5b. Konvergenzkriterien für Reihen (Lösungen)
Übung 1
Sei (xn)n ∈ ℕ eine Folge in ℝ. Zeigen Sie:
(a) | ∑n xn konvergiert genau dann, wenn gilt: ∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ m ≥ n0 |∑m < k ≤ n xk| < ε. |
(b) | Konvergiert ∑n xn, so ist limn xn = 0. |
Lösung zur Übung 1
zu (a): Für alle n ∈ ℕ sei sn = ∑k ≤ n xk. Nach Definition der Konvergenz einer unendlichen Reihe konvergiert ∑n xn genau dann, wenn die Folge (sn)n ∈ ℕ ihrer Partialsummen konvergiert. Nach dem Charakterisierungssatz für konvergente Folgen konvergiert (sn)n ∈ ℕ genau dann, wenn (sn)n ∈ ℕ eine Cauchy-Folge ist. Dies bedeutet:
∀ε > 0 ∃n0 ∀n, m ≥ n0 |sn − sm| < ε.
Eine äquivalente Formulierung ist:
(+) ∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ m ≥ n0 |sm − sn| < ε.
(Für alle n, m gilt |sn − sm| = |sm − sn|, sodass wir in der Quantifizierung über m und n ohne Einschränkung annehmen können, dass n ≥ m.)
Für alle n ≥ m gilt
sn − sm = ∑k ≤ n xk − ∑k ≤ m xk = ∑m < k ≤ n xk
Damit ist (+) gleichbedeutend mit
∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ m ≥ n0 |∑m < k ≤ n xk|
Damit ist die Äquivalenz in (a) bewiesen.
Bemerkung Die Cauchy-Bedingung für Reihen lässt wieder zahlreiche Variante zu. Sie ist zum Beispiel äquivalent zu
∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ m ≥ n0 |∑m ≤ k ≤ n xk| < ε.
zu (b): Sei ∑n xn konvergent. Sei ε > 0 beliebig. Nach (a) gibt es ein n0 mit
∀n ≥ m ≥ n0 |∑m < k ≤ n xk| < ε.
Speziell gilt für alle m ≥ n0, dass
|xn| = |∑n + 1 < k ≤ n xk| < ε.
Dies zeigt, dass limn xn = 0.
Übung 2
Sei ∑n xn eine absolut konvergente Reihe in ℝ. Zeigen Sie:
∑n xn = ∑n x2n + ∑n x2n + 1.
Gilt diese Aussage für alle konvergenten Reihen ∑n xn?
Lösung zur Übung 2
Sei also ∑n |xn| konvergent. Sei ε > 0 beliebig. Nach der Cauchy-Bedingung für Reihen gibt es ein n0 mit
(+) ∀n ≥ m ≥ n0 ∑m ≤ k ≤ n |xk| < ε.
Dann gilt aber für alle n ≥ m ≥ n0 auch
|∑m ≤ k ≤ n, k gerade xk| ≤ ∑m ≤ k ≤ n, k gerade |xk| < ε.
(Bei der ersten Ungleichung verwenden wir die Dreiecksungleichung und die zweite Summe ist eine Teilsumme der Summe in (+).)
Dies zeigt die Cauchy-Bedingung für die Reihe ∑n x2n, sodass diese Reihe konvergiert. Analog konvergiert ∑n x2n + 1. Nach dem Limesregeln gilt dann aber (mit sn = ∑k ≤ n xk):
∑n x2n + ∑n x2n + 1 | = limn ∑k ≤ n x2k + limn ∑k ≤ n x2k + 1 |
= limn (∑k ≤ n x2k + ∑k ≤ n x2k + 1) | |
= limn ∑k ≤ n (x2k + x2k + 1) | |
= limn ∑k ≤ 2n + 1 xk = limn s2n + 1 = ∑n xn. |
Im vorletzten Schritt verwenden wir, dass jede Teilfolge einer konvergenten Folge gegen den Grenzwert der Folge konvergiert (angewendet auf die Teilfolge (s2n + 1)n ∈ ℕ der Folge (sn)n ∈ ℕ) der Partialsummen von ∑n xn).
Gegenbeispiel für bedingt konvergente Reihen
Die Aussage ist für bedingt konvergente Reihen im Allgemeinen nicht gültig. Als Beispiel betrachten wir die Reihe
1 − 1 + 1/2 − 1/2 + 1/3 − 1/3 + … + 1/n − 1/n + δ
sie konvergiert gegen 0 (denn es gilt s2n = 0 und s2n − 1 = 1/n mit Summen ab 1). Die zugehörigen Reihen
1 + 1/2 + 1/3 + 1/5 + …
− 1 − 1/2 − 1/3 − 1/5 − …
mit geraden bzw. ungeraden Indizes sind divergent (aufgrund der Divergenz der harmonischen Reihe).
Zweite Lösung zu Übung 2
Sei wieder ∑n xn absolut konvergent. Wir betrachten die Reihen
x0 + 0 + x2 + 0 + x4 + 0 + …
0 + x1 + 0 + x3 + 0 + x5 + …
Die Reihe ∑n |xn| ist eine konvergente Majorante für beide Reihen, sodass diese Reihen nach dem Majorantenkriterium konvergieren. Ihre Werte sind offenbar gleich ∑n x2n bzw. ∑n x2n + 1. Der Rest ist wie im Beweis oben.
