | |||||
II | a1 | … | a2k + 1, S2 | a2k + 3 | …, |
wobei
(i) | 〈 a0, …, an 〉 ∈ T für alle n ∈ ℕ (d. h. bis auf die beiden zusätzlich gespielten Objekte S1 und S2 verläuft das Spiel in T). |
(ii) | S1 ist eine Optionsstrategie für I in T〈 a0, …, a2k 〉. |
(iii) | S2 ⊆ S1 ist eine Optionsstrategie für II in T〈 a0, …, a2k 〉 mit [ S2 ] ⊆ P, oder S2 = Ts für ein s ∈ S1 mit [ Ts ] ∩ P = ∅. |
(iv) | 〈 a0, …, an 〉 ∈ S2 für alle n ∈ ℕ. |
Die vierte Bedingung beinhaltet die erste, der besseren Lesbarkeit halber starten wir aber mit (i). Die Intention ist: Ab der Stelle 2k + 1 verläuft jede Partie in S2. Es gilt zudem S2 ⊆ S1. Zwei T′-Spieler spielen also wie in T, reduzieren aber zweimal den Regelbaum T: Spieler I zwingt das Spiel in S1, Spieler II zwingt das Spiel in S2, wobei er die Vorgabe S1 seines Kontrahenten beachten muss. Für Partien in T′ werden diese Reduzierungen zu Zugmöglichkeiten, und folglich greifen Strategien für Spiele in T′ auf alle Optionsstrategien S1 und S2 in T wie in (ii) und (iii) zurück. Das Alphabet A(T′) hat die Komplexität von ℘(A(T)), vgl. auch die Bemerkung zum Beweis unten.
Wir sagen auch, dass Spieler II die erste oder zweite Option an der Stelle a2k + 1 wählt, je nachdem, welche der beiden Aussagen in (iii) für die gespielte Partie 〈 a0, a1, …, (a2k, S1), (a2k + 1, S2), a2k + 2, … 〉 ∈ [ T′ ] gilt.
Ist [ S1 ] ⊆ P, so ist jedes S2 ⊆ S1 für II als erste Option geeignet. Aufgrund der Abgeschlossenheit von P ∩ [ S1 ] kann Spieler II die zweite Option wählen, falls non([ S1 ] ⊆ P). Damit ist T′ tatsächlich ein Regelbaum.
Die Abbildung ρ : [ T′ ] → [ T ] wird einfach definiert durch Streichen der zusätzlichen Objekte S1 und S2, d. h. wir setzen:
ρ(〈 a0, a1, …, (a2k, S1), (a2k + 1, S2), a2k + 2, … 〉) = 〈 a0, a1, …, an, … 〉.
Dann ist P′ = ρ−1″ P offen und abgeschlossen in [ T′ ], denn für alle f ′ ∈ [ T′ ] gilt:
f ′ ∈ P′ gdw „Spieler II spielt in f ′ die erste Option an der Stelle a2k + 1“.
Also steht nach endlicher Zeit fest, ob f ′ in P′ liegt oder nicht, und damit ist P′ offen und abgeschlossen in [ T′ ].
Es bleibt also noch die Abbildung σ zu definieren. Wir beschreiben σ informal. Die geforderten Eigenschaften einer k-Überdeckung werden durch die Konstruktion sichergestellt.
Konstruktion von σ(S) für eine gegebene Strategie S ∈ 𝒮I(T′):
σ(S) verläuft bis 2k − 1 genau wie S, d. h. wir setzen
σ(S)|2k = S|2k.
Für t = 〈 a0, …, a2k − 1 〉 ∈ S|2k = σ(S)|2k sei
(a2k, S1) = S(t)
der Zugvorschlag von S an der Position t. Wir setzen dann:
σ(S)(t) = a2k,
d. h. σ(S) folgt dem Vorschlag von S (das T′-Hilfsobjekt S1 ignorierend).
Der weitere Verlauf von σ(S) in T wird wie folgt gegeben:
1. Fall: II gewinnt das offene Spiel G([ S1 ] − P, [ S1 ]).
Sei dann S2 die übergeordnete Optionsstrategie für II, d. h. die Menge der für II nicht verlorenen Positionen in diesem Spiel.
Sei nun a2k + 1 der Zug von II an der T-Position 〈 a0, …, a2k 〉 ∈ σ(S).
Wir unterscheiden zur weiteren Definition der Zugvorschläge von σ(S), ob 〈 a0, …, a2k + 1 〉 ∈ S2 gilt oder nicht.
