2b. Die Umgebungsstetigkeit (Lösungen)
Übung 1
Seien f : P → ℝ und g : Q → ℝ ε-δ-stetig mit f [ P ] ⊆ Q. Beweisen Sie durch direkten Nachweis der ε-δ-Stetigkeit, dass g ∘ f : P → ℝ stetig ist.
Lösung zur Übung 1
Sei p ∈ P. Wir zeigen, dass g ∘ f : P → ℝ ε-δ-stetig an der Stelle p ist. Sei hierzu ε > 0. Da g an der Stelle f (p) ∈ Q ε-δ-stetig ist, gibt es ein γ > 0 mit
(1) ∀y ∈ Q (|y − f (p)| < γ → |g(y) − g(f (p))| < ε)
Da f an der Stelle p ε-δ-stetig ist, gibt es ein δ > 0 mit
(2) ∀x ∈ P (|x − p| < δ → |f (x) − f (p)| < γ)
(Das γ spielt hier die „ε-Rolle“ im Wertebereich.)
Da f (x) ∈ Q für alle x ∈ P gilt, ergibt sich aus (2) und (1):
(3) ∀x ∈ P (|x − p| < δ → |g(f (x)) − g(f (p))| < ε)
Dies zeigt, dass g ∘ f : P → ℝ ε-δ-stetig an der Stelle p ist.
Bemerkung
Das Argument wird in der Umgebungs-Formulierung vielleicht noch klarer: Sei ε > 0 und U = Uε(g(f (p)). Da g umgebungsstetig im Punkt f (p) ist, gibt es ein V = Uγ(f (p)) ∩ Q, γ > 0, mit
(1) g[ V ] ⊆ U
Da f stetig im Punkt p ist, gibt es ein W = Uδ(p) ∩ P, δ > 0, mit
(2) f [ W ] ⊆ V
Dann gilt
(3) (g ∘ f) [ W ] = g[ f [ W ] ] ⊆ g[ V ] ⊆ U
Dies zeigt die Umgebungsstetigkeit von g ∘ f an der Stelle p.
Übung 2
Sei f : ℝ → ℝ stetig in p ∈ ℝ.
(a) | Sei c ∈ ℝ derart, dass f (p) > c. Zeigen Sie: ∃δ > 0 ∀x ∈ Uδ(p) f (x) > c. |
(b) | Gilt die Aussage (a) auch mit jeweils „≥ c“ anstelle von „> c“ ? |
(c) | Es gelte, dass f in jeder Umgebung Uδ(p) von p sowohl positive als auch negative Werte annimmt. Zeigen Sie, dass f (p) = 0. |
Lösung zur Übung 2
zu (a): Sei ε = f (p) − c. Wegen f (p) > c gilt ε > 0. Da f ε-δ-stetig in p ist, gibt es ein δ > 0 mit
∀x ∈ Uδ(p) |f (x) − f (p)| < ε.
Wir zeigen, dass δ wie gewünscht ist. Sei hier x ∈ Uδ(p) beliebig. Dann gilt |f (x) − f (p)| < ε, d. h.
f (x) ∈ ] f (p) − ε, f (p) + ε [.
Folglich ist
f (x) > f (p) − ε = f (p) − (f (p) − c) = c.
zu (b): Eine analoge Aussage mit „≥ c“ gilt im Allgemeinen nicht. Für ein Gegenbeispiel seien f : ℝ → ℝ mit f (x) = − x2 für alle x ∈ ℝ, p = 0 und c = 0. Es gilt f (p) = f (0) = 0 ≥ c. Weiter gilt für ein beliebiges δ > 0:
∀x ∈ Uδ(0) (x ≠ 0 → − x2 < 0),
sodass insbesondere
f (δ/2) < c für δ/2 ∈ Uδ(p).
Damit ist
∃δ > 0 ∀x ∈ Uδ(p) f (x) ≥ c
verletzt.
zu (c): Annahme f (p) > 0. Nach (a) existiert ein δ > 0 derart, dass f (x) > 0 für alle x ∈ Uδ(p). Nach Voraussetzung nimmt aber f in Uδ(p) negative Werte an, Widerspruch. Also gilt f (p) ≥ 0.
Ein Analogon zu (a) gilt mit „f (p) < c“. (Dies ergibt sich durch Anwendung von (a) auf − f.) Da f in jeder Umgebung Uδ(p) positive Werte annimmt, führt auch die Annahme „f (p) < 0“ zu einem Widerspruch zur Voraussetzung. Also gilt f (p) ≤ 0.
