3. Algebraische Strukturen
Wir stellen einige grundlegende Dinge über Gruppen, Körper und Vektorräume zusammen.
Gruppen
Definition (Gruppe)
Sei G eine Menge, und sei ∘ : G2 → G.
Die Struktur 〈 G, ∘ 〉 heißt eine Gruppe, falls gilt:
(i) | (x ∘ y) ∘ z = x ∘ (y ∘ z) für alle x, y, z ∈ G. (Assoziativgesetz) |
(ii) | Es existiert ein e ∈ G mit:
|
Die Funktion ∘ heißt auch die Gruppenoperation von 〈 G, ∘ 〉. Ist die Operation klar, nennt man auch die Menge G eine Gruppe. Eine Operation ist dann stillschweigend mit dabei. Diese Identifikation einer Struktur mit ihrer Trägermenge vereinfacht hier und in vielen anderen Fällen das Sprechen, ist aber nicht immer ungefährlich.
Obige Definition ist kürzer als die etwas verbreitetere Version, die die stärkeren Gleichungen x ∘ e = e ∘ x = e und x ∘ y = y ∘ x = e fordert. Wir zeigen noch, dass diese Gleichungen automatisch richtig sind:
Sei y ein Rechtsinverses von x, d. h. es gilt x ∘ y = e. Dann existiert ein z ∈ G mit y ∘ z = e. Wir rechnen:
y ∘ x = y ∘ x ∘ e = y ∘ x ∘ y ∘ z = y ∘ e ∘ z = y ∘ z = e.
Also ist jedes Rechtsinverse von x auch ein Linksinverses von x, und wir reden deswegen nur noch von Inversen.
Sei e′ ∈ G rechtsneutral, d. h. x ∘ e′ = x für alle x. Dann ist speziell e ∘ e′ = e, also ist e′ ein Inverses von e. Also e′ = e′ ∘ e = e. Ein rechtsneutrales Element ist also eindeutig bestimmt.
Sei x ∈ G, und sei y invers zu x. Dann gilt e ∘ x = x ∘ y ∘ x = x ∘ e = x. Also ist e auch linksneutral, und wir reden deswegen nur noch von neutral. Nach Eindeutigkeit ist dann e das neutrale Element der Gruppe.
Sind y und y′ invers zu x, so gilt y = y ∘ e = y ∘ x ∘ y′ = e ∘ y′ = y′. Ein inverses Element von x ist also eindeutig. Wir bezeichnen es mit x−1.
Gilt x ∘ z = y ∘ z für x, y, z, so gilt x = x ∘ e = x ∘ z ∘ z−1 = y ∘ z ∘ z−1 = y ∘ e = y. Eine analoge Kürzungsregel gilt auch links, d. h. aus z ∘ x = z ∘ y folgt x = y. Das aus der Schule bekannte Kürzen ist also eigentlich ein Multiplizieren mit einem Inversen.
Eng verwandt mit der Kürzungsregel ist die Beobachtung: Für alle x ∈ G ist die Funktion rx : G → G bijektiv, wobei rx(y) = y ∘ x für alle y ∈ G. Analog ist die Gruppenoperation für jeden festen linken Faktor eine Bijektion auf G.
Für x ∈ G und z ∈ ℤ ist xz in der üblichen Weise rekursiv definiert:
x0 = e, xn + 1 = xn ∘ x für alle n ∈ ℕ, und weiter
x− n = (xn)− 1 für alle n ∈ ℕ.
Es gelten alle vertrauten Rechenregeln der Exponentiation.
Neben e ist 1 (oder 1G) das beliebteste Zeichen für das neutrale Element. Als Gruppenoperation dient oftmals ein schlichter Malpunkt, der dann darüber hinaus gerne weggelassen wird. So meint xy also x · y.
Definition (abelsche Gruppen)
Eine Gruppe 〈 G, ∘ 〉 heißt abelsch oder kommutativ, falls gilt:
(+) x ∘ y = y ∘ x für alle x, y ∈ G.
Für abelsche Gruppen ist die obige Argumentation linksinvers = rechtsinvers und linksneutral = rechtsneutral trivial. Es ist bemerkenswert, dass die Identitäten für alle Gruppen zusammenfallen. Bezüglich invers und neutral ist jede Gruppe kommutativ.
Abelsche Gruppen schreibt man oft additiv in der Form 〈 G, + 〉. In diesem Fall schreibt man weiter −x statt x−1 für das Inverse von x. Standardsymbol für das neutrale Element ist dann 0. Statt xz schreiben wir für abelsche Gruppen zx. So ist z. B. 0x = 0 und (− 3)x = −(x + x + x).
