1b. Konvergente Folgen (Lösungen)

Übung 1

Sei (xn)n  ∈   eine Folge in , und sei x  ∈  . Zeigen oder widerlegen Sie, dass die folgenden Aussagen äquivalent zur Konvergenz der Folge gegen x sind:

(a)

∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 |xn − x| ≤  ε,

(b)

∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 |xn − x| <  2 ε,

(c)

∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 |x2n − x| <  ε,

(d)

∀ε > 0 ∃n0 ∀n > n0 |xn − x| <  ε,

(e)

∀ε > 0 ∀n0 ∃n ≥ n0 |xn − x| <  ε,

(f)

∀k ≥ 1 ∃n0 ∀n ≥ n0 |xn − x| <  1/k  (mit k  ∈  ).

Lösung zur Übung 1

Die Konvergenzbedingung für x lautet:

(+)  ∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 |xn − x| <  ε

zu (a):

Die Aussage ist äquivalent zu (+):

Gilt (+), so gilt (a), denn aus |xn − x| < ε folgt stets |xn − x| ≤ ε. Für jedes ε > 0 ist ein n0, das für (+) geeignet ist, auch für (a) geeignet.

Gilt umgekehrt (a), so können wir, gegeben ε > 0, (a) auf ε′ = ε/2 anwenden: Es gibt ein n0 mit

∀n ≥ n0 |xn − x| ≤  ε′

Wegen ε′ = ε/2 < ε gilt dann auch

∀n ≥ n0 |xn − x| <  ε.

Damit gilt (+).

zu (b):

Die Aussage ist ebenfalls äquivalent zu (+). Der Beweis ist analog zum Beweis von (a): Gilt (+), so gilt (b), denn aus |xn − x| < ε folgt stets |xn − x| < 2ε. Gilt umgekehrt (b), so können wir für ein gegebenes ε > 0 (b) auf ε′ = ε/2 anwenden: Es gibt ein n0 mit

∀n ≥ n0 |xn − x| <  2ε′  =  2 ε/2  =  ε

Damit gilt (+).

zu (c):

Die Aussage ist nicht äquivalent zu (+). Wir betrachten hierzu die divergente Folge 0, 1, 0, 1, 0, 1, …, d. h. die Folge (xn)n  ∈   mit x2n = 0 und x2n + 1 = 1 für alle n. Hier ist (+) für alle x verletzt. Es gilt aber (c) für x = 0, da |x2n − x| = |0 − 0| = 0 < ε für alle n gilt, d. h. für jedes ε > 0 ist n0 = 0 wie in (c).

zu (d):

Die Aussage ist wieder äquivalent zu (+). Gilt (+), so gilt (d), denn aus

∀n ≥ n0 |xn − x| <  ε

folgt stets

∀n > n0 |xn − x| <  ε

Es gelte umgekehrt (d). Wir zeigen die zu (+) äquivalente Form

(+)′  ∀ε > 0 ∃n1 ∀n ≥ n1 |xn − x| <  ε,

in der die Variable n0 durch n1 ersetzt ist. Sei also ε > 0 beliebig. Nach (d) gibt es ein n0, sodass für alle n > n0 gilt, dass |xn − x| < ε. Wir setzen n1 = n0 + 1. Dann gilt für alle n ≥ n1, dass |xn − x| < ε. Dies zeigt (+)′.

zu (e):

Die Aussage ist nicht äquivalent zu (+). Sie besagt, dass x ein Häufungspunkt der Folge ist und ist damit eine echte Abschwächung der Konvergenz der Folge gegen x. Gilt (+), so gilt (e): Ist ε > 0 gegeben und n0 wie in (+), so gilt |xn − x| < ε für alle n ≥ n0. Damit gibt es für jedes n1 ein n ≥ n1 mit |xn − x| < ε, etwa n = max(n1, n0). Dies zeigt (e) (mit einer Indexvariable n1 anstelle von n0).

Für ein Gegenbeispiel zur Äquivalenz sei wieder (xn)n  ∈   die Folge 0, 1, 0, 1, 0, 1, …. Weiter sei x = 0. Dann gibt es, gegeben ε > 0, beliebig große n mit |xn − x| < ε. Denn ist n gerade, so gilt |xn − x| = 0. Da es für jedes n0 eine gerade Zahl n ≥ n0 gibt, gilt (e). Aber die Folge ist divergent, sodass (+) verletzt ist.

zu (f):

Die Aussage ist äquivalent zu (+). Die Menge { 1/k | k  ∈  , k ≥ 1 } ist eine Teilmenge von { ε  ∈   | ε > 0 }. Damit ist (f) eine Abschwächung von (+): Gilt

∃n0 ∀n ≥ n0 |xn − x| <  ε

für alle ε > 0, so gilt die Aussage insbesondere für alle ε der Form 1/k mit k ≥ 1. Dies zeigt, dass (+) die Aussage (f) impliziert.