Insgesamt ist also f (p) ≥ 0 und f (p) ≤ 0, sodass f (p) = 0.
Übung 3
Sei f : P → ℝ eine gleichmäßig stetige Funktion, und sei P beschränkt. Zeigen Sie, dass f [ P ] = { f (x) | x ∈ P } beschränkt ist. Gilt diese Aussage auch, wenn die gleichmäßige Stetigkeit zur Stetigkeit abgeschwächt wird?
Lösung zur Übung 3
Die gleichmäßige Stetigkeit von f bedeutet:
∀ε > 0 ∃δ > 0 ∀p, x ∈ P (|x − p| < δ → |f (x) − f (p)| < ε).
Sei ε = 1. Dann gibt es ein δ > 0 derart, dass
(+) ∀p, x ∈ P (|x − p| < δ → |f (x) − f (p)| < 1).
Da P nach Voraussetzung beschränkt ist, gibt es ein s > 0 mit P ⊆ [ −s, s ]. Nach dem Archimedischen Axiom gibt es ein n mit n δ ≥ s. Dann gilt aber
(++) P ⊆ [ −s, s ] ⊆ ⋃−n ≤ k ≤ n Uδ(k δ).
Denn die sich überlappenden offenen Intervalle
Uδ(0), Uδ(δ), Uδ(2δ), …, Uδ(n δ)
überdecken [ 0, s ], da n δ ≥ s. (Der rechte Grenzpunkt eines Intervalls ist der Mittelpunkt des folgenden Intervalls, mit Ausnahme des letzten Intervalls.) Analoges gilt für [ −s, 0 ].
Sei k ∈ { −n, …, n }. Nach (+) (mit p = k δ) gilt
|f (x)| ≤ f (k δ) + 1 für alle x ∈ Uδ(k δ).
Setzen wir also
r = max { |f (k δ)| + 1 | − n ≤ k ≤ n },
so gilt |f (x)| ≤ r für alle x ∈ P nach (++). Dies zeigt, dass der Wertebereich f [ P ] der Funktion f beschränkt ist.
zum Zusatz:
Die Aussage ist für stetige Funktionen im Allgemeinen nicht gültig. Ein Gegenbeispiel ist das Hyperbelstück f : ] 0, 1 ] → ℝ mit f (x) = 1/x für alle x ∈ ] 0, 1 ]. Die Funktion f ist stetig und ihr Definitionsbereich ] 0, 1 ] ist beschränkt, aber der Wertebereich f [ P ] ist das unbeschränkte Intervall [ 1, ∞ ].
Übung 4
(a) | Geben Sie eine stetige Funktion f : ] 0, 1 ] → ℝ an, die nicht gleichmäßig stetig ist. Beweisen Sie, dass die gleichmäßige Stetigkeit nicht gilt. |
(b) | Geben Sie eine stetige Funktion f : [ a, b ] → ℝ an, die nicht Lipschitz-stetig ist. Beweisen Sie, dass die Lipschitz-Stetigkeit nicht gilt. |
Optional: In (a) kann ein beschränkter Wertebereich erreicht werden, konkret etwa eine stetige, aber nicht gleichmäßig stetige Funktion f : ] 0, 1 ] → [ 0, 1 ]. Wer eine etwas anspruchsvollere Aufgabe sucht, kann diese zusätzliche Eigenschaft aufnehmen.
Lösung zur Übung 4
zu (a):
Wir geben zunächst ein Beispiel mit einer Polstelle. Hierzu betrachten wir das Hyperbelstück f : ] 0, 1 ] → ℝ mit
f (x) = 1/x für alle x ∈ ] 0, 1 ].
Dann ist f stetig. Da f unbeschränkt ist, kann f nach obiger Übung nicht gleichmäßig stetig sein. Dies lässt sich auch direkt einsehen. Die gleichmäßige Stetigkeit von f bedeutet:
∀ε > 0 ∃δ > 0 ∀x, y ∈ ] 0, 1 ] (|x − y| < δ → |1/x − 1/y| < ε)
Wir zeigen die Verneinung dieser Aussage:
(+) ∃ε > 0 ∀δ > 0 ∃x, y ∈ ] 0, 1 ] (|x − y| < δ ∧ |1/x − 1/y| ≥ ε)
Wir setzen ε = 1 und zeigen, dass ε wie gewünscht ist. Sei hierzu δ > 0 beliebig.
1. Fall: δ ≥ 1
Wir setzen x = 1/2 und y = 1. Dann gilt:
|x − y| = 1/2 < 1
|1/x − 1/y| = |2 − 1| = 1 = ε
2. Fall: δ < 1
Wir setzen x = δ/2, y = δ. Dann gilt:
|x − y| = δ/2 < δ
|1/x − 1/y| = |2/δ − 1/δ| = 1/δ ≥ 1 = ε.
