3b. Mehrdimensionale Differenzierbarkeit (Lösungen)
Übung 1
Zeichnen Sie je ein Höhenliniendiagramm (Kontur-Plot) für die folgenden Funktionen f : ℝ2 → ℝ. Berechnen Sie hierzu jeweils zunächst die Höhenlinien nivf(c) für c ∈ ℝ und begründen Sie die geometrische Form dieser Mengen. Skizzieren Sie dann diese Höhenlinien für einige c.
(a) | f(x, y) = x2 + 4 y2 |
(b) | f(x, y) = x2 + y2 − 4x − 2y + 9 |
(c) | f(x, y) = x + y2 |
Lösung zur Übung 1
zu (a):
Sei c ∈ ℝ. Im Fall c < 0 ist nivc(f) = ∅. Im Fall c = 0 ist nivf(c) = { 0 }. Sei also c > 0, und sei w = . Dann gilt
nivf(c) | = { (x, y) | x2 + 4 y2 = c } |
= { (x, y) | (x/w)2 + (y/(w/2))2 = 1 } |
Damit ist nivφ(c) eine achsenparallele Ellipse mit den Halbachsen
a = w = (x-Achse), b = w/2 = (y-Achse)
Kontur-Plot für f : ℝ2 → ℝ mit f(x, y) = x2 + 4 y2 .
zu (b):
Für alle (x, y) ∈ ℝ2 gilt:
f(x, y) | = x2 + y2 − 4x − 2y + 9 |
= x2 − 4x + 4 + y2 − 2y + 1 + 4 | |
= (x − 2)2 + (y − 1)2 + 4 |
Sei nun c ∈ ℝ. Dann gilt:
nivf(c) | = { (x, y) | f (x, y) = c } |
= { (x, y) | (x − 2)2 + (y − 1)2 = c − 4 } |
Also ist nivf(c) = ∅ für c < 4 und nivf(4) = { 0 }. Für c > 0 gilt
nivf(c) | = K, (2, 1) |
= „der Kreis der Ebene mit Mittelpunkt (2, 1) und Radius “. |
Kontur-Plot für f : ℝ2 → ℝ mit
f(x, y) = x2 + y2 − 4x − 2y + 9 = (x − 2)2 + (y − 1)2 + 4
zu (c):
Sei c ∈ ℝ. Dann gilt
nivf(c) | = { (x, y) | x + y2 = c } |
= { (x, y) | x = − y2 + c } |
Damit ist nivf(c) eine Parabel mit der x-Achse als Symmetrieachse. Die Parabel hat nivf(c) hat die Öffnung −1 und ist um c auf der x-Achse verschoben (Öffnung nach links, Scheitelpunkt bei (c, 0)).
Kontur-Plot für f : ℝ2 → ℝ mit f(x, y) = x − y2
Übung 2
Sei f : P → ℝm mit P ⊆ ℝn offen, und sei p ∈ P. Zeigen Sie, dass die folgenden Aussagen äquivalent sind:
(a) | f ist differenzierbar in p. |
(b) | Es gibt eine (m × n)-Matrix A mit limx → p ∥ f (x) − f (p) − A (x − p) ∥∥ x − p ∥ = 0. |
(c) | Es gibt eine (m × n)-Matrix A mit limh → 0 ∥ f (p + h) − f (p) − A h ∥∥ h ∥ = 0. |
(d) | Es gibt eine (m × n)-Matrix A und eine Funktion r : Uε(0) → ℝm mit Uε(p) ⊆ P und f(p + h) = f (p) + A h + r(h) für alle h ∈ Uε(0), limh → 0 ∥ r(h) ∥∥ h ∥ = 0. |
(e) | Es gibt eine (m × n)-Matrix A und eine im Punkt 0 stetige Funktion s : Uε(0) → ℝm mit Uε(p) ⊆ P und f(p + h) = f (p) + A h + ∥ h ∥ s(h) für alle h ∈ Uε(0), s(0) = 0. |
Weiter gilt A = Jf(p), falls (b), (c), (d) oder (e) erfüllt ist.