Ist 〈 a0, …, a2k + 1 〉 ∈ S2, so folgt σ(S) den Zugvorschlägen der Strategie S ab der T′-Position 〈 a0, …, a2k − 1, (a2k, S1), (a2k + 1, S2) 〉 ∈ S, beachtet aber den folgenden, möglicherweise eintretenden Fall:
(+) | Wird eine Position t* ∉ S2 erreicht, so spielt σ(S) nach einer fest gewählten Gewinnstrategie für I ab t* in G([ S1 ] − P, [ S1 ]), bis eine Position s* erreicht ist mit [ Ts* ] ∩ P = ∅. |
Eine solche Position s* wird wegen der Abgeschlossenheit von P tatsächlich erreicht. |
Ab dieser Stelle folgt σ(S) den Zugvorschlägen von S oberhalb der T′-Position s′ mit den Eigenschaften: |
(i) | ρ(s′) = s*, |
(ii) | 〈 a0, …, a2k − 1, (a2k, S1), (a2k + 1, Ts*) 〉 ≤ s′. |
Ist dagegen 〈 a0, …, a2k + 1 〉 ∉ S2, so verfährt σ(S) sofort gemäß den Anweisungen in (+). (Die Position 〈 a0, …, a2k + 1 〉 ist verloren für Spieler II in G([ S1 ] − P, [ S1 ]) nach Definition von S2.)
2. Fall: II verliert das offene Spiel G([ S1 ] − P, [ S1 ]).
σ(S) folgt dann ebenfalls sofort den Anweisungen wie in (+).
(Aufgrund der Determiniertheit dieses Spiels besitzt I eine Gewinnstrategie in G([ S1 ] − P, [ S1 ]).)
Konstruktion von σ(S) für eine gegebene Strategie S ∈ 𝒮II(T′):
Wir setzen wieder
σ(S)|2k = S|2k.
Sei nun 〈 a0, …, a2k 〉 ∈ T mit 〈 a0, …, a2k − 1 〉 ∈ S, d. h. I hat zuletzt a2k gespielt in einer bislang gemäß S gespielten Partie.
Zur Beschreibung der Strategie σ(S) ab 〈 a0, …, a2k 〉 führen wir ein zusätzliches Spiel ein. Wir setzen hierzu:
R = { f ∈ [ T ] | Es existiert kein s < f mit:
Es gibt ein S1 mit t = 〈 a0, …, a2k − 1, (a2k, S1) 〉 ∈ T′, sodass S(t) ein Zug der Form (a, Ts) gemäß der zweiten Option ist. }
R ist offenbar abgeschlossen.
Wir betrachten das Spiel G(R, T). II gewinnt eine Partie f dieses Spiels genau dann, wenn ein 〈 a0, …, a2k 〉 ≤ s* < f und S*, a* existieren mit:
(i) | [ Ts* ] ∩ P = ∅, |
(ii) | 〈 a0, …, a2k − 1, (a2k, S*), (a*, Ts*) 〉 ∈ S. |
Ts* in (ii) ist dann nach der zweiten Option gespielt.
Nach diesen Vorbereitungen können wir nun den Verlauf von σ(S) in T weiter angeben.
1. Fall: I gewinnt das abgeschlossene Spiel G(R, T〈 a0, …, a2k 〉).
Sei dann S1 die übergeordnete Optionsstrategie für I, d. h. die Menge der für I nicht verlorenen Positionen in diesem Spiel.
σ(S) folgt nun den Zugvorschlägen von S ab der T′-Position 〈 a0, …, a2k − 1, (a2k, S1) 〉, beachtet aber den folgenden Fall:
(+) | Wird eine Position t* ∉ S1 erreicht, so spielt σ(S) nach einer fest gewählten Gewinnstrategie für II ab t* in G(R, T), bis eine Position s* erreicht ist, für die S* und a* wie in (ii) existieren. |
Ab dieser Stelle folgt σ(S) den Zugvorschlägen von S oberhalb der T′-Position s′ mit den Eigenschaften: |
(i) | ρ(s′) = s*, |
(ii) | 〈 a0, …, a2k − 1, (a2k, S*), (a*, Ts*) 〉 ≤ s′. |
2. Fall: I verliert das abgeschlossene Spiel G(R, T〈 a0, …, a2k 〉).
σ(S) folgt dann sofort den Anweisungen wie in (+).
(Aufgrund der Determiniertheit dieses Spiels besitzt II eine Gewinnstrategie in G(R, T〈 a0, …, a2k 〉).
Damit ist die Konstruktion der k-Lösung 〈 T′, ρ, σ 〉 von G(P, T) abgeschlossen.
Determiniertheit von Borel-Spielen
Damit haben wir alle Bausteine für einen relativ einfachen induktiven Beweis der Existenz von Lösungen für Borelspiele zusammen:
Satz (Lösungen für Borelspiele und Borel-Determiniertheit)
Sei G(P, T) ein Spiel, und P sei eine Borel-Menge des Raumes [ T ] ⊆ ℕA(T).
Dann existiert eine k-Lösung von G(P, T) für alle k ∈ ℕ.
Insbesondere ist G(P, T) determiniert.