Bemerkung
Wir können die Fallunterscheidung vermeiden und „ohne Einschränkung“ δ < 1 annehmen. Denn ist c > 0 beliebig und (+) für ein ε und alle δ ∈ ] 0, c [ bewiesen, so gilt (+) für dieses ε und alle δ > 0. Anschaulich formuliert: Kleine δ sind (+) schwieriger zu erfüllen als große. Für die Funktion f mit f (x) = 1/x bedeutet dies: Ist δ sehr klein, so müssen wir x, y nahe der Null wählen, um einen hinreichend großen Abstand der Funktionswerte zu erreichen.
Beschränkter Wertebereich
Wir definieren f : ] 0, 1 ] → [ 0, 1 ] wie folgt. Wir setzen
f (1/2n) = 1 für n gerade, f (1/2n) = 0 für n ungerade.
Es gilt also
f (1) = f (1/4) = f (1/16) = … = 1
f (1/2) = f (1/8) = f (1/32) = … = 0
Nun definieren wir f durch lineare Interpolation, d. h. wir verbinden die Punkte
(1, 1), (1/2, 0), (1/4, 1), (1/8, 0), (1/16, 1), …
durch Geradenstücke. (Die explizite Definition spielt für die Argumentation keine Rolle. Jede stetige Verbindung der vorgegebenen Punkte ist geeignet.) Die Funktion wird im Nullpunkt nicht definiert.
Wir erhalten so eine stetige Funktion f : ] 0, 1 ] → [ 0, 1 ] (die sich nicht stetig in den Nullpunkt fortsetzen lässt). Die Funktion ist nicht gleichmäßig stetig. Zum Nachweis setzen wir ε = 1/2. Sei nun δ > 0 beliebig. Dann gibt es ein gerades n mit 1/2n < δ. Wir setzen
x = 1/2n, y = 1/2n + 1
Dann gilt:
|x − y| = 1/2n + 1 < δ
|f (x) − f (y)| = |1 − 0| = 1 ≥ ε.
Dies zeigt, dass f nicht gleichmäßig stetig ist.
zu (b):
Wir definieren f : [ 0, 1 ] → ℝ durch
f (x) = für alle x ∈ [ 0, 1 ]
Dann ist f stetig. Wir zeigen, dass f nicht Lipschitz-stetig ist. Die Lipschitz-Stetigkeit von f bedeutet:
∃L > 0 ∀x, y ∈ [ 0, 1 ] | − | < L |x − y|
Wir zeigen die Verneinung dieser Aussage:
(+) ∀L > 0 ∃x, y ∈ [ 0, 1 ] | − | ≥ L |x − y|
Wegen = 0 und ≥ 0 für alle x genügt es zu zeigen:
(++) ∀L > 0 ∃x ∈ [ 0, 1 ] ≥ L x
(Denn ist L > 0 und x wie in (++), so ist x und y = 0 für L wie in (+).)
Zum Beweis von (++) sei L > 0 beliebig.
1. Fall: L ≤ 1
Wir setzen x = 1. Dann gilt:
= 1 ≥ L = L x
2. Fall: L > 1
Wir setzen x = 1/L2. Dann gilt x < 1 und:
= = 1/L = L · 1/L2 = L x ≥ L x
Bemerkung
Im zweiten Fall erhalten wir die erwünschte Ungleichung allgemeiner für ein beliebiges x mit 0 ≤ x ≤ 1/L2. Denn mit c = x L2 ≤ 1 gilt:
= = /L ≥ c/L = L c/L2 = L x
(Wegen c ≤ 1 gilt c2 ≤ c und folglich c ≤ nach Monotonie der Wurzel.)
Anschauliche Zusammenfassung
Die Polstelle bei Null der Hyperbel in (a) führt zur Verletzung der gleichmäßigen Stetigkeit, da sich die Funktion auch auf winzigen Teilintervallen schnell verändert, wenn diese Intervalle nahe genug bei der Null liegen. Analoges gilt für die stark oszillierende Zackenfunktion. Die „unendliche Steigung“ der Wurzelfunktion in (b) im Nullpunkt führt zur Verletzung der Lipschitz-Stetigkeit, da sich die Veränderung der Funktionswerte nahe der 0 nicht linear in der Veränderung der Stellen beschränken lässt. (Die gleichmäßige Stetigkeit gilt für diese Funktion.)