Es gelte umgekehrt (f). Sei ε > 0 beliebig. Nach dem Archimedischen Axiom gibt es ein k ≥ 1 in  mit 1/k < ε. Ist nun n0 wie in (f) für k, so ist n0 auch wie in (+) für ε. Damit gilt (+).

Übung 2

(a)

Wir setzen x2n = 1 und x2n + 1 = 0 für alle n  ∈  . Zeigen Sie, dass die Folge (xn)n  ∈   divergiert.

(b)

Seien I = [ a, b ] und J = [ c, d ] reelle Intervalle mit a < b < c < d. Weiter sei (xn)n  ∈   eine Folge in  derart, dass die Mengen

A  =  { n  ∈   | xn  ∈  I }  und  B  =  { n  ∈   | xn  ∈  J }

unendlich sind. Zeigen Sie, dass (xn)n  ∈   divergiert.

Erste Lösung zu Übung 2

zu (a):  Sei x  ∈   beliebig. Wir zeigen, dass die Folge (xn)n ∈  nicht gegen x konvergiert. Hierzu zeigen wir:

(+)  ∃ε > 0 ∀n0 ∃n ≥ n0 |x − xn| ≥ ε(Divergenzbedingung für x)

Wir setzen ε = 1/2. Sei n0  ∈   beliebig. Wir unterscheiden zwei Fälle.

1. Fall:  x < 1/2.  Sei n ≥ n0 beliebig mit xn = 1. Dann gilt

xn − x  =  1 − x  >  1/2  =  ε.

Also gilt (+).

2. Fall:  x ≥ 1/2.  Sei n ≥ n0 beliebig mit xn = 0. Dann gilt

x − xn  =  x  ≥  1/2  ≥  ε.

Also gilt (+) auch in diesem Fall.

zu (b):  Sei x  ∈   beliebig. Wir zeigen erneut:

(+)  ∃ε > 0 ∀n0 ∃n ≥ n0 |x − xn| ≥ ε(Divergenzbedingung für x)

1. Fall:  x ≤ b.  Wir setzen ε = c − b. Dann gilt ε > 0. Sei n0  ∈   beliebig. Nach Voraussetzung gibt es ein n ≥ n0 mit xn  ∈  J. Dann gilt

xn − x  ≥  c − x  ≥  c − b  =  ε.

Also gilt (+).

2. Fall:  x > b.  Wir setzen ε = x − b. Dann ist ε > 0. Sei n0  ∈   beliebig. Nach Voraussetzung gibt es ein n ≥ n0 mit xn  ∈  I. Dann gilt

x − xn  ≥  x − b  =  ε.

Also gilt (+).

Zweite Lösung zu Übung 2

Bei diesem Ansatz steht die Dreiecksungleichung im Mittelpunkt.

zu (a):Annahme, es gilt limn xn = x für ein x  ∈  . Dann gibt es ein n0 mit

|xn − x| < 1/2  für alle n ≥ n0.

Dann gilt für alle n ≥ n0 nach der Dreiecksungleichung

1  =  | xn + 1 − xn |  ≤  | xn + 1 − x |  +  | x − xn |  <  1/2  +  1/2  =  1,

Widerspruch.

zu (b):Annahme, es gilt limn xn = x für ein x  ∈  . Dann gibt es ein n0 mit

|xn − x|  <  (c − b)/2  für alle n ≥ n0.

Nach Voraussetzung gibt es n, m ≥ n0 mit xn  ∈  I und xm  ∈  J. Dann gilt nach der Dreiecksungleichung

c − b  ≤  xm − xn ≤  | xm − x |  +  |x − xm |
<  (c − b)/2  +  (c − b)/2  =  c − b,

Widerspruch.

Übung 3

Seien (xn)n  ∈   und (yn)n  ∈   Folgen in  mit der Eigenschaft:

∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 |xn − yn| < ε.

Zeigen Sie: Konvergiert eine der beiden Folgen, so konvergiert auch die andere, und dann gilt limn xn = limn yn.

Erste Lösung: Nachweis der Konvergenzbedingung

Wir nehmen an, dass x = limn xn existiert und zeigen, dass x = limn yn. Der andere Fall der Konvergenz von (yn)n  ∈   ist analog.

Wir zeigen:

(+)  ∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 |x − yn| < ε(Konvergenzbedingung für x)

Zum Beweis von (+) sei ε > 0 beliebig. Wegen x = limn xn gibt es ein n1 mit

∀n ≥ n1 |x − xn| < ε/2

Nach Voraussetzung über die beiden Folgen gibt es ein n2 mit

∀n ≥ n2 |xn − yn| < ε/2

Wir setzen n0 = max(n1, n2). Sei n ≥ n0 beliebig. Dann gilt

|x − yn|  =  |x − xn + xn − yn|  ≤  |x − xn| + |xn − yn|  =  ε/2 + ε/2  =  ε.

Also gilt (+).