Beweis
Wir zeigen durch Induktion über alle 1 ≤ α < ω1:
(+) | Für alle Regelbäume T und alle P ∈ Π0α([ T ]) ∪ Σ0α([ T ]) gilt: |
Für alle k ∈ ℕ existiert eine k-Lösung 〈 T′, ρ, σ 〉 von G(P, T). |
Induktionsanfang α = 1, P ∈ Π01([ T ]):
Der obige Satz über abgeschlossene P liefert die Behauptung.
Induktionsschritt α = 1, P ∈ Σ01([ T ]):
Eine k-Lösung für G([ T ] − P, T) ist auch eine k-Lösung für P und existiert für alle k ∈ ℕ wegen [ T ] − P ∈ Π01([ T ]) nach I. V.
Induktionsschritt 1 < α < ω1, P ∈ Σ0α([ T ]):
Sei k ∈ ℕ fest. Seien αi < α und Pi ∈ Π0αi([ T ]) für i ∈ ℕ mit
P = ⋃i ∈ ℕ Pi.
Wir definieren rekursiv 〈 Ti, ρi, σi 〉 und Pi′ ⊆ [ Ti ] für i ∈ ℕ durch:
〈 Ti + 1, ρi + 1, σi + 1 〉 = „eine (k + i)-Lösung von G(Pi′, Ti)“, wobei
T0 = T, P0′ = P0 und Pi′ = ρi−1″ … ρ1−1″ Pi für alle i ≥ 1. |
Alle ρj + 1 : [ Tj + 1 ] → [ Tj ] sind stetig. Also ist Pi′ ∈ Σ0αi([ Ti ]) für i ∈ ℕ.
Wir führen den Beweis simultan für alle T, haben also für alle Pi′ ⊆ [ Ti ] die k′-Lösbarkeit von G(Pi′, [ Ti ]) für alle k′ ∈ ℕ als I. V. zur Verfügung.
Sei 〈 Ti, ρj, i, σj, i | i, j ∈ ℕ, i ≤ j 〉 das von dieser Konstruktion erzeugte kommutative Überdeckungssystem der Stufe k, d. h. für j > i, i ∈ ℕ sei
ρi, i = id|Ti, σi, i = id|𝒮(Ti), ρj, i = ρj ∘ … ∘ ρi, σj, i = σj ∘ … ∘ σi.
Sei weiter 〈 Tω, ρω, i, σω, i | i ∈ ℕ 〉 der inverse Limes des Systems.
Dann ist 〈 Tω, ρω, 0, σω, 0 〉 eine k-Lösung von G(Pi, T) für alle i ∈ ℕ.
Weiter ist Pω = ρω, 0−1″ P = ⋃i ∈ ℕ ρω, 0−1″ Pi offen in [ Tω ].
Sei also 〈 T*, ρ*, σ* 〉 eine k-Lösung von G(Pω, Tω) nach I. V.
Dann ist 〈 T*, ρω, 0 ∘ ρ*, σω, 0 ∘ σ* 〉 eine k-Lösung von G(P, T).
Induktionsschritt 1 < α < ω1, P ∈ Π0α([ T ]):
Wie im Fall α = 1, P ∈ Σ01([ T ]).
Insgesamt greift der Beweis der Borel-Determiniertheit in unüblicher Weise auf die Stärke der Axiomatik ZFC zurück. Die Potenzmengenbildung, die im Induktionsschritt die Existenz der Lösungen garantiert, wird ω1-oft iteriert. Es wird die Existenz der Folge 〈 ℘α(ℕ) | α < ω1 〉 verwendet, wobei
℘0(ℕ) | = ℕ, | |
℘α + 1(ℕ) | = ℘(℘α(ℕ)) | für α < ω1, |
℘λ(ℕ) | = ⋃α < λ ℘α(ℕ) | für Limiten λ < ω1. |
Für die Existenz dieser Folge muss neben dem Potenzmengenaxiom weiter das Ersetzungsschema der ZFC-Axiomatik bemüht werden, das außerhalb der Mengenlehre nur selten verwendet wird (und in der ersten mengentheoretischen Axiomatik von Zermelo 1908 auch fehlte).
Harvey Friedman zeigte bereits 1971, dass die Verwendung derart komplexer Hilfsmengen für einen Beweis der Boreldeterminiertheit unvermeidlich ist. Martins Beweis ist in diesem Sinne bestmöglich. Damit wird auch im Bereich von ZFC die Erfahrung gestützt, dass nur mit Hilfe komplizierter, von den reellen Zahlen „weit entfernten“ Mengen bewiesen werden kann, dass bestimmte Punktklassen reeller Zahlen determiniert sind. Die Menge ℘(ℕ) braucht zu ihrer Untersuchung einen gewaltigen mengentheoretischen Überbau, wenn man auf die Determiniertheit möglichst vieler Mengen reeller Zahlen abzielt oder diese als wünschenswert (oder sogar wahr) erachtet.