Vorbemerkung zum Beweis
Die Äquivalenzen sind analog zum eindimensionalen Fall, wobei Anpassungen notwendig sind, da keine Differentialquotienten (f (x) − f (p))/(x − p) mit reellen Zahlen im Zähler und Nenner vorliegen. Da wir die lineare Approximation zur Definition der Differenzierbarkeit verwendet haben, ist die Äquivalenz von (a) und (b) einfach zu zeigen. Durch den Übergang zur h-Formulierung erhalten wir (c) und (d). Die letzte Aussage ist eine Version des zweiten linearen Approximationssatzes. Die eindimensionale Version
f (x) = f (p) + s1(x) (x − p) oder äquivalent
f(p + h) = f (p) + h s2(h)
lässt sich nicht direkt übernehmen, da h ∈ ℝn, s2(h) ∈ ℝm. Wir können aber den linearen Anteil von s2 auslagern und zudem mit der Norm ∥ h ∥ anstelle des Vektors h arbeiten.
Lösung zur Übung 2
(a) ist äquivalent zu (b):
Sei A eine beliebige (m × n)-Matrix. Dann definieren wir r : P → ℝm durch
r(x) = f (x) − f (p) − A (x − p).
Dies ist äquivalent zu
f (x) = f (p) + A (x − p) + r(x) für alle x ∈ P.
Nach Definition von r gilt (mit „gdw“ = „genau dann, wenn“):
limx → p ∥ r(x) ∥∥ x − p ∥ = 0 gdw limx → p ∥ f (x) − f (p) − A (x − p) ∥∥ x − p ∥ = 0
Nach Definition der Differenzierbarkeit sind also (a) und (b) äquivalent, und es gilt (a) und (b) genau dann, wenn A = Jf(p).
(b) ist äquivalent zu (c):
Setzen wir „x = p + h“, so gilt „p = x − h“, „h = x − p“ (mit h ∈ ℝn). Damit ist „limx → p“ äquivalent zu „limh → 0“. Durch diese Setzung gehen also die Aussagen (b) und (c) ineinander über.
(c) ist äquivalent zu (d):
Da U offen ist, gibt es ein ε > 0 mit Uε(p) ⊆ U. Dann gilt für alle h, p ∈ ℝn:
h ∈ Uε(0) genau dann, wenn p + h ∈ Uε(p),
x ∈ Uε(p) genau dann, wenn x − p ∈ Uε(0).
Die Äquivalenz von (c) und (d) wird nun analog zur Äquivalenz von (a) und (b) bewiesen. Ausführlich: Wir definieren, gegeben A ∈ ℝm × n, eine Funktion r : Uε(0) → ℝm durch
r(h) = f(p + h) − f (p) − A h, d. h.
f(p + h) = f (p) + A h + r(h) für alle h ∈ Uε(0).
Nach Definition von r gilt:
limh → 0 ∥ r(h) ∥∥ h ∥ = 0 gdw limh → 0 ∥ f (p + h) − f (p) − A h ∥∥ h ∥ = 0
Damit sind (c) und (d) äquivalent. Nach dem bereits Gezeigten gelten (c) und (d) genau dann, wenn A = Jf(p).
(d) ist äquivalent zu (e):
Sei wieder A ∈ ℝm × n beliebig, und sei ε > 0 mit Uε(p) ⊆ P. Wir definieren zwei Funktionen r, s : Uε(0) → ℝm durch
r(h) = f(p + h) − f (p) − A h
s(h) = r(h)/∥ h ∥ für h ≠ 0, s(0) = 0.
Dann gilt nach Konstruktion für alle h ∈ Uε(0):
f (p + h) = f (p) − A h + r(h),
f (p + h) = f (p) − A h + ∥ h ∥ s(h), falls h ≠ 0.
Nach Definition der Limesstetigkeit gilt wegen s(0) = 0:
limh → 0 ∥ r(h) ∥∥ h ∥ = 0 gdw limh → 0, h ≠ 0 ∥ s(h) ∥ = 0
gdw limh → 0, h ≠ 0 s(h) = 0 gdw s ist stetig an der Stelle 0.
Dies zeigt, dass (d) und (e) äquivalent sind. Nach dem bereits Gezeigten gilt wieder A = Jf(p), falls (d) und (e) gelten.