Das einfachste Beispiel für eine nicht abelsche Gruppe ist
G = { f : { 1, 2, 3 } → { 1, 2, 3 } | f ist bijektiv }
unter der Komposition als Gruppenoperation. Dagegen ist ℤ mit der üblichen Addition als Gruppenoperation eine abelsche Gruppe.
Es gibt also abelsche und nichtabelsche Gruppen. Man sagt auch: Das Axiom (+) der Kommutativität ist unabhängig von den Gruppenaxiomen (i) und (ii). Es lässt sich mit Hilfe der Gruppenaxiome weder beweisen noch widerlegen. Das ist vollkommen analog zur Unabhängigkeit der Kontinuumshypothese (CH), nur dass die zugrunde liegende Struktur im Falle von (CH) nicht mehr eine schlichte Gruppe ist, sondern ein Modell der (axiomatisch eingefangenen) klassischen Mathematik selber.
Ein U ⊆ G heißt eine Untergruppe einer Gruppe 〈 G, ∘ 〉, falls 〈 U, ∘|U2 〉 eine Gruppe ist. Dies beinhaltet die Abgeschlossenheit von U unter der Gruppenoperation ∘, d. h. es gilt rng(∘|U2) ⊆ U. Ein U ⊆ G ist nach dem Untergruppenkriterium genau dann eine Untergruppe von G, wenn U ≠ ∅ und x ∘ y−1 ∈ U für alle x, y ∈ U gilt.
Körper und Ringe
Definition (Körper)
Sei K eine Menge, und seien +, · : K2 → K. 〈 K, +, · 〉 heißt ein Körper, falls gilt:
(i) | 〈 K, + 〉 ist eine abelsche Gruppe (mit neutralem Element 0). |
(ii) | 〈 K*, ·|K*2 〉 ist eine abelsche Gruppe, wobei K* = K − { 0 }. |
(iii) | x · (y + z) = (x · y) + (x · z), (y + z) · x = (y · x) + (z · x) für alle x, y, z ∈ K. |
Statt des zweiten Distributivgesetzes in (iii) kann man auch „0 · x = 0 für alle x ∈ K“ fordern oder gleichwertig, dass die Multiplikation auf ganz K kommutativ ist. Dann folgt das zweite Distributivgesetz aus dem ersten und der Kommutativität der Multiplikation.
Die Strukturen 〈 ℝ, +, · 〉 und 〈 ℚ, +, · 〉 sind Körper (unter den üblichen Operationen + und ·).
Verzichtet man auf die Forderung nach der Existenz von inversen Elementen für die Multiplikation, so gelangt man zum umfassenderen Begriff eines kommutativen Ringes (mit Einselement). Das Standardbeispiel für einen solchen Ring ist die Struktur 〈 ℤ, +, · 〉. Allgemeine Ringe (mit Einselement) erhält man schließlich, wenn man zudem noch auf die Kommutativität der Multiplikation verzichtet.
Vektorräume
Definition (K-Vektorraum)
Seien 〈 V, + 〉 eine abelsche Gruppe, 〈 K, +K, ·K 〉 ein Körper, und sei · : K × V → V.
〈 V, + 〉 heißt ein K-Vektorraum unter der Skalarmultiplikation ·, falls für alle α, β ∈ K und alle v, w ∈ V gilt:
(i) | 1 · v | = v, |
(ii) | α · (β · v) | = (α ·K β) · v, |
(iii) | α · (v + w) | = (α · v) + (α · w), |
(iv) | (α +K β) · v | = (α · v) + (β · v). |
Die Elemente von V heißen dann auch Vektoren, und + heißt die Vektoraddition. K heißt weiter auch der Skalarenkörper des Vektorraumes.
〈 V, + 〉 heißt ein reeller Vektorraum, falls K = ℝ gilt.
Es ist ungefährlich, die K-Indizes an +K und ·K wegzulassen, auch wenn dann + sowohl für die Vektoraddition als auch für die Addition in K verwendet wird. Weiter lässt man die Skalarmultiplikation gerne weg, und schreibt so zum Beispiel α(v + w) = αv + αw für (iii).
Ein U ⊆ V heißt ein Unterraum oder Untervektorraum eines K-Vektorraumes V, falls U eine Untergruppe von 〈 V, + 〉 ist und zudem rng(·|K × U) ⊆ U gilt, d. h. es gilt α · u ∈ U für alle α ∈ K und alle u ∈ U.