Zweite Lösung: Verwendung der Limesregeln

Wir nehmen erneut an, dass x = limn xn existiert und zeigen x = limn yn. Dies genügt.

Wir definieren (zn)n  ∈   durch

zn  =  yn − xn  für alle n.

Nach Voraussetzung gilt

∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 |zn| < ε(Nullfolgenbedingung)

Damit gilt limn zn = 0 (da |zn| = |zn − 0|). Nach den Limesregeln für konvergente Folgen ist also die Folge

(yn)n  ∈    =  (xn + zn)n  ∈  

konvergent und es gilt

limn yn  =  limn xn  +  limn zn  =  x  +  0  =  x.

Übung 4

Wir definieren rekursiv

x0 = 1,  xn + 1 = 1 + 1/xn  für alle n  ∈  .

(a)

Berechnen Sie x0, …, x6 in Form von Brüchen und zudem auf vier Nachkommastellen gerundeten Dezimalzahlen. Beschreiben Sie (ohne Beweis) die Folge der Brüche im Sinne eines anschaulichen Bildungsgesetzes.

(b)

Zeigen Sie, dass die Folge (xn)n  ∈   eine linksstartende injektive Pendelfolge ist.

(c)

Nach (b) existieren s = supn x2n = limn x2n, t = infn x2n + 1 = limn x2n + 1. Zeigen Sie, dass s und t Lösungen der Gleichung

x2 − x − 1  =  0

sind. Folgern Sie, dass s = t = limn xn und berechnen Sie den Grenzwert. Geben Sie den Grenzwert auch wieder als auf vier Nachkommastellen gerundete Dezimalzahl an.

Lösung zur Übung 4

zu (a):  Es gilt

x0  =  11  =  1

x1  =  1 + 11  =  21  =  2

x2  =  1 + 22  =  32  =  1,5

x3  =  1 + 3/23/2  =  53  ∼  1,6667

x4  =  1 + 5/35/3  =  85  =  1,6

x5  =  1 + 8/58/5  =  138  =  1,625

x6  =  1 + 13/813/8  =  2113  ∼  1,6154

Die Folge der Brüche lässt sich so beschreiben:

Der nächste Nenner ist der vorherige Zähler. Der nächste Zähler ist die Summe aus dem vorherigen Zähler und Nenner.

Formaler: Ist xn = a/b, so ist xn + 1 = (a + b)/a.

Bemerkung:  Die Folge (fn)n  ∈   = (1, 1, 3, 5, 8, 13, 21, …) heißt Folge der Fibonacci-Zahlen. Sie ist rekursiv definiert durch

f0  =  f1  =  1,  fn + 2  =  fn + fn + 1  für alle n  ∈  .

Ausgehend von den Anfangswerten 1, 1 ist das nächste Glied stets die Summer der beiden Vorgänger. Für unsere Folge gilt xn = fn/fn + 1 für alle n  ∈  , was sich leicht durch Induktion beweisen lässt.

zu (b):  Wir zeigen:

(+)  xn + 2 liegt zwischen xn und xn + 1.

Aus (+) folgt wegen x0 = 1 < 2 = x1, dass (xn)n  ∈   eine linksstartende injektive Pendelfolge ist.

Beweis von (+)

Wir nehmen zunächst an, dass xn < xn + 1 gilt. Wir zeigen, dass xn < xn + 2 < xn + 1. Es gilt

(a)

xn + 1 − xn + 2  =  1 + 1/xn − (1 + 1/xn + 1)  =  1/xn − 1/xn + 1  >  0

(b)

xn + 2 − xn  =  xn + 1 + 1xn + 1 − xn  >  xn + 1xn + 1 − xn  =  xn − xn  =  0

(In (a) verwenden wir xn < xn + 1, sodass 1/xn + 1 < 1/xn. In (b) verwenden wir ebenfalls xn < xn + 1 zur Abschätzung des Zählers.)

Aus (a) und (b) folgt xn < xn + 2 < xn + 1. Analog folgt aus xn + 1 < xn, dass xn + 1 < xn + 2 < xn. Dies zeigt (+).

zu (c):  Nach (b) existieren s und t. Für alle n  ∈   gilt

xn + 2  =  1 + xn + 1xn + 1  =  1 + (1 + xn)/xn(1 + xn)/xn  =  1 + 2xn1 + xn.

Nach dem Limesregeln gilt

s  =  limn x2n  =  limn x2n + 2  =  limn 1 + 2x2n1 + x2n  =  1 + 2s1 + s,

sodass s2 − s − 1 = 0. Analog gilt t2 − t − 1 = 0. Nach der Lösungsformel für quadratische Gleichungen hat die Gleichung x2 − x − 1 die eindeutige positive Lösung

φ  =  1+52  ∼  1,6180.(goldener Schnitt)

Wegen s, t > 0 gilt also s = t = φ. Da die Folge pendelt, gilt

φ  =  s  =  t  =  limn xn.