Übung 3
Zeigen Sie:
(a) | ∑n 1/n! konvergiert. |
(b) | ∑n ≥ 1 1/ divergiert. |
(c) | ∑n ≥ 1 n!/nn konvergiert. |
(d) | ∑n ≥ 1 n2/2n konvergiert. |
Lösung zur Übung 3
zu (a):
Wir verwenden das Quotientenkriterium. Für alle n ≥ 1 gilt:
|1/(n + 1)!1/n!| = n!(n + 1)! = 1n + 1 ≤ 12.
Damit konvergiert die Reihe nach dem Quotientenkriterium mit x = 1/2 und n0 = 1.
Die ersten Glieder n (blau) und |xn + 1/xn| (gelb) der Folgen wie im Wurzel- bzw. Quotientenkriterium. Beide Folgen konvergieren gegen 0.
Hier und im Folgenden stehen „WK“ und „QK“ für „Wurzelkriterium“ bzw. „Quotientenkriterium“.
zu (b):
Sei n ≥ 1. Dann gilt
≤ = n + 1.
Damit erhalten wir
≥ 1n + 1
Damit divergiert die Reihe nach dem Minorantenkriterium (da die Minorante ∑n ≥ 1 1/(n + 1) = 1/2 + 1/3 + 1/4 + … wie die harmonische Reihe divergiert).
Die Folgen des Wurzel- und Quotientenkriteriums konvergieren von unten gegen 1, sodass die Kriterien nicht anwendbar sind.
zu (c):
Wir verwenden das Wurzelkriterium. Zunächst schätzen wir Fakultät ab. Sei hierzu n ≥ 1. Es gilt n! ≤ nn, da jeder Faktor der Fakultät kleinergleich n ist. Um eine bessere Abschätzung zu erhalten, setzen wir
m = n/2 falls n gerade, m = (n − 1)/2 falls n ungerade
Dann gilt:
n! = n (n − 1) · … · 2 · 1 ≤ nn2m
Denn die letzten m Faktoren von n! sind alle kleinergleich n/2. Für alle n ≥ 2 gilt m ≠ 0 und n/m ≤ 3. (Ist n = 2m, so gilt n/m = 2; ist n = 2m + 1, so ist n/m = 2 + 1/m ≤ 3.) Damit gilt im Fall n ≥ 2:
n = ≤ = 12m/n ≤ < 1
Die Reihe konvergiert nach dem Wurzelkriterium mit x = 2−1/3 ∼ 0,79 und n0 = 2.
Bemerkung
Das Quotientenkriterium ist ebenfalls anwendbar. Für alle n gilt:
|(n + 1)!/(n + 1)n + 1n!/nn| = (n + 1) nn(n + 1)n + 1 = nn + 1(n + 1)n + 1 = (n/n + 1)n.
Wir werden später zeigen, dass der Grenzwert der Quotienten gleich 1/e ∼ 0,37 ist (mit e = limn (1 + 1/n)n). Das Gleiche gilt für die Folge des Wurzelkriteriums (wie sich mit Hilfe der Stirling-Formel zur Abschätzung der Fakultät zeigen lässt).
Die Folgen der beiden Kriterien konvergieren gegen 1/e ∼ 0,37.
zu (d):
Wir verwenden das Quotientenkriterium. Für alle n ≥ 3 gilt:
|(n + 1)2/2n + 1n2/2n| | = (n + 1)2 2nn2 2(n + 1) = (n + 1)2n2 2 = (1 + 1/n)22 |
≤ (1 + 1/3)22 = 16/92 = 89 < 1 |
Die Reihe konvergiert nach dem Quotientenkriterium mit x = 8/9 und n0 = 3.
Die Folgen der beiden Kriterien konvergieren gegen 1/2.
Übung 4
Sei (xn)n ∈ ℕ eine monoton fallende Folge positiver Zahlen. Zeigen Sie, dass die folgenden Aussagen äquivalent sind:
(a) | ∑n xn konvergiert. |
(b) | ∑n (2n + 1) xn2 konvergiert. |
(c) | ∑n n xn2 konvergiert. |
Lösung zur Übung 4
(a) ist äquivalent zu (b): Wir betrachten die Intervallzerlegung (von ℕ)
0 | 1 2 3 | 4 5 6 7 8 | 9 … 15 | 16 … 24 | … … | n2 … | …
mit den Quadratzahlen ab 0 als linken Grenzen. Für alle n ≥ 0 gilt:
an = n2, bn = (n + 1)2 − 1, δn = (n + 1)2 − n2 = 2n + 1
Für alle n ≥ 0 gilt:
δn + 1δn = 2n + 32n + 1 = 1 + 22n + 1 ≤ 3.
Nach dem Schlömilch-Konvergenzkriterium haben ∑n xn und
∑n δn xan = ∑n (2n + 1) xn2
das gleiche Konvergenzverhalten.
(b) impliziert (c): Mit Summen in ℝ ∪ { ∞ } gilt
∑n n xn2 ≤ 2 ∑n n xn2 + ∑n xn2 = ∑n (2n + 1) xn2.
Damit impliziert die Konvergenz der rechten Reihe die der linken.
(c) impliziert (b): Wieder mit Summen in ℝ ∪ { ∞ } gilt
∑n xn2 ≤ ∑n n xn2.
Damit konvergiert mit der Reihe ∑n n xn2 auch die Reihe
2 ∑n n xn2 + ∑n xn2 = ∑n (2n + 1) xn2.